Bildung statt Ausbildung

07.11.2009

Zu den Studierendenprotesten in Österreich

Gegen Sozialabbau
Die Besetzungen und Aktionen der Studierenden sind zu allererst eine Maßnahme der Selbstverteidigung. Mittelfristig droht die Wiedereinführung der Studiengebühren, kurzfristig Aufnahmsprüfungen und Studieneingangsphasen die ausschließlich der Auslese dienen. Auslese mit Methoden, die das Auswendiglernen von Telefonbüchern belohnen, während kritisches Denken keinen Raum mehr hat. Dazu kommen unerträgliche Bedingungen für den universitären Mittelbau. Während für Banken umfangreich Geld verteilt wird, werden Studienbedingungen immer prekärer. Es gibt ein Recht auf Notwehr, und die Verpflichtung freien Bildungszugang für Alle zu verteidigen.

Bildung statt Ausbildung
Aber es geht nicht nur um Geld. Es geht um das Zurückweisen einer Verwertungslogik, die das Bildungssystem stromlinienförmig an die Bedürfnisse der globalen Standortkonkurrenz anpassen soll. Seit der Aufklärung bedeutet Bildung die Fähigkeit der Gesellschaft über ihre Zukunft und Vergangenheit zu reflektieren und ihr Schicksal in die Hand zu nehmen. Die offizielle Bildungspolitik möchte Studierende die billiger und leistungsfähiger sind als die „Konkurrenz“ aus Südkorea, Indien oder Frankreich. Das Schicksal der Gesellschaft wird derweil in die Hände des Marktes gelegt.
Ganz gut dazu passen die immer autoritäreren Strukturen der Universität. In der Diktatur des Rektorats und der Professoren wird den Studierenden die Mitbestimmung über die Inhalte des Studiums entzogen, ein Lehrplan von oben verordnet.

Demokratisierung
Es ist das Recht der Studierenden ihr Studium selbst zu gestalten. Demokratisierung von Bildung darf aber nicht an den Grenzen der Universität halt machen – die als Institution letztlich immer der Reproduktion von Eliten dienen wird. Es gilt Universität durchlässig zu machen, den Elfenbeinturm tatsächlich zu verlassen, nur nicht in Richtung kapitalistischer Verwertung, sondern in Richtung umfassender Demokratisierung der Bildung und der Gesellschaft. Was nützt eine Demokratisierung des Studiums, wenn Lehramtsstudierende erst im 2. Abschnitt Schülerinnen und Schüler zu Gesicht bekommen? Wo sind deren Möglichkeiten der Mitsprache? Was ist das für eine Soziologie oder Wirtschaftswissenschaft, die Arbeitslosigkeit erforscht, aber dabei keine Arbeitslosen zu Wort kommen lässt? Und wo die Brauchbarkeit ihrer Ergebnisse nicht von Arbeitslosen hinterfragt werden kann?

Solidarität  
Die Bewegung der Studierenden hat in den letzten Wochen viel Solidarität erhalten, vieles echt, manches wohl geheuchelt, auf der Suche nach Wählerstimmen. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein harter Kampf bevorsteht, der letztlich viele Jahre, nicht ein paar Wochen, dauern wird. In den nächsten Jahren können wir ob der Budgetsituation mit gigantischen Sparpaketen rechnen. Und: Wer sich im Großen und Ganzen mit der Verwertungslogik abgefunden hat, wer meint, dass Bildung den Standort stärken soll, oder Wirtschaftswachstum bringen – der wird in Zeiten der fortschreitenden Wirtschaftskrise irgendwann Zugangsbeschränkungen oder Gebühren in Fächern wie Psychologie für sinnvoll halten. Aus seiner Logik sind sie sinnvoll.
Konsequent bedeutet auf der anderen Seite die Zurückweisung der Verwertbarkeit von Bildung auch das Zurückweisen einer Gesellschaft in der Verwertbarkeit und Profitmaximierung im Zentrum steht. Das bedeutet die Solidarität mit allen Opfern der Verwertungslogik. Das bedeutet aber auch den Kampf um Schritte zu einer gesellschaftlichen Transformation, um Spielräume der Demokratie, um das Ende der Globalisierung, die die (Standort-) Konkurrenz als Sachzwang verkündet. Und damit den Aufbau einer antikapitalistischen Opposition.