Zusammenfassung von Protesten am 6./7. April 2002 gegen die israelische Gewaltpolitik

08.04.2002

Stand 7.4.02, 20.00 Uhr, Karin Leukefeld für Junge Welt

Weltweit demonstrierten am Wochenende Hunderttausende ihre Solidarität mit den Palästinensern gegen die israelische Militäroffensive in den Autonomiegebieten.

In den arabischen Staaten drückt der Protest gegen die israelische Militäroperation die unentschlossenen und teilweise korrupten Regierungen besonders stark. Massenmärsche auf den Straßen könnten leicht in Protest gegen die sozialen Probleme im eigenen Land umschlagen. Die Kluft zwischen den Regimes und der Bevölkerung, vor allem den jungen Leuten, wird immer größer.

Eine besondere Gradwanderung hat der jordanische König Abdullah zu bewerkstelligen. Rund 80% der Bevölkerung Jordaniens sind Palästinenser. Mit offiziellen Hilfsaktionen sollen unkontrollierte Straßenproteste eingedämmt und der Protest kanalisiert werden. Der jordanische Innenminister Qaftan Majali wies darauf hin, dass alle Proteste und Demonstrationen einer Genehmigung bedürften. Alles andere sei strikt verboten. Die jordanische Führung stünde fest hinter den Palästinensern, so der Minister. Am vergangenen Dienstag hatten sich Zehntausende an einer genehmigten Demonstration in Amman beteiligt.

In Zusammenarbeit mit dem Jordanischen Fernsehen startete der Jordanische Rundfunk eine 24-Stunden-Kampagne, um mit öffentlichen Telefonanrufen Spenden für die Palästinenser zu sammeln. Auch mit SMS konnte man sich an dem "Telethon" beteiligen, zu dem Anzeigen in den letzten Tagen aufgerufen hatten. Der Mobilfunkanbieter Fastlink spendete für die Kampagne 100.000 JD (1JD entspricht ca. 1 Euro). Hinter der Kampagne steht die Jordanische Hashemitische Wohltätigkeitsorganisation (JHCO), deren Vorsitz der jordanische König Abdullah hat. Die jordanische Sektion der Internationalen Demokratischen Frauenföderation rief die 600 Mitgliedsorganisationen in 104 Staaten dazu auf, mit Demonstrationen vor den US- und israelischen Botschaften die palästinensischen Frauen zu unterstützen. In den Krankenhäusern Jordaniens wird Blut gespendet, in Moscheen und Kirchen wurden Gottesdienste für die getöteten Palästinenser abgehalten und um Frieden im Mittleren Osten gebetet. Vor dem UNICEF-Hauptquartier in Amman protestierten Hunderte Männer, Frauen und Kinder gegen die israelischen Angriffe. Widersprüchliche Informationen gibt es über den Tod eines 10jährigen Jungen, der nach Angaben seiner Eltern bei Protesten im Flüchtlingslager Bakaa von einer Tränengasgranate der Polizei tödlich verletzt worden sei. Offizielle Stellen widersprachen der Darstellung.

Aus Ägypten werden Fälle gemeldet, wo Jugendliche von zu Hause weglaufen, um sich dem Kampf der Palästinenser anzuschließen. An der israelisch-ägyptischen Grenze bei Rafah, nahe dem Gazastreifen, wurden nach Informationen der Jordan Times zwei 11- und 12jährige Brüder aus Nasr City, einem Vorort von Kairo, festgenommen, die in einem Abschiedsbrief an ihre Eltern ihr Vorhaben erklärt hatten. Auch ein 17jähriger wurde von seinem Vater als vermisst gemeldet. Der Junge hatte seinen Eltern eine Nachricht hinterlassen, er wolle sich dem Kampf gegen Israel anschließen. In Kairo und anderen Städten hatten in den vergangenen Tagen Zehntausende gegen Israel und die USA demonstriert. Als muslimische und sozialistische Studenten der Universität Kairo – getrennt allerdings - versuchten, den Campus zu verlassen, wurden sie von Polizeikräften gewaltsam gestoppt. Dabei wurden mindestens 30 Studenten festgenommen. Seitdem sind vor dem Haupteingang starke Polizeikräfte stationiert. Vor dem Treffen der arabischen Außenminister in der ägyptischen Hauptstadt forderten Demonstranten militärisch gegen Israel vorzugehen und riefen: "Die Befreiung der besetzten Gebiete ist nur möglich mit Waffen, nicht mit einer Friedensinitiative."

Auch in Bahrain gab es Proteste gegen die USA und Israel. Dabei soll ein 24-jähriger Mann durch eine Tränengasgranate tödlich getroffen worden sein, so die Angehörigen. In Saudi-Arabien, wo ein komplettes Demonstrationsverbot herrscht, ging die Polizei gegen Hunderte junger Leute vor, die gegen Israel demonstrieren wollten.

