Die politische Gefangenen in der Ukraine

24.04.2016
Von Andrej Mantschuk
Wenn Juristen "politische Verfahren" der letzten zwei Jahre in der Ukraine nach dem Maidan charakterisieren, unterstreichen sie eine Reihe von gemeinsamen Momenten In Medien finden sich ausführliche Berichte zu den Gerichtsverhandlungen in der Sache Nadeschda Sawtschenko. Man findet hier aber kaum Informationen zu den Gerichtssachen, die gegen ebenfalls ukrainische Staatsbürger, aber in der Ukraine eröffnet wurden, und zwar auch nach sogenannten "politischen Artikeln". Und das ungeachtet der Tatsache, dass diese Situation eine ernste Kritik der namenhaften Bürgerrechtler und Juristen hervorruft.

"Durch das Gesetz "Über die Entkommunisierung" wurden in der Ukraine mehrere Rechte und Freiheiten gestrichen, die in der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten" verankert sind, einschließlich Meinungsfreiheit (Art. 10)" so der frühere sowjetische Dissident Wladimir Tschremis, ein Veteran der ukrainischen Bürgerrechtlerbewegung. Als Folge entstand in der Ukraine eine große Zahl von politischen Gefangenen. Dazu muss man insbesondere darauf hinweisen, dass unsere ukrainischen Medien oft Personen als "politische Gefangene" bezeichnen, die Vertreter von ultra-rechten Organisationen sind, die z. B. jemanden umgebracht oder eine Granate an der Werchowna Rada geworfen haben. Und diese werden auch ihrer schweren Straftaten beschuldigt. Echte politische Gefangene sind der Journalist Ruslan Kozaba, der seine Meinung einfach im Internet äußerte, und Alexandr Bondartschuk, der Kommunist ist. Man könnte hierzu auch viele andere Beispiele anführen.

"Politischer Gefangener Nummer eins"

2014 konnte der Journalist aus Iwano-Frankowsk Ruslan Kozaba weder von seine Freunden noch von seinen Feinden des Separatismus verdächtigt werden. Kozaba beteiligte sich an der "Revolution auf Granit", während der "orangenen Revolution" leitete er die Gebietsorganisation der Partei "Pora" (Es ist Zeit), war Komandant des Zeltlagers, unterstützte den "Euromaidan", reiste in die ATO-Zone (Antiterroroperation). Danach veröffentlichte er in seinem Blog Berichte über ukrainische Soldaten und Freiwillige. Bei seinem Besuch des Lagers von Bataillon "Aidar" interviewte er Nadeschda Sawtschenko, das Video mit diesem Interview kann man auch heute noch bei zentralen Sendern sehen.

Am 7. Februar 2015 wurde Kozaba jedoch verhaftet, weil er ein Video gedreht und auf seiner Seite im Facebook veröffentlicht hat, in dem er die Mobilisierung kritisiert. Der Journalist wird gemäß Teil 1 Art. 111 (Strafgesetzbuch der Ukraine) des Staatsverrats sowie Teil 1 Artikel 114-4 (Strafgesetzbuch der Ukraine) des Verhinderns der legitimen Tätigkeit der Streitkräfte der Ukraine und anderer Militäreinheiten beschuldigt. Ihm drohen 5 bis 15 Jahre Gefängnishaft. Der Blogger aus Iwano-Frankowsk ist nun über ein Jahr in der Haft, er ist inzwischen zu einem bekannten politischen Gefangenen im Land geworden, dessen Schicksal ein erhöhtes Aufsehen von Seiten der internationalen Bürgerrechtlerorganisationen erregt hat.

Die Gerichtsverhandlungen in der Sache Kozaba bekamen bereits eine große gesellschaftliche Resonanz. Das Gericht in Iwano-Frankowsk hat zeugen vom Militärkommando und von Streitkräften angehört, die, der Meinung der Verteidiger nach, keine Beispiele anführen konnten, die bewiesen hätten, dass seine Video-Ansprache zur Ursache für Mobilisierungsverweigerung oder Fahnenflucht geworden wäre. Die meisten Zeugen der Anklage kannten Kozaba gar nicht, dies rettete ihn aber von ihren Drohungen nicht, die unmittelbar im Gerichtssaal ertönten.

Der Journalist selber wies immer wieder auf den politischen Charakter seiner Gerichtssache und nannte sie "Gerichterei" aus Stalins Zeiten". Und seine Verteidigerin, die bekannte Kiewer Anwältin Tatjana Montjan, erklärte: Die Verteidigung hat vor, sich sofort nach der Verkündung des Urteils an das Europäische Gericht zu wenden, und sein Urteil zweifellos zugunsten von Kozaba fallen wird.

