Antisemitismus – wer will ihn wirklich?

27.07.2014
Von A.F.Reiterer
Wer sich heute nicht gegen Israel und seine Politik stellt, hat jedes Recht verloren, in Hinkunft das Wort "Menschenrechte" auch nur in den Mund zu nehmen.

Gibt es Antisemitismus in Österreich, Deutschland, .... ? Wahrscheinlich schon. Ich sage wahrscheinlich. Denn jene, die darüber Untersuchungen anstellen, wollen ihn finden. Sie liefern daher keine zuverlässigen Belege. Seriöse Leute wie etwa Wolfgang Benz aus Berlin gibt es in Österreich leider nicht. Trotzdem: Aus der langen Erfahrung meiner Kontakte mit katholisch-ländlichem Milieu würde es mich höchst verwundern, wenn der alte, teils christliche, teils rassistische Antisemitismus verschwunden wäre.

Und heute?

Die Unterstützer Israels, die Israelitische Kultusgemeinde, ein erheblicher Teil der liberalen Intellektuellen und die politische Klasse reden und wünschen sich einen Antisemitismus herbei. Damit können sie mit gutem Gewissen verteidigen, was sie unterstützen möchten: die völkermörderische Politik der israelischen Regierung und ihren Raubzug gegen die Nachbarn und die Palästinenser. Er wird von einem Großteil der jüdischen Bevölkerung Israels vorbehaltslos unterstützt.

In Europa ist die Berufung auf ethnische Grundlagen für Staat und Politik mittlerweile völlig verpönt. Und das trifft erst recht auf die liberalen Intellektuellen zu. Inhaltlich haben sie m. E. weitgehend recht. Im Grund war dies die rassistische Ideen-Basis, die aus dem Nationalismus ein Stichwort für Unterdrückung werden ließ. Anfang des 19. Jahrhunderts war die nationale Bewegung eine demokratische, eine Befreiungs-Bewegung gewesen. Mit der Fichte'schen Mystik und dem Gobineau'schen Rassen-Diskurs wurde daraus eine schmutzige Mittelklas­sen-Ideologie. Die Oberschicht war schon damals "globalisiert"; die Arbeiter und Bauern, die Unterschichten, wurden erst durch ihre intellektuellen Führer aus den Mittelklassen in diese Richtung gezerrt und waren selbst nie so richtig überzeugt davon. Den fatalen Höhepunkt dieser Entwicklung bildete das Nazi-Regime.

Israel definiert sich als Staat der Juden. Schon die Grundlagen-Ideologie, Theodor Herzls berühmtes Buch, heißt "Der Judenstaat". Der sollte nach seinem Plan übrigens keineswegs demokratisch, sondern strikt oligarchisch regiert werden. Und die Unabhängigkeitserklärung – Israel hat keine geschriebene Verfassung – bezieht sich stets auf die "jüdische Gemein­schaft", das "jüdische Volk" (das z. B. ein Recht auf Einwanderung habe), usw., nie auf eine nicht ethnisch definierte israelische Nation.

Jedes Rühren an dieser Basis wird als Angriff auf die Existenz Israels, als tödliche Bedrohung gewertet. Es war diese Grund-Ideologie des "Judenstaats", die seinerzeit auch von der UNO als Rassismus gewertet wurde. Nicht, dass dieser Beschluss viel bedeutet: Politische Körper­schaften sind grundsätzlich nicht geeignet, analytische Aussagen zu treffen. Aber falsch war sie diesmal ausnahmsweise nicht. Doch was für Serbien gelten soll, gegen das Deutschland unter rot-grüner Führung sogar den ersten deutschen Angriffskrieg seit dem Zweiten Weltkrieg geführt hat, angeblich wegen seiner ethnischen Politik, darf für Israel nicht gelten.

