Rede von Gerhard Ruiss am Wiener Tribunal

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19.01.2019
"Wir haben eine Kriegsbefürwortung hinnehmen müssen, die schon eines nicht-neutralen Landes unwürdig ist, aber erst recht eines neutralen Landes wie Österreich. "

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Sehr geehrte Jury, sehr geehrte Anwesende!

Ich habe ein Beweisstück mitgebracht, das in einem sehr beziehungsreichen Zusammenhang steht mit der Anklage; das muß ich ein wenig weghalten, ich versuche trotzdem zu sprechen. Es handelt sich um dieses Plakat, auf dem “Stoppt den Krieg in Jugoslawien” steht und auf dem oben einige Namen zu finden sind und darunter ein kurzer Text. Diese Beweisstück werde ich der Hohen Jury übergeben, sie kennt es wahrscheinlich, aber es ist vielleicht in Vergessenheit geraten und ich werde erzählen, warum es zu diesem Beweisstück gekommen ist, das in 5000 Exemplaren aufgelegt wurde. Ich darf um die Übernahme bitten; es ist mein einziges, mein letztes. Und es stehen einige hoch interessante Namen darauf, viele andere nicht. Dieser Aufruf, der auf diesem Plakat steht, wurde insgesamt von geschätzt rund 3-5000 Leuten unterzeichnet. Es ist ein gemeinsamer Aufruf des Wilfried Graf, des Hannes Hofbauer und von mir gewesen und der folgende Ursachen hat. Die beginnen zunächst bei mir. In der Nacht, in der ersten Bombennacht, in der ersten Nacht der Bombenflüge auf Jugoslawien war ich in Leipzig, um dort bei einer Talkshow teilzunehmen. Am ersten, am Vorabend der Leipziger Buchmesse, und an diesem Abend sind zwei Talkshowgäste nicht gekommen. Wir haben versucht, mit ihnen Telefonkontakt zu kriegen, wir haben ihn dann gekriegt und sie sind wegen angeblicher technischer Pannen auf diesem Flughafen nicht gekommen. Sie haben so wie wir am nächsten Tag in den Frühnachrichten erfahren, warum sie nicht kommen konnten. Es war nicht die Rollbahnen, die beschädigt waren und es waren auch nicht die Räder am Flugzeug, die beschädigt waren, sondern es war die erste Bombennacht. Mit dieser Informationspolitik ist es so weitergegangen, diese Informationspolitik, daß nicht geflogen werden kann, weil irgend etwas an der Startbahn beschädigt ist, das hat sich fortgesetzt. Ich habe am ersten Tag der Leipziger Buchmesse nur deprimierte Verleger, Verlegerinnen, Buchhändler, Buchhändlerinnen, Autoren und Autorinnen erlebt. Es hat eine Niedergeschlagenheit geherrscht, die ich sonst bei Messen nicht kenne und das hat eben den Grund dieser Nachricht gehabt. Das heißt, ich habe nirgendwo auch nur die geringsten Anzeichen von Zustimmung erlebt, sondern Ratlosigkeit und Betroffenheit. Ich bin dann den nächsten Tag nach Wien zurückgekommen und habe in einer einzigen österreichischen Tageszeitung ein einziges Mal ein paar Stimmen, kritische Anmerkungen formulieren gehört gegen die Bombenflüge gegen Jugoslawien. Das war´s dann auch. Ich habe in den nachfolgenden Wochen eine beispiellose Propaganda in den österreichischen Medien erlebt - ich kann das nur unterstreichen, was Walter Baier vor mir gesagt hat -, die in diesem Ausmaß von uns, die wir gewöhnt sind uns immer wieder kritisch zu Wort zu melden, noch nie so zur Kenntnis genommen werden mußte, wie in diesem Bombenangriff der NATO. Es war nicht möglich, nicht einmal mehr in den Gastkomentaren möglich, kritische Stellungnahmen unterzubringen. Wir haben hinnehmen müssen, daß Journalisten permanent gegen uns geschrieben haben. Wir haben eine Kriegsbefürwortung hinnehmen müssen, die schon eines nicht-neutralen Landes unwürdig ist, aber erst recht eines neutralen Landes wie Österreich.

