Philippinen mit Duterte

Ein Neustart von Reform und Entwicklung
10.01.2017
Robert Fitzthum
Am 30. Juni 2016 wurde Rodrigo Duterte als neuer Präsident der Philippinen ins Amt eingeführt. Da er aus seinem Herzen keine Mördergrube macht und sagt, was er denkt, war er auch gleich der neue „Gottseibeiuns“ der westlichen Presse, vor allem der amerikanischen.

Duterte verkündete in seiner ersten Rede zur Lage der Nation die Zerschlagung des illegalen Drogenhandels mit allen Mitteln: “We will not stop until the last drug lord … and the last pusher have surrendered or are put either behind bars or below the ground, if they so wish”.1 Er nannte Obama einen „son of a whore“, sagte ihm, er könne ‚go to hell‘. Er richtete der EU aufgrund der unmenschlichen Schließung der Grenzen gegenüber den Flüchtlingen aus dem Mittleren Osten aus, sie soll „better choose purgatory, hell is filled up“ und betreffend der Flüchtlinge „Send them to us, we will accept them.“2 Für den ersten Auslandsbesuch als Präsident wählte Duterte als Destination China, was die USA, die den Philippinen einen besonders exponierten Platz in der Eindämmungspolitik gegen China zugedacht haben, besonders wurmte. Und er äußerte sich auch positiv über den russischen Präsident Putin und eine Zusammenarbeit mit Russland, was den Gralshütern der politischen Menschenrechte in Summe dann doch zu viel war.

Duterte wird nun von der internationalen Presse geprügelt. Er wird des ‚rabiaten Vorgehens bei seinem Drogenkrieg‘ bezichtigt und dass er ‚kuschelt mit Chinas Kadern‘,3 Philippinen als ‚Ein Land auf Menschenjagd‘4 diskreditiert.

Es wurde aber nicht versucht zu verstehen, wie die wirtschaftliche und soziale Situation auf den Philippinen ist, welche Reformen und Pläne die Duterte-Regierung hat, wie die Sicherheitssituation ist angesichts bewaffneter Aufstände der kommunistischen Guerilla und diverser islamischer bis islamistischer Kämpfer, welchen Stellenwert in diesem gesamten Szenario das Drogenproblem einnimmt.

Duterte hat viel vor: Friedenspolitik als Voraussetzung und Ansatzpunkt für Entwicklung und sozioökonomische Umwälzungen

Duterte, ein bekennender Sozialist, initiierte sofort nach Amtsübernahme einen jeweils einseitig ausgerufenen Waffenstillstand und Start von Friedensverhandlungen mit der Communist Party of the Philippines (CPP), deren bewaffneten Arm New Peoples Army (NPA) und deren demokratischer Vorfeldorganisation National Democratic Front (NDF).5 Die in mehreren Provinzen in einem Guerillakrieg tätige NPA wird vom philippinischen Militär als die Top-Sicherheitsbedrohung eingeschätzt. Es wird geschätzt, dass die NPA dzt. ca. 4.000 KämpferInnen unter Waffen hat, reduziert von einem Höchststand von ca. 26.000 zur Zeit des Diktators Marcos.

Als Vorleistung für die 2. Runde der Friedensverhandlungen in Norwegen ließ Duterte 18 der Top-Leader der CPP/NPA/NDF aus dem Gefängnis frei, damit diese an den Verhandlungen teilnehmen können.

Die Verhandlungsdelegation der Regierung tat in einem Statement kund, dass sie einen Vorschlag an Duterte übersendet hat, weitere 434 politische Gefangene freizusetzen,6 davon mehr als Hundert, die schon bis zu fast 30 (!) Jahren gefangen gehalten werden. Die Freilassung wird derzeit juristisch vorbereitet, muss von Duterte (der anscheinend etwas zögert) abgesegnet und dem Kongress zur Zustimmung vorgelegt werden. Duterte, der selbst viele Jahre als Ankläger im Justizministerium tätig war, sagte zu diesen Personen “I know, most if not all of them (political prisoners), are being held on trumpedup charges” .

