World Social Forum hoffnungslos zwischen den Stühlen

12.02.2005

Höchste Zeit für einen selbständigen Antiimperialismus

Hierzulande ergingen sich die linken Medien in einer Jubelberichterstattung über das Weltsozialforum in Porto Alegre. Doch in Brasilien selbst stehen die Zeichen auf Sturm, denn die Unzufriedenheit ist groß. Dass Lula ausgepfiffen wurde, während man Chávez bejubelte, will hier keiner sehen.

Tatsächlich genügt es in Porto Alegre die Augen offen zu halten, um das ganze Fiasko der Linksregierung zu begreifen. Nicht nur, dass in der Musterstadt der "partizipativen Demokratie" die Favelas für jeden vom Flughafen kommenden Besucher sichtbar aus allen Nähten platzen. Vom Taxifahrer bis zum Straßenverkäufer äußern sich alle enttäuscht bis wütend über Lula, der das Blaue vom Himmel versprochen hätte und nichts einzulösen in der Lage wäre. Konsequenterweise verlor die Arbeiterpartei (PT) auch die Stadtverwaltung des zu deutsch Glücklichen Hafens.

Schon um die Wahlen zu gewinnen, musste sich Lula das Plazet der brasilianischen Bourgeoisie und der internationalen Finanzinstitutionen einholen. Nun implementiert er die vom IWF diktierten Austeritätsprogramme. Einziger Unterschied zu seinem Vorgänger Cardoso: Es ist ihm bis dato gelungen die Gewerkschaften und Bauernorganisationen ruhig zu halten.

Paradigmatisch erscheint dabei die Landreform, auf die dutzende Millionen Landlose sehnlich warten. Um die Eigentumsrechte nicht anzutasten, versprach Lula großzügige Entschädigungen, die der knappe Staatshaushalt aber nicht zulässt. In der Folge trat die absurde Situation ein, dass es die Großgrundbesitzer sind, die die zügige Durchführung der Landreform einfordern, von der sie sich für schlechte Böden gutes Geld erhoffen.

Am Beispiel der PT zeigt sich, dass im Rahmen des kapitalistischen Weltsystems keine Verbesserung der Lage der Volksmassen geben kann. Ein radikaler Bruch ist notwendig, doch der zieht unweigerlich die Aggression der kapitalistischen Führungsmacht, der Vereinigten Staaten, nach sich. Die Bespiele Jugoslawien, Irak und zuletzt Venezuela sprechen eine deutliche Sprache.

Das ist nichts Neues. Neu ist indes die Radikalität der Aggression. "Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns" verkündete Bush und rief den permanenten Präventivkrieg gegen jegliche wirkliche und vermeintliche Opposition zum US-geführten Kapitalismus aus – eine Opposition, die vom globalen Medienapparat über einen Kamm scherend als terroristisch bezeichnet wird.

Darauf hat die Antiglobalisierungsbewegung mit dem WSF an ihrer Spitze keine Antwort. Mit ihrer linke Variante des Clintonianismus stieß sie sich an den ökonomischen Auswirkungen der Globalisierung, des entfesselten Liberalismus, setzte ihr aber nichts als eine Globalisierung von unten, also einen Liberalismus von unten, entgegen. "Global-Lokal" heißt entsprechend das Schlagwort der WSF-NGOs. Es handelt sich dabei um das Konzept des Komunitarismus, der die vereinzelten Individuen in lokale Interessengemeinschaften zusammenfassen will. Doch die Beziehung dieser untereinander bleibt der globale Markt. Der rote Faden all dieser Konzepte ist die Ausschaltung des Staates, der nationalen Souveränität. Nationalismus erscheint aus dieser Perspektive immer reaktionär, auch wenn er sich gegen die imperialen Zentren richtet. So verkündete der Guru der Bewegung, Toni Negri, dass das Imperium deterritorialisiert sei, kein Zentrum mehr habe. Das nicht nur von einigen Spinnern, sondern regierungsamtlich verfolgte Konzept des Amerikanischen Reiches musste die Bewegung also in ihren Grundfesten erschüttern.

Die nationale Souveränität und der Nationalstaat bleiben das einzige Instrument sich gegen das kapitalistische Imperium zu verteidigen, selbst im Rahmen des Systems. Es bleibt auch das einzig mögliche Forum von politischer Demokratie für die breiten Massen, das nicht Politik durch Markt ersetzt.

Will die Bewegung gegen Globalisierung und Krieg eine Perspektive haben, so muss sie mit der äquidistanten Haltung "Weder Krieg noch Terrorismus" brechen und sich auf die Seite des Widerstands der unterdrückten Völker gegen das US-Imperium stellen – zu aller vorderst des irakischen. Ein selbständiges Antiimperialistisches Forum als Alternative zum WSF und als Türöffner für eine antiimperialistische Front ist nicht nur notwendig, sondern auch möglich.

Willi Langthaler
Wien, 11. Februar 2005