Faschismus, Antifaschismus und „Antifaschismus“

11.02.2019
Von A.F. Reiterer
Der Erste Weltkrieg war jene Auseinandersetzung, in welcher aus dem damalig neuen Stadium, dem Imperialismus, eine neue hegemoniale Macht entstieg. Entgegen den deutschen Ambitionen waren dies nicht das Deutsche Reich, sondern die USA. Aber als Abfallprodukt brachte der Weltkrieg auch einen Demokratisierungsschub in Mitteleuropa und die Oktober-Revolution. Die alten Eliten wichen, sozusagen in Schockstarre, kurz zurück.

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Aber diese Star­re war schnell vorbei. Noch war kein Vierteljahr seit der Ausrufung der Republik vergangen, als Freischärler mit Zustimmung der sozialdemokratischen Führung Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordeten – „einer muss eben der Bluthund sein“ rechtfertigte Noske diese extralegale Hinrichtung. Dann begannen sie mit bemerkenswerter Energie, den Revolutions­schutt aufzuräumen. Die Eliten der Siegermächte wollten eigene kurzfristige Interessen ver­treten, die alten Strukturen integral wieder herstellen. Mit der Wiedereinführung des Gold­standards legten sie aber den Grund für die Katastrophe der Mittel- und Unterschichten. Diese setzten den neuen Verhältnissen auf ihre Weise eine Rebellion gegenüber. Die Arbeiter wur­den für die kommunistische Programmatik empfänglich; und die Mittelschichten und ein gewisser Teil auch der Unterschichten ließ sich chauvinistisch indoktrinieren. Diesen Teil bekamen die Eliten bald unter ihren Einfluss: Der Faschismus entstand und lieferte ihnen eine unverhoffte Massenbasis. Allerdings ließ sich die faschistische Führung nur zum Teil kontrollieren. Der Zweite Weltkrieg setzte den Ersten fort.

In der Zweiten Nachkriegszeit zwangen die Sieger die alten Eliten, ihre Strategie zu ändern und auf einen Integrations-Kurs zu setzen. Er funktionierte über Erwarten gut, kostete aber. Wieder begannen die alten und neuen Eliten ihren zähen Widerstand. Diesmal aber waren sie entschlossen, die Legalität zu achten. Das Imperium setzt auf Legalismus als ideologischen Grundsatz. Legalität tritt an die Stelle der Legitimität. Was aber passiert, wenn dies nicht mehr funktioniert? Einen Vorgeschmack lieferte Helmut Schmidt, einer der politi­schen Väter des imperialen Europa. Er stellte der deutschen Öffentlichkeit kaum verhohlen die extralegale Hinrichtung der Baader-Meinhof-Leute zur Debatte („unabwendbare Notwendigkeit“ bis an die Grenzen zu gehen…).

Was nun die Geschichte von Stammheim betrifft, schreibt vier Jahrzehnte später die Wiener „Presse“ (4. September 2017) in ihrem unnachahmlichen Stil: “Über Wochen herrschte ein nicht erklärter Ausnahmezustand. Alle wichtigen Entscheidungen wurden im „kleinen“ und „großen Krisenstab“ getroffen. Im Eilverfahren wurde ein eigenes „Kontaktsperregesetz“ beschlossen, mit dem der Zugang der Stammheimer Häftlinge zu ihren Anwälten unterbunden wurde. Auch „exotische Lösungen“ wie die Erschießung von RAF-Gefangenen wurden diskutiert. … Nach Einlangen der Nachricht begingen Baader, Ensslin und Jan-Carl Raspe Selbstmord. Vieles spricht dafür, dass diese Todesnacht quasi unter staatlicher Aufsicht erfolgt ist. Denn ein halbes Jahr zuvor hatte man eine geheime Kommunikationsanlage der Gefangenen angezapft.“ Das also ist der Antifaschismus der Herrschenden.

Der Neoliberalismus und seine postnationale und postdemokratische Institutionen-Struktur ist das funktionale Äquivalent des Zwischenkriegs-Faschismus im Rahmen einer neuen politischen Kultur. Sein Erfolg hängt davon ab, den sozialen und politischen Frieden zu bewahren. Aus diesem Grund fürchtet er nichts mehr als das, was er den Populis­mus nennt – eine neuerliche Rebellion der Bevölkerung. Daher pflegt er con amore seinen „Antifaschismus“. Die Linke existiert gegenwärtig kaum mehr – oder noch nicht. Damit kann man alle Energie auf den falschen Gegner lenken. Denn gegenwärtig ist der Faschismus ein Papiertiger. Umso lauter muss man sich dagegen positionieren.

Man kann dies am Beispiel Österreich erläutern. Als die Konservativen 2000 die Koalition mit der Haider-FPÖ bildeten, brach in Österreich und international eine wahre Hysterie aus. Die Aufmerksamkeit war völlig auf die total unfähigen FP-Regierungs-Mitglieder konzen­triert, die zu keiner politischen Aktion in der Lage waren. Im Schatten dessen zog Schüssel sein Programm des Umbaus nach EU-Rezepten durch. Die FPÖ diente ausschließlich als Mehrheitsbeschafferin. – Seit 2017 hat sich dies etwas geändert, aber die Grund-Konstellation blieb gleich. Nun wird das Kurz-Programm verwirklicht. Die Vertreter der Strache-FPÖ, von anderer sozialer Herkunft als damals, werken daran kräftig mit. Dementsprechend gedämpft sind diesmal auch die Proteste, obwohl die persönlichen Traditionen der heutigen FPÖler viel fragwürdiger sind als damals.

Die institutionalisierten „Antifaschisten“ heute aber sammeln sich in „Opfer-Verbänden“, obwohl es wegen des Zeitabstands gar keine Opfer mehr gibt – oder sind noch ein oder zwei vorhanden? Mit anderen Worten, sie missbrauchen die seinerzeitigen Opfer in übler Weise, um eine Politik durchzusetzen, welche die seinerzeitigen Opfer mit ihrem Leben bekämpften.

Albert F. Reiterer, 11. Feber 2019

 

Verweise