Und wenn sie wieder Scheiße bauen, dann planieren wir das Land

01.12.2003

zusammengefasste Nachrichten aus dem Irak

Während Bush zum Dinner in Bagdad saß, kommt andernorts vielleicht wieder ein verblüffter Iraki heim, um festzustellen, dass er ab heute nicht mehr zuhause essen kann. So passiert Mitte November in Husaiba, einer Stadt an der syrisch-irakischen Grenze. Der 24-jährige Eric Brown, Kommandant einer Einheit d. 82. Fallschirmjäger-Division, mit der Aufgabe Husaiba unter Kontrolle der U.S.Armee zu bringen, besetzte ein Haus im Zentrum der Stadt, ließ alle Möbel rauswerfen und Sandsäcke rund um das Haus aufbauen. Als der Eigentümer abends zurückkam, (seine Familie sagte er, sei wegen der gefährlichen Lage schon aufs Land gesiedelt), erklärte ihm Eric Brown per Übersetzer, dass sein Haus beschlagnahmt sei, "bis diese Stadt wieder friedlich sei".
In Hawijat, Umgebung Tikrit, wurde nach den Jugendlichen Ali Ahmed Hamid und Hussein Ali gesucht, denen man Verbindung zu den Fadayeen vorwirft. Als die U.S. Soldaten sie bei der Razzia nicht fanden, wurde kurzerhand der 55-jährige Omar Khalil Ibrahim verhaftet. Ausserdem wurden 2 Häuser so lange beschossen, bis nur mehr das Gerüst stand. Das zu Beginn des Fastenmonats Ramadans aufgehobene nächtliche Ausgehverbot wurde schon am 7. Nov. 03, also schon nach nur einer Woche, wieder in Kraft gesetzt. Wie aber Frau Dr. Genan G. Hassan, tätig als Dozentin und Ärztin am Entbindungs – und Kinderkrankenhaus in Basra, in einem Interview (Junge Welt, 7.11.03) mitteilte, ist wegen der verherrenden Sicherheitslage, ohnehin niemand nachts auf den Strassen unterwegs. In Basra hört man täglich von Entführungen, Mädchen werden deshalb schon nicht mehr in die Schule geschickt. Auch die Universität von Basra wurde wieder geschlossen, im Krankenhaus müssen sie sich täglich gegen Plünderungen wehren – die Soldaten bewachten nur die Einrichtungen der Ölindustrie vor den Toren der Stadt. Der frühere Mossad-Chef Major General Danny Yatom sieht durch solche Klagen seine Befürchtung bestätigt, dass durch das zu wenig harte Durchgreifen der U.S.Armee alle Türen für einen heiligen Krieg geöffnet werden.
Auf die Stadt Baqubah, in der Nähe von Felludjah, wurden um den 19.11.03 mehrere 500-Pfund-Bomben abgeworfen, die Gebäude, Strassen aber auch Palmenhaine zerstörten. Über die irakischen Toten werden keine Statistiken angefertigt. Nach einer U.S.Schätzung werden rund 5.000 Widerständler in einer Bevölkerung von ca. 25 Millionen Menschen vermutet – dass es sich bei den Bombenabwürfen und willkürlichen Zerstörungen nach illegalen Kollektivstrafen handelt, macht Max Boot, Kommentator der N.Y.Times, etwas Kopfzerbrechen. Sein Rezept: es sollten Iraker angeworben werden, die "begierig auf Blutrache" und "bereit wären" nicht zimperlich vorzugehen, damit wäre, seiner Ansicht nach, "das Problem mit dem internationalen Recht vom Tisch".
Das Kooperieren der arabischen Verbündeten mit den U.S.A. zeigt auch in den irakischen Nachbarstaaten Folgen. So wurde z.B. der 29jährige Faisal al – Balawi, der um politisches Asyl in London angesucht hatte, auf den Strassen Baghdads aufgegriffen und sitzt jetzt in Saudi Arabien im Gefängnis. Andererseits reichte das jordanische Aussenministerium ein Gesuch nach 37 Jordaniern (insgesamt werden rund 300 gefangene bzw. vermisste Jordanier im Irak vermutet) an die irak. U.S.Verwaltung ein und bekam bis heute keine Antwort.
Wenn, z.B. von Husaiba berichtet, GIs eine Frau aus dem Haus holen, weil sie mit Kindern alleine dort war und den GIs erklärte, diese Kinder seien die ihrer Schwester, sie habe keinen Mann, glaubt man sich in Rocky 10 oder einer neuen Terminator – Verfilmung: "wir zeigen denen, wer wir sind", "mir ist es scheißegal, ob die Iraker verrecken", "wir zeigen denen, wer Zähne hat", "und wenn sie wieder Scheiße bauen, dann planieren wir das Land. Das wird ein einziger Parkplatz. Aber aus der Luft dann."
Ein Soldat räumt jedoch ein, er verstehe die Iraker, sein Land würde sich auch widersetzen, wenn eine fremde Besatzung käme. Und ein Iraker in Husaiba: "Die Amerikaner sind mit Gewalt gekommen, und sie werden nur mit Gewalt gehen."


Quellen:
http://www.freace.de/artikel/nov2003/irak191103.html
http://www.jungewelt.de/2003/11-07/019.php
http://www.netzeitung.de/spezial/irak/260984.html
http://www.spiegel.de/sptv/magazin/0,1518,274490,00.html
http.//news.independent.co.uk/world/politics/story.jsp?story=461945
http://www.jordantimes.com/Tue/homenews/homenews8.htm
Washington Post Foreign Service, 19.11.03
Zürcher Zeitung, 24.11.03