Von strategischer Bedeutung für die weitere Entwicklung auf den Philippinen ist, dass zwischen den beiden Verhandlungsteams vor allem politische, soziale und wirtschaftliche Reformvorschläge diskutiert werden, die bei Realisierung eine Umwälzung der derzeitigen gesellschaftlichen Machtverhältnisse bewirken würden. Die Schwerpunkte des Frameworks7 der geplanten sozioökonomischen Reformen sind das Brechen der Macht der Oligarchen, eine Landreform mit dem Ziel einer neuen Landverteilung, Aufbau einer unabhängigen, nachhaltigen, nationalen Industrie, Stärkung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte der arbeitenden Bevölkerung, Schutz der Umwelt, Nationale

Unabhängigkeit

Die Herausforderung für die zwei Verhandlungsteams bis zur nächsten Runde vom 18. bis 25. Jänner 2017 in Rom ist es, die von beiden Teams vorbereiteten Entwürfe zu einem vernünftigen Kompromiss zu verarbeiten.

Duterte hat aber bereits einige Mitglieder der NDF in sein Regierungsteam und das organisatorische Umfeld aufgenommen, vor allem im Sozial- sowie Landreformbereich, eine Art ‚stille Koalition‘.

Als Voraussetzung für einen Friedensschluss gibt es natürlich auch andere wichtige Themen: was geschieht mit den SoldatInnen der NPA, Thema einer Amnestie, Eingliederung der NDF in die politische Landschaft, u.a. Die CPP/NPA/NDF wird aufgrund der problematischen Erfahrungen aus Kolumbien, der gegenüber der revolutionären Bewegung angewendeten Salamitaktik, sicher sehr vorsichtig vorgehen. Für Duterte beginnt eine schwierige Gratwanderung zwischen CPP, Kongress und Militär. Der Ausgang des Prozesses ist unsicher, da es große Widerstände gegen eine Vereinbarung geben wird, er beginnt sich bereits zu regen, so warnt The Philippine Star : „Duterte leads shift to Socialism“8 (in den westlichen Medien wurde das Thema noch nicht entdeckt, das wird der nächste ‚Duterte-Schock‘).

Die Widerstände werden vor allem vom Big Business, Großgrundbesitzern, Teilen des Militärs,9 den großen herrschenden Familien, kriminellen Syndikaten, harten Antikommunisten und den USA kommen.

Im Kongress gibt es derzeit keine deklarierte politische Opposition, viele Abgeordnete verhalten sich dzt. ‚ruhig‘ um zu sehen, woher in Zukunft der Wind (und das Geld) wehen wird.

Duterte nutzt das Vakuum auf der parteipolitischen Ebene für die Gründung einer Partei als breite Massenbewegung. Der Aufbau der Movement for Change (Kilusan sa Pagbabago)10 wird vom Sekretär des Dutertes Kabinetts, Leoncio Evasco, Jr.,11 politisch und organisatorisch (bis auf die Ebene von Dörfern und Bezirken hinab) betrieben. Dabei wird eine Kooperation mit den traditionellen Massenbewegungen der patriotischen und fortschrittlichen Kräfte angestrebt. Durch den Aufbau dieser Partei versucht sich Duterte für zukünftige Wahlen eine reformorientierte, progressive Mehrheit in den Regionen und im Kongress zu sichern.

Duterte ist ein Linker!

Ja, Duterte ist kein Trump, kein Orban, kein Le Pen, kein Strache und auch kein Putin, auch wenn es in der westlichen Presse so dargestellt wird.

