Briefwechsel zur Mobilisierung zum 25.9. in Wien mit der Linkswende

02.09.2004

Zur Dokumentation: Nachdem wir im Bündnis mit anderen Organisationen seit Monaten eine Demonstration in Solidarität mit dem irakischen und palästinensischen Widerstand für den Internationalen Aktionstag 25.9. vorbereitet haben (15.00 Stephansplatz), mussten wir feststellen, dass die Organisation "Linkswende" für eine Demonstration ähnlichen Inhalts zu selbigem Datum – nur an anderem Ort – mobilisiert. In der Folge haben wir versucht eine Spaltung zu verhindern, um eine gemeinsame Demonstration zu organisieren: leider erfolglos. Wir dokumentieren unseren Briefwechsel.


Werte Genossinnen und Genossen,

Wir bedauern Eure Entscheidung, die letztendlich zu einer Schwächung der ganzen Bewegung führt. Seit geraumer Zeit sehen wir den Versuch des pazifistisch-sozialdemokratischen Flügels die konsequenteren Teile aus der Bewegung gegen den Krieg auszuschließen. Nun scheint auch ihr diesem Druck nachzugeben, was das gesamte Profil der Opposition gegen den imperialistischen Feldzug nach rechts verschieben wird. Hinter der Kampagne gegen uns steht einzig und allein unsere entschlossene Unterstützung des irakischen Widerstandes.

Wo ihr schreibt "Muslime" wollen nicht mit uns demonstrieren, würden wir "Sozialdemokraten" sagen. Muslime auf der ganzen Welt verbrennen, zum Glück, amerikanische Fahnen. Muslime auf der ganzen Welt sind, zum Glück, antiamerikanisch. Fast natürlicherweise, sind sie doch im Augenblick die Hauptopfer des imperialen Kreuzzuges. Einige muslimische Organisationen in Österreich wollen das verhindern, um ihre institutionelle Position und ihre Integration in die Sozialdemokratie nicht zu gefährden. Andere muslimische Organisationen, wie HDR aus Deutschland und Özgür Der aus der Türkei haben mit uns gemeinsam den internationalen Aufruf für den 25.9. unterstützt. Und zum Schluss: Der irakische Widerstand selbst ist mehrheitlich muslimisch. Glaubt ihr die Kämpfer von Nadjaf verurteilen das Verbrennen von amerikanischen Fahnen, weil damit das "Vorurteil" bestätigt würde sie seinen antiamerikanisch? Die Bewegung gegen den imperialen Krieg ist international, manchmal sollte man das im Auge behalten, bevor die österreichische Kleinkrämerei mit einem durchgeht.

Tatsächlich steht in Europa einiges auf dem Spiel. Gelingt es unseren Gegnern ein amerikanisiertes Zweiparteiensystem zu errichten – aus Mitte-Links und Mitte-Rechts? Gelingt es den sozialen Kampf, der gerade dabei ist nach Europa zurückzukehren, auf diese Weise die politische Spitze zu nehmen und jede echte Opposition zu marginalisieren? Sind wir selbst in der Lage einen machtvollen Widerstand gegen den entfesselten Liberalismus und die untergeordnete Integration in das amerikanische Imperium zu entwickeln? Das amerikanische Modell in dem ein Drittel der Gesellschaft kaum genug zum Überleben hat, aber keine Möglichkeit des politischen Ausdrucks ist auch in Österreich möglich. Die Kardinalsfrage um solch eine Entwicklung zu verhindern ist dabei die Schaffung eines dritten Pols, jenseits des Mitte-Links Liberalismus. Das Gelingen dieses Unterfangens ist keineswegs gesichert. Opportunismus gegenüber den Linksliberalen wird dabei in keinem Fall helfen.

Die Vorwürfe des "Antisemitismus" und "Terrorismus" sind die Speerspitzen im ideologischen Kreuzzug gegen den inneren Feind. Letztlich werden damit alle belegt werden, die nicht bereit sind die herrschende Weltordnung einfach zu akzeptieren. Auf der anderen Seite ist das "Bekenntnis zum Existenzrecht Israels" (nicht der jüdischen Menschen in der Region, sondern des zionistischen Separatstaats) und das grundsätzlich verkündete "Prinzip der Gewaltfreiheit" die Eintrittskarten für die Kooptierung in das System. Zuckerbrot und Peitsche: Verurteilung als antisemitischer Terrorist, oder Applaus vom Establishment. Wir sind der festen Überzeugung, dass ihr auf diese Erpressung nicht eingehen wollt. In dem Fall solltet ihr aber auch die Einheit des Widerstands aufrechterhalten, zur gemeinsamen Aktion bereit sein, anstatt die Spaltung zu suchen.