Am 9. Februar appelierte die internationale Bürgerrechtlerorganisation Amnesty International an die Machthaber in der Ukraine mit der Forderung, den Journalisten unverzüglich zu befreien, Ruslan Kozaba wurde als Bürgerrechtler anerkannt.

"Man kann verschiedene Stellungnahmen in Bezug auf die Position von Ruslan Kozaba haben. Aber die ukrainische Staatsmacht verletzt das grundliegende Recht des Menschen auf Meinungsfreiheit, indem sie den Journalisten verhaftet. Und dieses Recht verteidigten Ukrainer auf dem Maidan", so Tatjana Masur, Leiterin von Amnesty International in der Ukraine.

"Am 9. März haben wir angefangen, die Akten zu dieser Sache zu studieren, da sind übrigens sieben Bände "Altpapier". Die nächste Gerichtsverhandlung sollte am 17. März stattfinden. Wir schauen uns Videos an und hören uns Audioaufnahmen an. Die Staatsanwaltschaft zieht offen die Sache absichtlich in die Länge: die Papiere werden langsam und fade vorgelesen. Darum prognostiziere ich noch drei bis fünf Verhandlungen zum "Kennenlernen der Akten zur Sache", danach Diskussionen und letztes Wort. Wie lange dann die Richter das Urteil schreiben, weiß ich auch nicht. Aber sie haben offensichtlich nicht vor, Kozaba vor der Verkündung des Urteils zu entlassen. Es ist auch nicht bekannt, welche Anweisungen das Gericht in Bezug auf das Urteil von der Administration des Präsidenten bekommt, ist nicht bekannt", erzählte Tatjana Montjan der Zeitung "Strana".

Vor kurzem trat sie vor dem Europarlament auf und informierte dabei europäische Politiker über die Einzelheiten dieser skandalösen Sache, die die ukrainische Macht heute auf der internationalen Ebene diskreditiert.

"Standard-Set eines Separatisten"

Sergej Tkatschenko und Denis Timofeew, Kommunisten aus Dneprodserschinsk, sind seit dem 1. September 2014 im Gefängnis. Ihre Festnahme war für ihre Parteigenossen eine Überraschung.

Sie erzählen, dass Sergej und Denis sich an den Aktionen der Anhänger der "russischen Welt" nie beteiligten, sich aber sehr aktiv für die Rechte der Mitarbeiter des Dserschinskij-Eisenhüttenkombinats sowie anderer Unternehmen der Stadt einsetzten. Dadurch haben sie sich viele Feinde erworben. Die Festnahme dieser Kommunisten geschah unmittelbar zum Zeitpunkt der Hetzkampagne gegen die Kommunistische Partei der Ukraine, die man Beihilfe den Terroristen beschuldigte. Nach der Meinung der Kommunistischen Partei bestand der Zweck dieser Handlungen darin, die Partei von Simonenko an die Wahlen nicht zuzulassen und einen Grund zu finden, sie zu verbieten.

"2014 war die KPU die einzige Partei im Parlament, die offen gegen die Entflammung des Krieges im Donbass auftrat. Zuerst Turtschinow und danach Poroschenko befahlen, "Tatsachen zum Verbot der Partei zu sammeln", erzählte der Zeitung "Strana" Andrej Bondarenko, Sekretär des Gebietskomitees der KPU in Dnepropetrowsk.

"Als Ergebnis gerieten viele unsere Genossen unter Druck. Darunter auch Sergej Tkatschenko und Denis Timofeew. Während der Durchsuchung am 1. September 2014 wurde ihnen "der Standard-Set des Separatisten" zugeschoben: Dutzende Zeitungen "Noworossija", eine Granate und ein Trotyl-Sprengkörper. Sie werden des Aufrufs zur Verletzung der territorialen Unantastbarkeit des Landes und der Aufbewahrung von Sprengstoffen beschuldigt", so Bondarenko.

Die Kommunistische Partei weißt darauf hin, dass lokale Vertreter der ultra-rechten Organisationen bereits im Sommer 2014 ganz offen mit Waffen durch Dneprodserschinsk spazierten, durch die Stadt, die Heimat von Dmitrij Jarosch, dem früheren Anführer von "Prawyj Sektor" (Rechter Sektor) ist, und nun als seine politische Domäne gilt. Doch dabei entstanden keine Fragen an sie von Seiten der Ordnungskräfte. Mehr noch, die Genossen Tkatschenko und Timofeew verdächtigen den Richter der Voreingenommenheit und Befangenheit in dieser "politischen" Sache.