Duterte hat in Manila Politikwissenschaft studiert unter Jose Maria Sison, der später die Communist Party of the Philippines (CPP) gegründet hat und 1969 den bewaffneten Kampf gegen Regierung und Oligarchien gestartet hat. Dazu das Wall Street Journal in einem interessanten Artikel: „Mr. Sison, now in exile in the Netherlands, says he schooled Mr. Duterte in what he viewed as the evils of American imperialism and the corrupt nexus of business and political families who have ruled the Philippines at the expense of ordinary Filipinos—a system Mr. Duterte has pledged to upend.“12

Duterte hatte immer schon mit der National Democratic Front of the Philippines (NDF), einem Zusammenschluss von Gewerkschaften, progressiven Bauernverbänden, der CPP und der New People’s Army (NPA) stark sympathisiert und mit vielen Aktivisten gute Beziehungen gehabt.

Das Arbeitsprogramm Dutertes für seine 6 Jahre der Präsidentschaft hat für die Masse der Bevölkerung eine positive Stoßrichtung, nämlich vordringlich friedliche Beendigung der bewaffneten Auseinandersetzungen im Land (NPA , Moro National Liberation Front) und vor allem wirtschaftliche und soziale Entwicklung - Infrastrukturinvestitionen, Landreform, Arbeitsgesetzgebung, Steuerreform, sowie Reduzierung des Drogenproblems.

Wirtschaftliche und soziale Lage für die kleinen Leute katastrophal

Nach den Zahlen der GDP - Entwicklung hätten die Philippinen eine ausgezeichnete Wirtschaftsentwicklung. Das GDP Wachstum im 3. Quartal 2016 war 7.1% nach 5.8% im Gesamtjahr 2015, eine der höchsten Wachstumsraten in Asien.

Aber die Wirtschaftsentwicklung bleibt auf eine kleine profitierende Klasse begrenzt, das Geld kommt unten nicht an.

Nach einer Statistik der Asian Development Bank sind nur 60% der über 15-Jährigen in einer Beschäftigung, davon 70% in kurzfristigen (immer wieder verlängerten) Vertragsverhältnissen bis 5 Monate, die es den Arbeitgebern erlaubt, unter dem Mindestlohn zu bezahlen und keine Krankenversicherung und sonstige Extras wie einen 13. Monatslohn p.a. zu gewähren.

2015 lebten 21.3 % der Bevölkerung unter der national definierten Armutsgrenze von US$ 1.25 pro Tag!13

“Build, Build, Build!”

Entlang einer von Duterte beschlossenen Executive Order, die eine 25-jährige Langzeitvision - ‚Our Ambition 2040‘ - enthält, soll die soziale und wirtschaftliche Entwicklung vollzogen werden. Beseitigung von Armut und Hunger und Schaffung adäquater Jobs für Alle ist das große Ziel.

Derzeit werden konkrete soziale und wirtschaftliche Zielsetzungen und Projekte für die Jahre 2017 bis 2022 ausgearbeitet.

Schwerpunkt für die nächsten 5 Jahre ist ein großes Programm für arbeitsintensive Investitionen in der Höhe von umgerechnet rund € 150 Mrd.14 zur Verbesserung der katastrophalen Infrastruktur und Verkehrslage für neue Eisenbahnlinien, Straßen, Inseln verbindende Brücken, und die Verbesserung von Flughäfen.15 Dieses Investitionsprogramm wird auch dringend benötigte neue Arbeitsplätze bringen. In Dutertes ‚10-Point Socioeconomic Agenda’ wird als Ziel ein ‚annual infrastructure spending to account for 5% of GDP, with Public-Private Partnerships playing a key role.‘ festgelegt.16

Für einige dieser Projekte und andere Investitionen (Economic and Trade Cooperation Zone) erwartet sich Duterte die Unterstützung Chinas,17 das große Erfahrung in der Infrastrukturentwicklung sowie Softloans für die Finanzierung zur Verfügung hat.

Reform der Landreform und Unterstützung für Kleinbauern

Das wichtigste Ziel Dutertes ist die Schaffung von full-time Arbeitsplätzen und die Reduzierung der Armut. Die Regierung plant die Reduzierung der Armut um 1.5 Prozentpunkte p.a., mit dem Ziel einer Armutsrate von 13% im Jahr 2022, dem Ende der Duterte Präsidentschaft.

