Österreicher auf Schutzschildmission

19.02.2003

Weitere Friedensaktivisten reisen in Irak. Erneut Delegation aus Deutschland

19.02.2003, junge Welt
von Rüdiger Göbel

Wer erinnert sich nicht an die in ihrer Verzweiflung heldenhaften Menschen
in Belgrad und Novi Sad, die während der NATO-Angriffe auf jugoslawische
Städte 1999 die Brücken ihrer Stadt unter Einsatz ihres Lebens zu schützen
versuchten? Die Bilder der todesmutig tanzenden Männer und Frauen in ihren
weißen T-Shirts mit schwarzen Zielscheiben gingen um die Welt. Nacht für
Nacht standen sie als menschliche Schutzschilde - unterstützt von
Friedensaktivisten aus aller Welt - auf den Verkehrsverbindungen über die
Donau, in der Hoffnung, die NATO-Luftkrieger von der Zerstörung der
lebenswichtigen Einrichtungen abhalten zu können.

Ähnliche Aktionen sind nun in Bagdad geplant. Während die westlichen
Botschaften in Bagdad, darunter auch die deutsche, ihre Staatsangehörigen
auffordern, Irak angesichts der bevorstehenden US-Invasion so rasch als
möglich zu verlassen, reisen am heutigen Mittwoch Friedensaktivisten aus
Österreich zu sogenannten Schutzschilmissionen in das belagerte Land. Dem
Außenministerium in Wien haben sie vorab eine entsprechende Absichtserklärung sowie die Koordinaten ihrer "Einsatzorte" überreicht. Im Irak wollen sie dem Protest gegen den drohenden Krieg Ausdruck verleihen und aktive Solidarität mit der irakischen Bevölkerung demonstrieren, wie sie beim Empfang im Außenministerium am vergangenen Freitag Ministerin Benita Ferrero-Waldner erklärten. "Wenn die USA und ihre Verbündeten den Irak überfallen und Araber und Moslems bombardieren, dann müssen sie auch auf uns schießen", sagte die Künstlerin Käthe Kratz. Die Teilnehmer werden sich den rund vierhundert Aktivisten aus Europa und den USA anschließen, die sich bereits in Bagdad befinden.

An die österreichische Regierung gerichtet forderten die Aktivisten in Wien
die strikte Einhaltung der verfassungsmäßig gebotenen Neutralität ein, was
die Verweigerung von militärischen Überflügen beinhaltet. Vor allem im
Rahmen der UNO und EU müsse das Wiener Außenamt "alle zu Gebote stehenden
Maßnahmen ergreifen, um den von den USA angedrohten Einsatz von
Massenvernichtungswaffen und den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu
verhindern beziehungsweise zu verurteilen", erklärte Schutzschildkoordinator Willi Langthaler gegenüber jW. Wohl nicht auf Hinweis der Friedensaktivisten, aber immerhin: Am Wochenende sperrte die österreichische Regierung die Grenzen und den Luftraum des Alpenlandes für die Verlegung US-amerikanischer Truppen.

Bereits am Sonntag war eine Friedensdelegation aus Deutschland nach Bagdad
gereist. "Wir wollen den Irakern übermitteln, wie viele Menschen auf ihrer
Seite stehen und sich aktiv gegen diesen Krieg engagieren", sagte
Organisator Bernd Klagge zu jW. "Wir möchten uns unmittelbar vor Ort über
die Lebensumstände der irakischen Bevölkerung informieren, über die
Auswirkungen des letzten Krieges und die Folgen eines verheerenden
Wirtschaftsembargos. Wir wollen die Aufmerksamkeit der deutschen und
internationalen Öffentlichkeit noch stärker auf die Situation der Menschen
im Irak lenken. Diese sind es, die in noch schlimmerem Maße als vor zwölf
Jahren von einem Krieg betroffen wären und die auch unabhängig davon unsere
Unterstützung brauchen", erklärte Klagge. Die westliche Politik gegenüber
dem Irak kenne seit Jahren nur die wirtschaftliche Blockade, die
militärische Drohung und den Krieg. Zivile, politisch-diplomatische Ansätze
fehlten dagegen.