Der "Staat der Juden" ist also eine Eigendefinition, wohlgemerkt. Und dieser Staat raubt Land und betreibt Völkermord. Wenn diplomatisch schon das Geschehen in Srebrenica von 1995 als Völkermord eingestuft wird, dann sind es die vielen Zehntausende von Palästinenser, die inzwischen getötet wurden, teils weil sie sich gegen den Raubzug wehrten, meist aber ohne einen direkten Anlass, erst recht. Damit wird der bescheidene Widerstand außerhalb Israels gegen die Politik dieses Staats zum Widerstand gegen die Politik der Juden in Israel.

Und hier setzen die Propagandisten Israels in Österreich und Europa an. Zur Zeit des Paul Grosz hielt sich die Wiener Kultusgemeinde mit ihrer Unterstützung Israels zurück. Mit Ariel Muzicant (Präsident 1998 – 2012) kam eine radikale Kehrtwende, und sein Nachfolger seit zwei Jahren, Oskar Deutsch, setzt dessen Politik fort: Die IKG versteht sich nun offenbar als Außenstelle und PR-Agentur von Israel in Österreich. In Deutschland handelt der Zentralrat der Juden nicht anders. In gewisser Weise ist es dort noch übler. Denn die Herren Henryk Broder, Michel Friedmann und wie sie alle heißen, positionieren sich allgemein-politisch in der Nähe der alten konservativen und auch der neuen Rechten (wie sie sich etwa in Frankreich prominent konstituiert). Beide sind keineswegs mehr antisemitisch. Es hat keinen treueren Verbündeten für Israel und auch die deutschen Juden gegeben als Axel Springer.

Die Unterstützer Israels wollen Antisemitismus. Sie wollen zumindest so etwas, was dem gleicht. Denn mit der Geschichte der deutschen Judenvernichtung im Rücken haben sie es leicht, eine Legitimität für ihre Anliegen aufzubauen. Nur nebenbei bemerkt: Das Vokabular ist kennzeichnend. Immer wird vom "Holocaust" gesprochen. "Holocaust" war ein US-Kitsch­film. Der seinerzeitige hebräische Ausdruck hingegen war "Schoah". Und "Schoah" war auch der Titel eines eindrücklichen Dokumentarfilms über die NS-Juden-Vernichtung. Aber dieser Film zeigt keine schmalzigen Liebesszenen. Er ist eine lange Auseinandersetzung, Gespräche mit Überlebenden dieser Vernichtung. Das ist den Propagandisten Israels nicht dramatisch und nicht amerikanisch genug – der Regisseur ist ja auch ein Franzose. Tatsächlich muss man sagen: Der "Holocaust" ist heute eine US-amerikanische Ideologie.

Kurzum: Sie wollen Antisemitismus und wenn er nicht von sich aus auftritt, versuchen sie ihn zu provozieren. Wir kennen das: Schon Norman Finkelstein und Shlomo Sand haben es feststgeellt: Israel und seine Unterstützer wollen die Judenvernichtung instrumentalisieren. Denn sie erwarten so einen Freibrief für ihr Vorgehen. Die US-Politik unterstützt dies nahezu bedingungslos. Wie auch nicht? Israel kann in vieler Hinsicht als US-Bundesstaat betrachtet werden. Europäische Politiker haben mehr Probleme. Sie unterstützen zwar diese zynische Strategie, weil sie selbst eine Mischung aus neuem Rassismus gegen die Dritte Welt, europäischen Suprematismus und Klassismus vertreten. Andererseits merken sie mit Unbehagen: Die Bevölkerungen geht nicht mehr mit. Die Menschen sehen in Israel und den USA mit Recht Hauptbedrohungen für den Weltfrieden. Zwischen diesen entgegen gesetzten Impulsen wollen sie sich durch winden.

Wer sich heute nicht gegen Israel und seine Politik stellt, hat jedes Recht verloren, in Hinkunft das Wort "Menschenrechte" auch nur in den Mund zu nehmen.

26. Juli 2014