Die Situation am Land stellt einen Schwerpunkt der Bemühungen dar. Die diversen Agrarreformen haben durch Blockade der reichen Landlords und mangelnder Unterstützung der kleinen Bauern durch die Regierung keine Verbesserung der Situation der Landlosen und Kleinbauern gebracht.

Duterte wählte auf Vorschlag der NDFP Rafael „Ka Paeng" Mariano zum Secretary for Agrarian Reform. Mariano stammt aus einer armen Bauernfamilie und war Generalsekretär der radikalen Farmers' Movement of the Philippines. „The Chief of the Department of Agrarian Reform (DAR) blamed “landowner-oligarchs” for the continued poverty of farmers in the country“18 und plant eine Neuverteilung der landwirtschaftlichen Gebiete. Ca. 60 Familienclans19 kontrollieren die ländlichen Gebiete und dominieren die nationale Politik. Sie besitzen oft private Armeen und Big Business Unternehmen. Der Kongress ist dominiert von Mitgliedern der mächtigen politischen Clans und hat wenig Interesse den gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Status quo zu reformieren. Auch die meisten großen Medien sind von Oligarchen betrieben.

Duterte kritisiert, dass zwar in einem gewissen Ausmaß Land verteilt wurde, aber die Bauern keine Unterstützung für die laufende Produktion erhalten haben (Irrigation teuer, Setzlinge, billige Finanzierung, usw.) sodass viele ihr Land wieder an die früheren Grundherren verkaufen oder verpachten mussten, weil die Produktion für sie zu teuer war.

Die katholische Forschungsstiftung ibon dazu: „Agrarian reform programs have supposedly been implemented for decades. Yet peasant organizations estimate that at least 70% and perhaps as much as 90% of farmers are still landless, and that less than a third of landowners still own more than 80% of agricultural land. The majority of farms in the country likewise covering most of the farm area remain under tenancy, lease, and other forms of tenurial arrangements.“20

Mariano startete seine Amtszeit mit dem Auftrag „immediately review past orders issued on land exemption, exclusion, retention, conversion and cancellation of titles given to beneficiaries to find out how much agrarian reform-covered land have been taken back from farmers.“21 Er wird ein neues Gesetz zur Agrarreform in den Kongress einbringen. Er geht damit auf direkten Konfrontationskurs zur Oligarchie, auch zur Familie des früheren Präsidenten Benigno Aquino III, die sich die riesige Hacienda Luisita und andere Haciendas in der Negros Provinz unter den Nagel gerissen haben soll.

Duterte lässt nun die Services für die Bauern verbessern und ließ beschließen, dass in Zukunft die Wasserversorgung für die Felder der 2.5 Millionen Reisbauernfamilien kostenlos ist.22

Der Staat wird den Bauern auch kostenlos Traktoren für eine produktivere Bearbeitung der Böden und günstige Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stellen.

Reform der Arbeitsgesetze

Ein riesiges Problem für die ArbeitnehmerInnen und Quell verstärkter Ausbeutung sind die von den Unternehmen abgeschlossenen Short-Term Contracts. Labour Undersecretary Joel Maglunsod, ein früherer Labour Rights Activist, schätzt, dass bis zu 70 Prozent der ArbeitnehmerInnen mit Kurzverträgen arbeiten müssen. Duterte sagte - unter großem Widerstand der Employers Confederation of the Philippines - er wolle die Anzahl der Jobs mit Kurzverträgen bis Jahresende halbieren und bis Ende nächsten Jahres auf Null reduzieren. Duterte ordnete im Juni eine kurzfristige Inspektion aller Unternehmen an und warnte auf seine markige Art, dass Unternehmen, die die Praxis der Kurzverträge nicht beenden, die Schließung riskieren: "You will not only lose your money, you will lose your pants," ….. "You are creating a very serious dissension in the society.“23

