Dresden war ein Kriegsverbrechen

15.02.2005

Von Werner Pirker


Dresden war ein Kriegsverbrechen - Daran ändert auch nichts, daß es der deutsche Faschismus ursächlich verschuldet hat.

Viel sei in diesen Tagen über Sinn und Unsinn oder die militärische Notwendigkeit der alliierten Bombenangriffe auf Dresden gestritten worden, bemerkte Ronny Ziller leicht angewidert im junge Welt -Gastkommentar (12.02.2005). Und er machte klar, daß er das für einen ziemlich unsinnigen Streit hält. Denn: "Vor Dresden hat es zerstörerische deutsche Luftangriffe auf Warschau, Rotterdam, London und Coventry gegeben. Vor Dresden gab es auch Oradour, Lidice, Zamosc, Leningrad und Distomo. Und Treblinka, Majdanek und – Auschwitz." Das soll wohl heißen, daß damit der Streit über die militärische Notwendigkeit der alliierten Bombenangriffe auf Dresden – moralisch zumindest – entschieden sei. In seiner Schlußbemerkung hielt Ziller fest: "Die Bombardierung Dresdens war auch Terror, nämlich der grausame Terror des Krieges. Installiert hat diesen Terror das …‚Dritte Reich´". Ende der Debatte.
Es ist keineswegs nur von nebensächlicher Bedeutung, ob die Bombardierung Dresdens militärisch zweckmäßig war oder ob sie ausschließlich auf die Terrorisierung der Zivilbevölkerung zielte und dabei die grausame Tötung hunderttausender Menschen bewußt in Kauf nahm. Und auch die Tatsache, daß das Nazi-Reich den grausamen Kriegsterror entfesselt hat, auf daß alles in Scherben falle, entbindet die Befehlshaber der angloamerikanischen Bombengeschwader nicht aus ihrer Verantwortung. Die Bombennacht von Dresden läßt sich militärisch nicht rechtfertigen. Bombardiert wurden nicht die kriegwichtigen Ziele, sondern die Wohnviertel und die von Flüchtlingen vollgestopfte Innenstadt. Zielobjekte amerikanischer Tiefflieger waren auch die Wiesen am Elbeufer, auf die die Menschen aus der brennenden Stadt geflohen waren.
Das Bombeninferno von Dresden war ein Kriegsverbrechen, nicht irgendeines, sondern ein kolossales Kriegsverbrechen. Dieser barbarische Akt läßt sich auch nicht dadurch relativieren, daß nichts an diesem Krieg die Bezeichnung "zivilisiert" verdiene, wie das Kurt Pätzold auf den jW -Themenseiten vom 12. Februar versucht hat. Die Rote Armee, die über tausende Kilometer verbrannte Erde nach Berlin zu marschieren und ungleich mehr Opfer als die Westalliierten auf sich zu nehmen hatte, hat sich einer solchen Barbarei nicht schuldig gemacht. Die Zerstörung von Dresden war ein Kriegsverbrechen, auch wenn die NPD das gleiche behauptet. Und: Der Bombenterror gegen Dresden war ein Kriegsverbrechen, das seine Ursache in dem vom Hitlerregime und seinen Generälen entfesselten Vernichtungskrieg gegen die menschliche Zivilisation hat. Das wird von der NPD nicht behauptet.
Der Bombenkrieg gegen deutsche Städte folgte keiner antifaschistischen, sondern der elitären Logik von Schlachtenlenkern, die ihre der hitlerfaschistischen Aggression geschuldete Vernichtungswut über Arbeiterviertel austobten. Die Rechtfertigung der "antideutschen" Bombardements damals gilt heute als deutsche Bündnisverpflichtung. Da mag sich der antideutsche Flügel der Antifa noch so sehr als einsame Avantgarde wähnen. Er bildet lediglich die rabiate Nachhut des deutschen Mainstreams.
Dresden und mehr noch Hiroshima waren bereits Vorzeichen des Kalten Krieges. Und auch dessen, was nach dem Ende der Blockkonfrontation geschehen sollte. Die majestätische Machtentfaltung aus der Luft, die gnadenlose Drangsalierung der Zivilbevölkerung und Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen sind das Markenzeichen des neuen imperialistischen Krieges. Von Guernica über Dresden und Hiroshima zieht sich die Blutspur imperialistischer Machtentfaltung nach Falludscha. Auch an diesem Krieg ist Deutschland beteiligt und seine Eliten zeigen deshalb wenig Neigung, alte Rechnungen aufzumachen. Aufgabe einer linken Gegenöffentlichkeit wäre es, die Kontinuität und auch die Brüche imperialistischer Politik aufzuzeigen und den deutschen Faschismus in seiner Funktion als der damals aggressivsten Kraft der imperialistischer Reaktion zu erklären. Heute ist es das amerikanische Imperium, das diese Rolle einnimmt.
Eine Linke, die nicht antiimperialistisch ist, ist auch nicht antifaschistisch. Und eine Friedensbewegung, die angesichts ihrer Aktivitäten zum 8. Mai keine Zeit mehr für Aktionen gegen die Besetzung des Iraks zu finden meint, wird ihrer vordringlichsten Gegenwartsaufgaben nicht gerecht. Dabei müßte doch gerade die Erinnerung an den verlorenen Krieg Hitlerdeutschlands Energien für eine neue Antikriegsallianz freisetzen. Doch das ist nicht mehr selbstverständlich, seit antinationaler Wahn das kritische Bewußtsein verdüstert hat.