"Es genügt, wenigstens einmal bei einer Gerichtsverhandlung dabei gewesen zu sein, um zu begreifen, dass Tatjana Iwanowa, die Richterin des Bezirksgerichtes Sawodskoj der Stadt Dneprodserschinsk, auf der Seite der Anklage ist", berichtet der Sekretär des Gebietskomitees der KPU in Dnepropetrowsk.– "Alle "Zeugen von Seiten der Anklage" sind entweder Anhänger von Ultra-Rechten (der "Rechte Sektor", "Automaiden" u.ä.) oder zufällige Menschen, die darauf hoffen, dass sie auf diese Weise von Rechtsorganen von irgendwelchen anderen Anklagen befreit werden können. Es war damals ganz einfach zu prüfen, wo sie sich an den gefragten Tagen befanden, z.B. mithilfe von Billing ihrer Handys. Der Richter aber lehnt die Ersuche der Verteidigung mit einer beneidenswerten Beständigkeit ab. Es ist offensichtlich, dass, wenn diesen Ersuchen stattgegeben wird, dann könnte man herausfinden, dass diese Zeugen Strohmänner sind."

Den Anwälten der Kommunisten gelang es festzustellen, in welcher Militäreinheit die bei den Kommunisten entdeckten Granaten aufbewahrt wurden. Und siehe da: Keinerlei Diebstähle bei dieser Einheit! Weder an Granaten noch an Sprengstoffkörpern wurden Fingerabdrücke von Angeklagten bzw. ihren Verwandten entdeckt. Dann bleiben lediglich die Anklagen wegen der Aufbewahrung der Zeitungen "Noworossija", aber Tkatschenko und Timofeew erklären, dass diese ihnen unterschoben wurden und dass deren Inhalt ihren eigenen Überzeugungen und der Stellungnahme der KPU widersprechen.

Ein Gutachten hat keine illegalen Appelle in dieser Zeitungsausgabe entdeckt und Gutachter haben diese Ergebnisse vor Gericht bestätigt. Die Anklage hat jedoch eine wiederholte Expertise gefordert, das Gericht hat dem stattgegeben. Das heißt, dass die zwei Kommunisten, die nun eineinhalb Jahre in der Untersuchungshaft verbracht haben, auch weiterhin eingesperrt bleiben.

"Die Anklage besitzt keine realen Beweise und verzögert absichtlich die Gerichtsverhandlung, und das mit Beistand vom Richter. Die Jungs freizulassen würde bedeuten, dass die Anklage gegen Tkatschenko und Timofeew eine politische Auftragssache sei und sie befürchten, dass das für alle offensichtlich werden könnte", so Bondarenko.

Die Sache "einer Patriotin"

Odessa ist eine Stadt, die als Meister in der Anzahl der Gerichtssachen mit politischem Hintergrund gilt, angefangen mit tragischen Ereignissen im Gewerkschaftshaus am 2. Mai 2014. Und sogar auf diesem Hintergrund tut sich die Gerichtssache einer schwangeren Journalistin besonders hervor, die, trotz ihrem schweren Gesundheitszustand, auch weiterhin in der Untersuchungshaft gehalten wird.

Elena Glischtschinskaja, Direktorin der Odessaer Fernsehgesellschaft "Neue Welle", wurde am 29. April 2015 verhaftet. Sie wird des Separatismus und Staatsverrats beschuldigt. Sie ist an einem Verfahren gegen die Organisation "Volksrada von Bessarabien" beteiligt, die Mitglieder werden beschuldigt, Südteile des Gebietes Odessa von der Ukraine trennen zu wollen.

Laut Anklage, die in einer Gerichtsverhandlung des Gerichts Primorskij in Odessa angehört und später beim Internet-Portal "Timer" veröffentlicht wurde, verbreiteten die Veröffentlichungen der "Neuen Welle" Meinungen über "die nationale und kulturelle Eigenart dieser Region, sie berichteten über spontane Aktionen gegen die Mobilmachung, die die Einwohner von diesen Regionen durchführten, behandelten Probleme der Erhöhung der Rolle der örtlichen Selbstverwaltung."