Steuerreform

Zur Unterstützung stärkeren Wirtschaftswachstums, größerer Gerechtigkeit, Stärkung des Konsums und zur Finanzierung der geplanten Infrastrukturinvestitionen plant Finance Secretary Carlos Dominguez eine Steuerreform. Privatpersonen mit einem Jahreseinkommen bis US$ 5,142 werden in Zukunft keine Einkommensteuer mehr bezahlen müssen. Der Normalsatz wird in Zukunft 25% betragen, bisher 32%. Der Satz für die ‚Ultra-Rich‘ wird auf 35% angehoben. „The Philippines’ tax on corporate profits is the highest in the region at 30%, but corruption and loopholes mean companies pay 11.6% of that bill. The government take from corporate tax is 3.5% of GDP, much less than neighbors with lower rates. More than one-third of the country’s blue-chip companies have so many deductions that they pay the minimum 2% of their profits.“24 Das soll geändert werden. Die Corporate Tax Rate wird zwar nominell auf 25% gesenkt, die Minimum Rate wird auf 15% ansteigen und diverse Steuerabzugsmöglichkeiten werden gestrichen. In einigen Bereichen werden auch Mehrwertsteuerausnahmen gestrichen (wie auf zuckerhaltige Getränke).

Dutertes Zero-Tolerance-Policy gegen illegale Drogen, das im Westen meist kritisierte Thema

Die Philippinen haben ein gravierendes Drogenproblem. Im ganzen Land gibt es an die 2 Millionen Drogenkonsumenten. Nach Zahlen der Philippine Drug Enforcement Agency (PDEA) haben 21% der Dörfer und Bezirke Drogenfälle anhängig, in Metro Manila sind es 92%!

Die Hauptdroge, die konsumiert wird ist Methamphetamine, auf den Philippinen ‚Shabu‘ genannt. Sie wirkt zuerst als Stimulans und gibt Glücksgefühle, zerstört letztlich den Körper. Wie überall wirkt die Rauschgiftsucht durch die Nebenerscheinungen sozial zersetzend, fördert die (Beschaffungs-) Kriminalität und zersetzt durch Korruption den Staat.

Die bisherigen Präsidenten haben kaum etwas unternommen und Duterte wurde als Präsident gewählt, u.a., weil er als Bürgermeister von Davos City sehr erfolgreich Drogenhandel, Kriminalität und Korruption bekämpft hatte. Schon in dieser Zeit wurde ihm vorgeworfen, dass er extrajudicial killings beauftragt hätte, es konnte ihm aber auch in einer Untersuchung der Philippinischen Commission of Human Rights nichts nachgewiesen werden.

Seit Amtsantritt Dutertes sind (Stand Ende Oktober) ca. 1.700 Personen in Polizeioperationen getötet worden und ca. 3.000 in Auseinandersetzungen mit Bürgerwehren bzw. Drogenbanden.25 Ein Teil der Todesfälle sind durch Schusswechsel mit der Polizei entstanden (Gegenwehr), ein Teil durch Auseinandersetzungen unter Drogenbanden, hinter Bürgerwehren könnten sich aber auch korrupte Polizisten verstecken, die Drogendealer als Mitwisser getötet haben.

Duterte hat ein radikales Vorgehen sicherlich ermuntert, man sollte aber auch die gesamte Situation betrachten.

Er wird von den USA und der EU aufgefordert, ‚Rechtsstaatlichkeit' zu wahren und die Drogendelikte der Justiz zu übergeben. Aber die Polizei und die Justiz sind bis in die oberen Ränge durch Drogengelder bestochen.