Im Libanon, wo rund ein Fünftel der 2,5 Millionen palästinensischer Flüchtlinge leben, kommt es seit einer Woche ununterbrochen zu Protestzügen gegen die israelische Militäroffensive. In Baalbek nahmen nach Angaben von BBC rund 15.000 Menschen an einer Demonstration teil. Im Beiruter Vorort Aukar ging die Polizei gegen Demonstranten mit Tränengas vor. Zehntausende demonstrierten auch in Syrien, Libyen und dem Irak gegen die israelische Politik. In Libyen führte Revolutionsführer Ghaddafi die Demonstration an.

In der Türkei kam es in vielen Städten nach den Freitagsgebeten zu Massenprotesten. In Istanbul zogen nach Angaben der Turkish Daily News 2000 Personen ins Stadtzentrum von Beyazit und riefen, "die Palästinenser sind nicht allein." Außerdem solle die türkische Regierung ein soeben abgeschlossenes Panzergeschäft mit Israel annullieren. Auch Frauen nahmen an dem Protest teil, bei dem israelische und US-Fahnen verbrannt wurden. Panzer und Sicherheitskräfte hinderten die Demonstration unter Einsatz von Wasser und Tränengas gewaltsam daran, den Marsch fortzusetzen. Schon in den Tagen zuvor war es landesweit zu Protesten gegen das israelische Vorgehen gekommen. In Ankara folgten mehrere Tausend einem Aufruf von Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen. In der kurdischen Metropole Diyarbakir, marschierten Hunderte zur Post, um von dort Protestfaxe an die israelische Botschaft in Ankara zu schicken.

Vor der US-Botschaft in Tel Aviv wurden israelische Araber von israelischen Sicherheitskräften verprügelt, als sie gegen die Militäroperation protestierten und sich weigerten, eine palästinensische Flagge, die sie zuvor vor dem Gebäude gehisst hatten, wieder zu entfernen.

In Indonesien kommt es seit einer Woche täglich zu Demonstrationen gegen die israelische Militäroperation. Am Freitag versuchte die Polizei in der Hauptstadt Jakarta gewaltsam, rund 1000 Demonstranten daran zu hindern, faules Obst und Gemüse gegen die US-Botschaft zu werfen.

In Uganda protestierten muslimische Studenten gegen den israelischen Militäreinsatz. Ihnen schlossen sich die Botschafter Ägyptens, Saudi-Arabiens und Libyens an. Auch im Sudan kam es zu Massenprotesten.

In Marokko demonstrierten nach Angaben von Nachrichtenagenturen am Sonntag mindestens eine Millionen Menschen im Zentrum der Hauptstadt Rabat. Marokko ist der erste Stop von US-Außenminister Colin Powell auf seiner Reise durch den Mittleren Osten in der kommenden Woche. Die Massendemonstration der Solidarität mit den Palästinensern ist ein klares Signal an König Mohammed VI, der mit Powell zu Gesprächen zusammentreffen wird.

In Paris forderten rund 20.000 Demonstranten den sofortigen Rückzug der israelischen Armee. Eine Parole lautete nach AFP-Angaben: "Araber und Juden gemeinsam gegen Scharon". Es gab auch Parolen gegen Rassismus und die Angriffe auf jüdische Gotteshäuser in den vergangen Tagen. Tausende demonstrierten auch in Nantes, Rennes, Rouen, Lille, Strasbourg, Metz, Grenoble und Marseilles. Zu den Protesten hatten Gewerkschaften, Verbände und Parteien aufgerufen.

In Bilbao und Pamplona im spanischen Baskenland demonstrierten am Samstag mehrere zehntausend Basken ihre Solidarität mit den Palästinensern. Sie waren einem gemeinsamen Aufruf spanischer und baskischer Gewerkschaften gefolgt, einem Novum nach vielen Jahren politischer Distanz. Auch Vertreter der baskischen Regierung beteiligten sich an den Protesten. Am Sonntag fanden weitere Demonstrationen in San Sebastian, Vitoria und Bayonne statt.

In der Schweizer Hauptstadt Bern kamen rund 10.000 Personen im Protest gegen Israel zusammen. Aufgerufen hatten mehr als 30 Organisationen, darunter die Schweizer Sozialisten und die Grünen.

Auch in Deutschland kam es landesweit zu Protesten mit mehreren zehntausend Teilnehmern. In Berlin zogen rund 10.000 Personen zum Springer-Haus, wo eine palästinensische Fahne gehisst wurde. In Bonn kamen rund 1500 Demonstranten zusammen. Auch in Tübingen, München, Frankfurt, Hamburg, Leipzig und Dortmund gab es Protestmärsche gegen die israelische Gewaltpolitik.

In Rom begann ein Protestmarsch mit 20.000 Personen. Im Vorfeld hatten sich die großen Gewerkschaften und zwei linke Parteien aus dem Bündnis zurückgezogen, nachdem führende Vertreter der jüdischen Gemeinschaft die einseitige Parteinahme für die Palästinenser kritisiert hatten. Dennoch wuchs der Protestzug bis zur Abschlusskundgebung auf 50.000 Personen an.

Auch in den USA demonstrierten am Wochenende Tausende in Washington und New York ihre Solidarität mit den Palästinensern. Auf manchen Plakaten wurde der israelische Premier Scharon mit Adolf Hitler verglichen.