Zum EZB-Qantitative Easing

23.01.2015
Von A.F.Reiterer
Kommentar

Für die Banken der schlecht dastehenden Länder sind diese Ankäufe Subventionen und Entlastung von Risiken. Nach der Übernahme von faulen Krediten im Laufe des "€-Hilfs­pakets" ist dies somit der nächste Schritt zur Belastung der Bevölkerung durch Subventionen an Banken, die sich im Süden verspekuliert haben. Das geschieht im Zusammenspiel mit der Kommission. "Um die Banker mit dem vielen Geld zu überzeugen, in krisengeschüttelten Regionen zu investieren, was sie bisher gescheut haben, bietet Junckers Investmentfonds an das unternehmerische Risiko spürbar zu verkleinern. Statt des privaten Geldgebers geht der Investmentfonds, hinter dem die Hausbank der Europäischen Union (die Europäische Investitionsbank) und der Haushalt der EU stehen, selbst ins Risiko... Wie es die Regeln vorschreiben, haben die Chefs der mächtigsten europäischen Institutionen [also Draghi und Juncker] ihre Pläne separat bekannt gegeben, sogar zeitversetzt um einige Wochen. Dennoch besteht kein Zweifel: Beide Pläne greifen ineinander" (Süddeutsche Zeitung, 23. Jänner 2015). Also, es ist zwar kaum überraschend und auch im Grunde wurscht: Aber wieder einmal handeln die Herrschaften so ganz anders, als es in ihrem offiziellen Skript steht, in den Traumbüchern der ökonomischen Orthodoxie und den Verträgen ihres eigenen Vereins.

Den extrem Konservativen ist dies aber aus ganz anderen Gründen ein Dorn im Auge: "Schließlich macht sich die Zentralbank von der Politik abhängig, wenn sie mit dem Zins auch den Druck für Reformen wegnimmt. ... In Südeuropa werden die übertriebenen Lohn- und Preissteigerungen der Vergangenheit korrigiert. Das ist sinnvoll, damit diese Länder wieder wettbewerbsfähig werden... Europas mächtigste Behörde beerdigt die Prinzipien der Währungsunion" (FAZ, 23. Januar 2015). Also deutlicher: Der Süden bekam nur das, was er wegen seiner dummen Wohlstandspolitik verdient. Und die anderen Länder, Frankreich z. B., sollen endlich innere Abwertung und Lohnsenkungen durchführen!

Ewald Novotny, "Gouverneur" der OeNB, meint in der ZiB2 vom 22. Jänner 2015: "Es könnte zu einer Abwertung des Euro kommen. Das ist für Österreich keine ungünstige Wirkung. Es bedeutet, dass die Exporte besser werden und damit auch die Arbeitsplätze besser werden..." Das ist in etwas holprigen Deutsch, der üblichen österreichischen Rhetorik, nicht nur die inzwischen offene Umkehrung jener Politik, der Hartwährungs-Politik, welche die österreichische Wirtschaft von den 1970er bis in die 1990er auf die Überholspur gegenüber anderen europäischen Ländern gebracht hat, auch gegenüber der BRD. Das ist genau jene Politik, welche die EU ansonsten für den Olivengürtel strikt ablehnt: Abwertung. Der Präsident der Deutschen Bundesbank war klüger ˗ er hat das Interview an diesem Abend verweigert...

Und die angeblichen Sorgen um die Renten und Pensionen? Wenn die Zinsen sinken, sinken dann nicht auch die Pensionen? Es ist die reine Perversion und ein Zynismus der Sonderklasse. Jede Altersversorgung ist realwirtschaftlich ein Umlagensystem. Immer muss das, was die Alten - oder allgemein: die Nicht-Erwerbstätigen - konsumieren, von den gleichzeitig Erwerbstätigen produziert werden. Ich habe mir schließlich für mein Alter nicht 900 Packerl Frischmilch angespart, sondern (eventuell) den Anspruch darauf.

Diese triviale und doch so grundlegende Tatsache haben die "Pensions-Reformer" mit dem "Kapitaldeckungs-Modell" versucht zu unterschlagen. Denn sie wollten mit diesem Kapital­deckungs-Verfahren gleich zwei oder drei Fliegen auf einem Schlag treffen: Zum einen wollten sie eine noch so bescheidene Wohlfahrtspolitik im Alter grundsätzlich verhindern, die mit dem Umlagesystem leichter durchzuführen ist. Weiters sollen die Menschen aus den ohnehin schon bescheidenen Einkommen auch noch fürs Alter sparen und damit selbst die verfügbaren Reallöhne senken. Und ganz nebenbei sollten auch noch die Banken und Versicherungen ein Körberlgeld erhalten. Jetzt jeiern sie, dass die niedrigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt die Pensionen senken!

Und noch einmal, man kann es gar nicht oft genug sagen: Nicht die niedrigen Preise als solche sind das Problem. Jeder Mensch freut sich, wenn die Preise einmal nicht steigen, und wenn der Teuro plötzlich im nächsten Monat doch gleich viel kaufen kann wie diesen Monat. Aber die rückläufige Inflation ist der Indikator der Krise, kurzfristig wie strukturell: Kurzfristig, weil er die die sinkende Nachfrage anzeigt ˗ wenn die Einkommen sinken, woher soll die Nachfrage wohl kommen? Sollen die Menschen mit Vertrauen auf das bessere Leben in der EU ihre bescheidenen Sparbücher mit ein paar Tausend Euro drauf auflösen? Und strukturell: weil die Baumol'schen Tendenzen (geringeres Produktivitäts-Wachstum in den persönlichen Diensten mit ihren steigenden Anteilen am Gesamtprodukt) eine gewisse Preissteigerung erzwingen, wenn nicht die Löhne in den Diensten drastisch gesenkt werden ˗ was teilweise allerdings geschieht: Denn auch dies ist ein Ergebnis der gegenwärtigen Krise, und vermutlich ein von den Eliten durchaus erwünschtes. Die Manöver, mit denen man dies politisch zu verhindern sucht, sind kurzfristiger Natur und überdies besonders schmutzig: das Abladen z. B. der Pflegekosten auf Ausländerinnen, auf Ungarinnen und Slowakinnen, auf Südosteuropäerinnen, die noch aus der Differenz zwischen Wechselkurs und Kaufkraft zwischen ihrem Geld und dem Euro kurzfristig besonders schäbig bezahlt werden können.

Zusammengefasst: Die Deutschen haben furchtbare Ängste wegen des neuen Programms der EZB. Es wird die Bevölkerung schon was kosten. Aber es ist nur die Fortsetzung der bisheri­gen Politik einer Sozialisierung der Verluste des Euro-Systems. Insofern sind die deutschen Erwartungen und Befürchtungen, die sich gerade an dieses Programm anknüpfen, real wenig von wenig Belang. Sie sind allerdings das Zeichen, dass auch unsere Nachbarn an einem Detail plötzlich erfahren, dass selbst für sie der Euro ein sehr zweifelhafter Segen ist.

 

23.1.2015