Dazu die deutsche Bertelsmann Stiftung in ihrem Philippines Country Report BTI 2016: „The judiciary in the Philippines is formally independent. However, in practice, the sway of rich and powerful entities has frequently influenced the prosecution, conviction, and sentencing in countless civil and criminal cases. Consequently, courts often made decisions in favor of the rich and powerful. Relatively low salaries for judicial officials perpetuate the problems of bribery and interference in court proceedings by government officials and military personnel at all levels. Additionally, court proceedings usually take a very long time so that the whole judicial system is seriously congested.“

Wie kann man dieser Justiz unter Berufung auf Menschenrechte Drogenfälle übergeben? Die Befreiung von Justiz und Polizei von Korruption und die Beschleunigung der Abwicklung der Prozesse wird noch Jahre dauern! Sollte man bis dahin nichts im Drogenbereich unternehmen? Das will die Bevölkerung nicht, sie hat ja Duterte zum Präsidenten gewählt, weil die Präsidenten vorher, die alle aus den Oligarchenfamilien stammten, nichts getan haben. In einer solchen schier ausweglosen Situation sollte man die ‚Menschenrechtskeule‘ gegen Duterte sehr vorsichtig einsetzen, da er versucht das Drogenproblem und damit verbundene Verbrechen und Korruption zu reduzieren, nicht nur durch Polizeieinsatz, sondern auf vielen Ebenen, wie Armutsbekämpfung, Verbesserung der Ausbildung und des Gesundheitswesens.

Statt ihn international an den Pranger zu stellen wäre es für die Philippinen und vor allem für die Drogensüchtigen hilfreicher, wenn die EU und die USA sie beim Bau von Rehabilitationscenter unterstützen, die bei einer Zahl von 2 Millionen Drogenabhängigen dringend benötigt werden. Bis jetzt haben sich bereits 700.000 Drogenabhängige und - dealer der Polizei gestellt und es mangelt an allen Ecken und Enden an Rehab-Zentren. Ende November sind die ersten 2.500 Plätze in einem neuen, auf 10.000 Plätze ausgelegten Rehab-Center in Fort Magsaysay26 eröffnet worden, wobei noch viele solcher Centers gebraucht würden.

Befriedung Mindanaos - muslimische Moros-Minderheit

Der Unabhängigkeitskampf der muslimischen Moro-Minderheit auf der südphilippinischen Insel Mindanao und benachbarten Inseln hat bereits 120.000 Menschen das Leben gekostet und 2 Millionen Flüchtlinge verursacht. Duterte sieht den strategischen Ansatzpunkt zur Lösung des Problems in der verarmten Region in einer Staatsreform Richtung Föderalismus27 und stärkerer regionaler Rechte der Autonomen Regionen Bangsamoro und ARMM (Autonomous Region in Muslim Mindanao). Die in 2 starke Organisationen zersplitterte Moro-Minderheit ist organisiert in der Moro National Liberation Front (MLNF) und der MILF (Moro Islamic Liberation Front). Mit beiden wurden in der Vergangenheit Friedensabkommen geschlossen, die aber nicht eingehalten wurden. Duterte versucht Vereinbarungen für eine größere Einheit der beiden muslimischen großen Organisationen zu treffen und will die Gebiete durch ein spezielles Förderprogramm aus einem von Japan bezahlten Entwicklungsfond unterstützen. Er fordert MILF und MNLF - die beide bewaffnet sind - auf, die Tätigkeit der terroristischen Maute - Organisation (aus der MILF entstanden) und der Jemaah Islamiyah, die beide zum Umkreis des IS gezählt werden, in ihren autonomen Gebieten zu beenden. Der vom philippinischen Militär betriebene Kampf gegen die beiden terroristischen Organisationen, die als einzige IS- verbundene islamistische Organisationen in Südostasien eigene Gebiete kontrollieren, hat höchste Priorität, da die Gefahr besteht, dass bei einer Niederlage des IS in Syrien und Irak Teile der Kader nach Südostasien ‚übersiedeln‘.