Solche ziemlich verschwommenen Beschuldigungen waren Grund für die Verhaftung einer Frau, die Mutter von zwei minderjährigen Kindern ist. Nach ein paar Monaten wurde bei der Untersuchungsgefangene Journalistin eine Schwangerschaft festgestellt, die durch ernste Komplikationen begleitet wird. Am 21. Oktober, als Elena Glischtschinskaja Blutungen bekam, empfahlen Ärzte, sie dringend in ein Krankenhaus einzuliefern, um eine vorzeitige Schwangerschaftsunterbrechung zu verhindern. Man hat aber die Journalistin in der Untersuchungshaft gelassen. Nach einigen Wochen, nach einer erneuten Blutung, wurde "Plazentaablösung" diagnostiziert und Bettruhe angeordnet. Aber auch diese Tatsache hat die Stellungnahme der Anklage und des Richters nicht beeinflusst.

"Elena befindet sich in der Untersuchungshaft. Vor kurzem elitt sie wieder einen Anfall, wurde in die Frauenklinik eingeliefert, nach eineinhalb Tagen wieder in die Untersuchungshaft zurückgebracht. Was Perspektiven für ihre Freilassung betrifft, wann das passieren könnte, darüber weiß keiner. Theoretisch, laut StGB, muss sie als Mutter nach einem Jahr Untersuchungshaft freigelassen werden. Hoffentlich bekommt sie zu diesem Zeitpunkt ihr Baby. Darum sieht die Position des SBU (Sicherheitsdienst der Ukraine) besonders zynisch aus, weil er sie seit einem Jahr gefangen hält, um schuldanerkennende Aussagen zu erzwingen, die gegen einen fungierenden Abgeordneten, gerichtet wären", erzählte der Zeitung "Strana" Journalist Jurij Tkatschew.

Die Absurdität dieses brutalen Umgangs mit der schwangeren Journalistin betont insbesondere die Tatsache, dass politische Aktivisten von Odessa sich an ihre aktive Rolle bei den Aktionen Anfang der 90-er sehr gut erinnern, die für die Unabhängigkeit der Ukraine gerichtet waren. Das ist die Ironie des Schicksals, dass das Land, für dessen Unabhängigkeit Glischtschinskaja gekämpft hat, sich bei ihre mit einer Zelle in der Untersuchungshaft bedankte.

"Indirekte Aufrufe"

Alexandr Bondartschuk, Abgeordneter der 3. und 4. Einberufung des Parlaments von der KPdU, Chefredakteur der Zeitung "Arbeiterklasse", wurde am 18. März 2015 auf Entscheidung des Bezirksgerichtes Petscherskij festgenommen.

Der frühere leitende Entwicklungsingenieur des Antonow-Flugzeugbauunternehmens fiel durch seinen alten grünen "Moskwitsch" auf, der sich von anderen am Parlament geparkten Autos der Volksdeputierten unterscheidete. Im Laufe von vielen Jahren leitete Bondartschuk den Allukrainischen Arbeiterverband, beteiligte sich aktiv an der Organisation von Streiks und Bergarbeitermarschen.

Als Grund für die Eröffnung einer Strafsache und der nachfolgenden Verhaftung des Ex-Abgeordneten galt der Nachdruck von zwei auf der Internetseite "Noworossija" veröffentlichten Artikeln.

Bondartschuk wurde der antistaatlichen und separatistischen Tätigkeit beschuldigt. Gemäß Art. 110 p. 1 des Strafgesetzbuches der Ukraine drohen ihm 3 bis 5 Jahre Gefängnishaft. Dabei meinen seine Genossen, dass die gerichtliche Verfolgung des Journalisten und oppositionellen Politikers "auf Initiative von Andrej Pawlowskij, einem Abgeordneten der Partei "Block von Julia Timoschenko", eingeleitet wurde.

"Bei der Veröffentlichung wurde auf ihre Urquelle hingewiesen, d.h. der Redakteur der "Arbeiterklasse" trägt für sie keine Verantwortung (Art. 43 des Gesetzes der Ukraine "Über die Massenmedien"). Außerdem war die Internetseite "Noworossija" zum Zeitpunkt des Nachdrucks nicht verboten. Im Gutachten wird darauf hingewiesen, dass im Nachdruck "indirekte Aufrufe zur territorialen Änderung" stehen. Aber die Anklage gemäß Artikel 110 enthält keinen Begriff "indirekte Aufrufe", so wurde diese Situation von Vitalina Butkaljuk, stellvertretender Chefredakteurin der "Strana", kommentiert.

der Anwalt des Kommunisten bekam erst im August 2015 die Akten der Sache zur Einsicht, 5 Monate nach der Inkraftsetzung seiner Rechte als Verteidiger und nur, nachdem das Gericht die Anwaltschaft verpflichtete, ein Strafverfahren gegen den Sicherheitsdienst zu eröffnen, der das Recht von Alexandr Bondarenko auf Verteidigung verletzte.

