Neutralität Jetzt!

09.09.2014
Von Stefan Hirsch
Für das Selbstbestimmungsrecht des Donbass
Bild

1. Niederlage der ukrainischen Armee: Wir sind keine Nachrichtendienst und haben über die Ereignisse der letzten Wochen in der Ostukraine ein etwas verschwommenes Bild. Fakt ist, dass die ukrainische Armee ein Desaster erlitten hat. Der militärische Sieg der Truppen der Volksrepubliken hängt dabei nicht nur an russischer Unterstützung, sondern wohl ebenso an der Unterstützung der lokalen Bevölkerung (die durch Übergriffe und den Beschuss von Städten durch Artillerie und Raketen sicherlich noch zugenommen hat), sowie der schlechten Motivation und miserablen Führung der ukrainischen Verbände.
Die Krokodilstränen des Westens sind dabei wenig glaubwürdig. Während die USA einst „Menschenrecht vor Völkerrecht“ proklamierten, beklagt man heute eine russische Verletzung des Völkerrechts und schweigt zur barbarischen Kriegsführung der ukrainischen Armee gegen Zivilisten (eine Million Flüchtlinge), der Aussetzung der Demokratie (Verbot der Kommunistischen Partei), sowie dem Terror rechtsextremer Verbände in der gesamten Ukraine.

2. Kompromiss nur durch Stärke möglich: Nur der militärische Sieg der Volksrepubliken hat die Tür zu Frieden und Verhandlungen aufgestoßen – Frieden und Verhandlungen gegen die Teile der ukrainischen Regierung und ihrer westlichen Verbündeten immer noch mobil machen.
In der US-amerikanischen Führung sowie in der Führung der NATO gibt es offensichtlich Interesse daran den Konflikt mit Russland zu verewigen, einen neuen kalten Krieg auszulösen. Gerade in der EU gibt es auch besonnene Kräfte, die von einer weiteren Eskalation wenig halten: Deutsche Wirtschaftsverbände etwa, österreichische und italienische Banken, oder die Regierungen Österreichs, der Slowakei und Ungarns. Hier stehen wirtschaftliche Interessen und eine nüchterne Realpolitik im Zentrum. Während die Hardliner von antirussischen Ressentiments, der Eigendynamik militärischer Apparate, sowie dem Willen der USA ihre Hegemonialstellung zu beweisen, getrieben werden.

Die ukrainische Führung scheint ebenso gespalten. Präsident Poroschenko hat sich ein wenig Pragmatismus bewahrt, Teile der Regierung und die Milizen der Neonazis wollen Krieg um jeden Preis. Wir würden vermuten, dass beide Positionen auch in der (west) ukrainischen Bevölkerung über Rückhalt verfügen.

Im Gegensatz zur Hetze der westlichen Medienlandschaft wünscht sich auch die russische Führung nichts sehentlicher als einen Kompromiss: Eine föderalisierte und neutralisierte Ukraine, die es erlaubt in der Ostukraine wirtschaftlichen Einfluss aufrecht zu erhalten. Den Zug Kiews nach Westen sieht man einstweilen wohl als abgefahren an und die Wirtschaftssanktionen des Westens würde man wohl gerne wieder los werden.

Angesichts der militärischen Kräfteverhältnisse würden wir vermuten dass sich der Kompromiss durchsetzen letzten Endes wird. Die Rhetorik vom Krieg ohne Gnade verfängt dauerhaft nur, wenn ein Sieg möglich ist.
Gesichert ist aber nichts: Potentiell haben rabiate ukrainische Nationalisten, sowie die militaristischen Falken in der US-Regierung und dem NATO Hauptquartier immer noch das Zeug eine allgemeine Katastrophe auszulösen. Der idiotische Beschluss neuer Wirtschaftssanktionen durch die EU am 8. September zeigt das Beharrungsvermögen dieser Kräfte.

3. Geopolitik, Nationalismus und Demokratie: In dem militärischen Konflikt gehören unsere Sympathien den Volksrepubliken. Sie haben ein demokratisches Recht auf Selbstbestimmung, welche offensichtlich von der Mehrheit der Bevölkerung gewünscht wird. Sie sind die einzigen Orte in der Ukraine in denen sich Linke noch bewegen können.
Der ukrainische Nationalismus hat Dabei in den russisch besiedelten Gebieten der Ukraine eine Gegenreaktion ausgelöst, und mit dem kompromisslosen Westkurs der Regierung hat dem Donbass der Verlust seiner wirtschaftlichen Beziehungen nach Russland gedroht. Peripherisierung und Verarmung sogar unter das Niveau der völlig desolaten westlichen Landesteile der Ukraine wären die logische Folge. Damit ist der Aufstand der Volksrepubliken eine legitime Reaktion auf diese Bedrohungen – und angesichts der Kräfteverhältnisse würde nur ein Narr russische Hilfe zurückweisen.

Dennoch sei festgehalten: Die Krise in der Ukraine wurde durch geopolitische Überlegungen sowohl des Westens, als auch der russischen Seite ausgelöst. Auch die russische Annexion der Krim hat den rechtsextremen ukrainischen Nationalismus gestärkt, auch die russische Unterstützung für Janukowitsch, die Parteinahme für die Oligarchen mit goldener Klobrille hat die Bevölkerung in die Arme der EU und NATO getrieben – auch wenn die neue Regierung um nichts weniger oligarchisch ist.

Und auch im Donbass erfolgt die russische Hilfe um den Preis einer Oligarchisierung der Volksrepubliken. Was als demokratischer Volksaufstand begonnen hat, droht ein Klon des russischen Systems zu werden.

Die Volksrepubliken verdienen Unterstützung gegen die ukrainische Armee, ebenso wie die russische Regierung in ihren augenblicklichen Bemühungen um Frieden gegen die Kriegstreiber der NATO. Aber das Ziel muss ein Kampf um Demokratie sein, die Geopolitik und die Konfrontation der Nationalismen führen in die Sackgasse.

4. Neutralität jetzt: Für jedes einzelne europäische Land gilt: Neutralität jetzt. Heraus aus der Logik der Blockkonfrontation. Keine Beteiligung an den NATO-Osterweiterungsstrategien, keine Schützenhilfe für die Cowboys im Pentagon.