Außenpolitische Neuorientierung, eher in kleinen Dosen

Duterte stammt aus Mindanao. Auf der Insel fanden während der amerikanischen Kolonialzeit Massaker28 an der muslimischen Bevölkerung, die sich gegen die Kolonialisierung gewehrt hatte, statt. Die US- Kolonialherren haben die Philippiner immer verächtlich als ‚Little Brown Brothers’ bezeichnet.29 In der Bevölkerung von Mindanao hat das tiefe Wunden hinterlassen sowie den Widerstand gegen Unterdrückung und Behandlung von oben herab genährt. Die Großmutter Dutertes hat ihre Nachkommen in der Überzeugung erzogen, dass die USA schuldig sind Verbrechen während der Invasion und der Kolonisierung begangen zu haben. Und die USA haben ja weiter eine kleine Truppeneinheit auf Mindanao stationiert, die offiziell Terrorismusbekämpfung betreibt. Im Jahr 2002, als Duterte Bürgermeister in Davao City, der größten Stadt auf Mindanao, war, ereignete sich eine Explosion in einem Hotelzimmer in Davao City, an der ein Amerikaner beteiligt war. Der Amerikaner wurde unter mysteriösen Umstanden in einer Blitzaktion von der US Botschaft außer Landes geschleust und der Gerichtsbarkeit auf den Philippinen entzogen. Duterte kritisierte damals öffentlich die Vorgangsweise und nahm an, dass die CIA dahintersteht. Als er im selben Jahr in die USA reisen wollte, wurde ihm ein Einreisevisum verweigert und seiner damaligen Partnerin, einer Krankenschwester, die Arbeitsgenehmigung in den USA entzogen.30

Duterte sieht auch die Rolle der USA im South China Sea Konflikt anders als sein Vorgänger Aquino. Duterte macht zum Mißfallen der Obama-Administration aus dem Schiedsspruch von Haag kein Mittel der öffentlichen Propaganda und hat damit auch bei seinem Besuch in Beijing einen großen Erfolg errungen. Das umstrittene Gebiet der Scarborough Shoal ist nun für philippinische Fischer wieder nutzbar. Duterte wehrt sich dagegen, dass die USA die Philippinen als Prügel gegen China verwenden wollen. Für ihn ist der große Nachbar China wichtig in seinem Bemühen, die Wirtschaft der Philippinen zu entwickeln und Kapital für Investitionen bereitzustellen. Das konnten und können die USA nicht bieten.

Aus diesem Hintergrund heraus wird Duterte versuchen die militärische Zusammenarbeit31 und die enge wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA schrittweise, pragmatisch, zu reduzieren und die Probleme mit China in bilateralen Kontakten zu lösen.

„In a speech to the Filipino community in Beijing, he said the Philippines had gained little from its long alliance with the US, which colonized his country for 50 years after Spain had colonized it for nearly 400 years. “Your stay in my country was mainly for your own benefit. So time to say goodbye, my friend,” he said, addressing the US.“32

Große Herausforderungen, spannende Zukunft

Duterte steht vor großen Herausforderungen, wie man sehen kann. Ob er sich gegen die großen Widerstände, die sein Programm hervorrufen wird, durchsetzen kann, und ob er hält, was er verspricht, wird man sehen. Er wird weiterhin martialische Sprüche von sich geben,33 man sollte nicht alles 1:1 nehmen, was er sagt. Politisch formuliert er oft strategische Ziele und Vorstellungen, die er natürlich nicht sofort umsetzen kann, wie den Abzug aller amerikanischer Truppen und die Kündigung des Enhanced Defense Cooperation Agreement mit den USA. Aber er geht in eine gute Richtung. Er bemüht sich in der Innenpolitik um Frieden, eine grundsätzliche Verbesserung der Rechte und Situation der Arbeiter und Bauern sowie einer Beendigung der Macht der Oligarchen. Um ein ganzheitliches Bild seiner Person zu bekommen, sollte man ihn daher nicht nur aus der Sicht der Drogenbekämpfung betrachten, sondern auch die anderen Programme und die Situation auf den Philippinen mit einbeziehen. Von daher ist eine kritische Unterstützung seiner Politik durchaus zu rechtfertigen.

Verweise