Bondarenkos Verteidigung wies sofort auf Tatsachen auf, die, nach ihrer Meinung, von Verletzungen von Seiten der Anklage zeugten. Unter anderem wiesen die Juristen darauf hin, dass die in der Zeitung veröffentlichten Artikel von unabhängigen Experten begutachtet werden sollten. Die Begutachtung wurde aber durch das Ukrainische wissenschaftliche Forschungsinstitut für Spezialtechnik und Gerichtsgutachten durchgeführt, das unter Kontrolle von Seiten des Sicherheitsdienstes der Ukraine steht. Und das ist eine Verletzung der Bestimmungen des Strafgesetzbuches der Ukraine.

Dabei ist die Gutachterin, die man gebeten hat, den Begriff "indirekte Aufrufe" zu definieren, viermal in Gerichtsverhandlungen nicht erschienen ist. Zum Schluss stellte es sich heraus, dass Angaben zur Sache Bondartschuk ins Einheitliche Register vorgerichtlicher Ermittlungen nicht eingetragen sind. Das heißt, so die Verteidigung, diese Sache existiert vom Standpunkt der Gesetzgebung der Ukraine aus gar nicht und der Ex-Abgeordnete war fast 9 Monate lang unrechtmäßig in der Haft.

Die Sache Bondartschuk bekam eine skandalöse Resonanz. Am 28. Dezember 2015 war der Richter gezwungen, ihn freizulassen und eine erneute, unabhängige Begutachtung zu verordnen. Dabei sind die Verteidiger des Kommunisten der Meinung, dass die Beschuldigungen, die gegen ihn gerichtet sind, den Artikeln 5, 6 und 13 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, den Artikeln 15, 34 der Verfassung der Ukraine und dem Artikel 18 des Gesetzes der Ukraine "Über die Printmedien (Presse) in der Ukraine" widersprechen und das Verfahren gegen den Chefredakteur der Zeitung "Arbeiterklasse" ein Beispiel für die Meinungsfreiheitschmälerung und Verfolgung mit politischen Gründen ist.

Verurteilung kann das Europäische Gericht außer Kraft setzen

Wenn Juristen "politische Verfahren" der letzten zwei Jahre in der Ukraine nach dem Maidan charakterisieren, unterstreichen sie eine Reihe von für alle gemeinsamen Momente. Darunter eine offensichtlich schwache Beweisgrundlage, zahlreiche Verletzungen von Seiten der Anklage, die vom Gericht normalerweise ignoriert werden, sowie die Tendenz, gerichtliche Verhandlungen in diesen Sachen zu verschleppen, - wahrscheinlich in Erwartung von zweckgebundenen Direktiven von Machthabern.

Die Menschenrechtler weisen darauf hin, dass, diese Sachen im Falle der Verurteilung bei europäischen Gerichten höchst wahrscheinlich erfolgreich angefochten werden können. Das ruft ernstes Misstrauen nicht nur in das gerichtliche System der Ukraine sondern auch in das politische System des Landes, in dem solche Anschuldigungen und gerichtliche Verfahren möglich sind.

"Die Entscheidungen der europäischen Gerichte, die Verletzung von Menschenrechten durch den Staat konstatiert haben, sehen normalerweise eine finanzielle Entschädigung vor, die der Staat an den Betroffenen auszuzahlen hat. Solche Entscheidungen können außerdem Empfehlungen zu Änderungen an nationaler Gesetzgebung enthalten, falls Verletzungen der Menschenrechte auf Gesetzen des Staates basieren. Nach dem Erhalt der Gerichtsentscheidung, die die Verletzung von Menschenrechten festgestellt hat, kann man sich an das nationale Gericht wenden und auf Überprüfung der Verfahren bestehen, die einen verurteilt haben. Das sind juristische Folgen. Außerdem gibt es ethische: Mit diesen Entscheidungen als Grundlagen bekommen die Bürgerrechtler und Oppositionellen noch einen wichtigen Grund, eine Kampagne gegen die ungesetzmäßigen Handlungen der Staatsgewalt zu entfalten. Das ist jedoch nur dann möglich, wenn im Land Medien, Politiker und Bürgerrechtler existieren, die keine Angst davor haben, der Tätigkeit zugunsten des "Feindes", und das europäische Gericht selbst des Auftrаgs von Putin beschuldigt zu werden ", sagte Wladimir Tschemeris der "Strana".

Andrej Mantschuk
übersetzt von Ludmilla Goldberg