Aufruf zur Befreiung Paolo Persichettis

03.09.2002

von: Komitee zur Befreiung Paolo Persichettis

Paolo Persichetti wurde am 25. August mit großer Eile und Heimlichkeit nach Italien ausgeliefert. Anders als manchmal behauptet, war er niemals geheim in Frankreich. 1991 angekommen, hat er sofort eine Aufenthaltserlaubnis beantragt und erhalten. Er war als Student an der Universität Paris VIII seit 1992 ordentlich immatrikuliert und promovierte zum Doktor der Politologie. Paolo Persichetti ist Zeitassistent für Lehre und Forschung an dieser Universität, Ergebnis einer ordentlichen wissenschaftlichen Stellenbesetzung, berufen vom Inspektor des Schulbezirks Crà©teil in Vertretung des Ministers für Erziehung. Während seiner jahrelangen Ausbildung zum akademischen Forscher zeichnete sich Paolo Persichetti sowohl durch die Qualität seiner Arbeiten, von den mehrere publiziert wurden, als auch durch die Pünktlichkeit und Qualität seines Unterrichts aus.

Obwohl von Edouard Balladur am 7. Februar 1994 ein Auslieferungsdekret unterzeichnet wurde, haben drei französische Regierungen, darunter auch die von Edouard Balladur, es nie angewandt. Nach französischem und europäischem Verwaltungsrecht schafft eine solche andauernde Rechtspraxis subjektive Rechte der Betroffenen. Außerdem – und vor allem: die Entscheidung zur Auslieferung Persichettis widerruft eine politische und juristische Stellungnahme, die von neun sich folgenden französischen Regierungen (Mauroy, Fabius, Chirac, Rocard, Cresson, Bà©rà©govoy, Balladur, Juppà©, Jospin) und zwei Präsidenten der Republik akzeptiert und angewandt wurde.

Die Bedingungen dieser Position waren absolut klar: Frankreich verweigert die Auslieferung italienischer politischer Exulanten, wenn diese mit dem bewaffneten Kampf gebrochen hatten. Franà§ois Mitterrand hat dieses Prinzip 1985 aufgrund einer einfachen Feststellung formuliert: die Ausnahmegesetze und die Rechtspraxis, die in Italien seit 1976 zum Kampf gegen den Terrorismus angewandt wurden (systematischer Rückgriff auf Kronzeugen, logische Hilfskonstruktionen ohne Beweisgrundlage, unbestimmte Ausweitung des Begriffs der "Unterstützung einer bewaffneten Vereinigung"), garantierten keinen fairen Prozeß für die Angeklagten. Die juristische Situation hat sich seither nicht geändert. Es ist deshalb unverständlich und illegitim, daß Frankreich sein gegebenes Wort bricht. Die Grundlagen der Republik und des Rechtsstaats werden hier verspottet.

Komitee zur Befreiung Paolo Persichettis


Die Unterzeichner
- verurteilen entschieden diese juristisch, politisch und human unvertretbare Entscheidung;
- unterstützen das vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingeleitete Verfahren zur Annullierung dieser Entscheidung;
- verlangen die Befreiung Paolo Persichettis sowie die Rückkehr zur bisherigen Haltung Frankreichs gegenüber den italienischen politischen Exulanten.

Zur Unterzeichnung eine e-mail mit Namen, Vornamen und weiteren Angaben (Stadt, Beruf, Funktion...) an: comite.persichetti@ras.eu.org. Listen bitte an: Komitee zur Befreiung Paolo Persichettis c/o junge Welt, Karl-Liebknecht-Straße 32, D-10178 Berlin.