Solidarische Grüße,
Stefan Hirsch für die Leitung der AIK-Wien

P.S.: "Platz auf der Webseite dem Holocaustleugner Ibrahim Alloush zu geben..." – wir sollten uns bemühen in politischen Auseinandersetzungen offensichtliche Unwahrheiten zu vermeiden, überhaupt wenn es um etwas sensible Themen wie den Antisemitismusvorwurf geht. Alloush hatte nie Platz auf unserer Webseite, schon gar nicht, um den Holocaust zu relativieren. Wir haben eine Kurzmeldung über seine Entlassung verbreitet, weil diese seiner Opposition gegen den Irakkrieg geschuldet war.
Die überall im arabisch-islamischen Raum verbreitete Feindschaft gegenüber Juden, die seit der zionistischen Besiedlung festzustellen ist, ist reaktionär, schädlich und zu bekämpfen. Immer wieder wird sie als Rechtfertigung für reaktionäre Regime verwendet. Sie mit dem europäischen Antisemitismus gleichzusetzen bedeutet aber die Gleichsetzung des Rassismus der Unterdrücker mit jenem der Unterdrückten. Der Zionismus selbst, mit seinem Alleinvertretungsanspruch für alle Juden dieser Welt trägt im übrigen einen guten Teil der Verantwortung für diese Entwicklung. Feindschaft gegenüber Juden ist im arabischen Raum in allen gesellschaftlichen Lagern zu finden, mit Ausnahme von Teilen der ziemlich marginalisierten traditionellen marxistischen Linken, (was die Sache natürlich nicht besser macht), keine eigenständige politische Bewegung. Alloush selbst, (zu dem wir im übrigen keinen Kontakte unterhalten) ist Teil der traurigen Reste der jordanischen Linken.

***************************************************************

Brief der Linkswende an die Antiimperialistische Koordination, Antwort auf die Einladung zu einer gemeinsamen Aktion am 25.9.

Liebe GenossInnen

Herzlichen Dank für die Einladung. Ohne unfreundlich sein zu wollen,
müssen wir euch zu einem gemeinsamen Aufruf leider absagen, wir wollen
euch gerne nochmals erklären weshalb.

Der Irakkrieg, bzw. der ganze imperialistische Feldzug geht mit einer
enormen rassistischen Propaganda gegen die muslimische Bevölkerung in
Ost und West einher, da sind wir uns wahrscheinlich einig. Nach unserer
Auffassung ist es deshalb entscheidend mit Musliminnen gemeinsam auf den
Strassen präsent zu sein. Eine entscheidende Strategie gegen Rassismus
ist die gemeinsame Aktion mit den Zielgruppen von Rassismus, ganz egal
ob es sich um dezidierte Antiimperialisten handelt oder nicht. Die
wichtigsten muslimischen Organisationen sind nicht für eine gemeinsame
Mobilisierung zu gewinnen, wenn sie mit AIK in Zusammenhang gebracht
werden. Weshalb? weil sie damit islamophobische Klischees bedienen
könnten. Diese Klischees sind vor allem:

1) Musliminnen sind antiamerikanisch. Aus diesem Grund wurde die AIK
aufgefordert auf Fahnen verbrennen zu verzichten, während Reden auf
Kundgebungen gehalten werden, woran ihr euch nicht halten wollt. Die
Medien danken euch dafür, wir sind sauer deswegen!

2) Musliminnen sind antisemitisch.

Die AIK verteidigte ihre Entscheidung Platz auf ihrer Website zu einem
Holocaustleugner, Ibrahim Alloush, zu geben, mit dem Argument, dass der
Antisemitismus in den arabischen Länder anders zu werten ist, als der
Antisemitismus in Europa. Diese Position ist grundlegend falsch, denn
politischer Antisemitismus im Nahen Osten ist kein trauriger aber
irgendwie verständlicher Schrei von Wut, sondern eine politische
Bewegung, wie in Europa auch. Rechte Nationalisten wollen damit eine
Basis aufbauen. Wie Karl Lueger vor 100 Jahren den Antisemitismus
einsetzte, um für die
Christlichsozialen eine Massenbasis in Wien zu schaffen, so schürte der
Großmufti von Jerusalem schon in den 1930er systematisch den
Antisemitismus, um seine eigene feudal-nationalistische Basis
aufzubauen. Politiker im Nahen Osten, wie auch jener jordanische
Hochschullehrer Alloush, haben immer wieder auf die antisemitische Karte
gesetzt.

Damit wollen wir euch keinesfalls zu Antisemiten abstempeln (gegen
diesen Vorwurf haben wir euch im ASF Kreis auch verteidigt), aber klar
machen, weshalb eure Politik und eine Verbreiterung der Bewegung sich
nach unserer Meinung ausschließen.

Solidarische Grüße

Manfred Ecker im Namen von Linkswende