Das hat sich fortgesetzt in einer Art und Weise, es wurde schon gesagt, mit einer eindeutigen klaren Schuldzuweisung an Serbien, und zwar während der ganzen Zeit der Bombenflüge, während der ganzen Zeit der Angriffe, ob gegen die Zivilbevölkerung, ob gegen zivile Ziele oder auch militärische Ziele. Das hat sich fortgesetzt in einer Art von Nachrichtenlancierung - und ich möchte das nicht an einzelnen Beispielen festmachen, es sind zu viele, die jeder Gewissenhaftigkeit von Berichtspflicht widerspricht, die jedem Objektivitätsgebot widerspricht, die jeglicher Art von journalistischer Ethik widerspricht und die damit letztlich auch den österreichischen Gesetzen widerspricht, dem Medienrecht widerspricht, den gesetzlichen Verpflichtungen, die Journalisten und Journalistinnen in Österreich haben, widerspricht und selbstverständlich dem ORF-Objektivitätsgebot. Es handelt sich um Nachrichten, wie beispielsweise folgende: Ich zitiere jetzt nur aus dem Gedächtnis: Es seien irgendwo im Kosovo Bergwerksstollen entdeckt worden mit Verbrennungsöfen; nahegelegt wurde, es handle sich um eine ähnliche Vernichtung wie seinerzeit in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten. Sie alle wissen, ich weiß es auch, das ist von vornherein bedient worden. Damit ist auch der Nationalsozialismus, und das soll bitte festgehalten werden, der Nationalsozialismus, das grauenhafteste Verbrechen in der Menschheitsgeschichte, verniedlicht worden. Dazu ist mit dieser Art von Berichterstattung beigetragen worden. Nicht zum ersten Mal, aber zum wiederholten Mal und zum ausführlichsten Mal. Das hat auch zur Folge, und Walter Baier hat das schon gesagt, das hat auch etwas innenpolitisch zur Folge, nämlich die Verharmlosung von Rassismus und von Rechtsextremismus. Es ist damit auch gelungen, und ich vermute auch, es ist damit etwas auf Dauer passiert für Österreich, und zwar für die Stimmung hier im Land mit der wir auch heute leben. Es ist eine neue Verängstigung eingetreten und wir haben sozusagen mit Medien zu tun, die nicht einmal mehr das Geringste wagen. In diesem Sinne bitte ich die Hohe Jury zu einem Punkt ganz konkret und ganz besonders zu befinden. Das ist der Punkt der Zensur. Wir leben mit Konventionen, wir leben mit Grundrechten, die uns Freiheit der Information garantieren, die uns Freiheit der Meinung garantieren. Ich frage mich, wie es zu dieser Art von Berichterstattung kommen konnten, die alle diese Grundrechte vermissen läßt. Und wer es nicht glaubt, darf gerne in der Nationalbibliothek alle Zeitungen nachschlagen, um sich neuerlich zu vergewissern, es war so.

Wie kann es zu einer derart einseitigen, propagandistischen und zensierenden Berichterstattung kommen auf den Rechtsgrundlagen, die wir haben? Das ist nicht nur für Intellektuelle, sondern das ist für die gesamte Öffentlichkeit von eminenter Bedeutung, weil es, wenn es nicht geklärt werden kann und nicht bekämpft werden kann, auf Dauer hieße, daß kritische Öffentlichkeit auszuschließen ist. Die Folgen, und das auch nur ganz kurz, die Folgen, die ich sehe, ist, die ersten kritischen Zwischentöne sind nach Beendigung der Bombardements aufgetaucht in österreichischen Medien, da wurde plötzlich eine Schuld geteilt, es war nicht mehr die einseitige Schuld der serbischen Bevölkerung oder Serbiens, sondern plötzlich auch eine beiderseitige Schuld, in manchen Medien, vor allem in den “Salzburger Nachrichten” festzustellen, aber niemals eine Schuld der NATO. Das heißt, diese Frage hat sich in unseren Medien nie gestellt und es ist für mich nur ein Indiz mehr, wie hier operiert worden ist. Und ich denke, wenn diese Frage hier nicht geklärt werden kann, wobei ich der Meinung bin, daß diese Haltung eindeutig zu verurteilen ist, aber ich habe das ja nur zu bezeugen, dann werden wir uns daran gewöhnen müssen, daß wir mit dieser abgesenkten Schwelle von Kriegsführungen, von militärischen Überfällen nicht nur in der Vergangenheitsform leben müssen, sondern daß sich das wahrscheinlich jederzeit wiederholen läßt. Das heißt, wir waren noch nie so nahe dem Krieg hier in Österreich und wir kommen ihm immer näher, ob wir das nun wollen oder nicht, es sei denn wir finden ganz klare und nachhaltig wirksame Worte.

Das war, was ich sagen wollte, danke.

 

Verweise