Obama: "Können Israel nicht ewig vom Angriff auf den Iran abhalten"

23.12.2009

Der Besuch Obamas in China am 17.12.09 schien in der Causa Iran nichts Neues zu bringen. Die USA forderten China zur Beteiligung an Sanktionen gegen Teheran auf, China verteidigte Irans Recht auf friedliche Nutzung der Kernenergie.

  Kriegsgefahr steigt
Doch hinter den Kulissen schien Obama auf den Tisch gehaut zu haben: „Irgendwann können wir Israel nicht mehr von einem Militärschlag gegen den Iran abhalten.“ Die Meldung stammt von der israelischen Zeitung Haaretz (1), die sich auf einen „anonym bleiben wollenden Beamten“ beruft, eine übliche Formulierung für die Diplomatie des Kleingedruckten.

Die Meldung stammt selbstverständlich von keinem unbeteiligten Beobachter, sondern reflektiert die israelisch-amerikanischen Interessen und ist daher nicht als bare Münze zu werten. Sie muss daher richtig gelesen werden. Betrachten wir den Kontext.

Bereits beim Amtsantritt Obamas warnten wir vor allzu großen Hoffnungen in eine Wende in der US-Außenpolitik. Einmal abgesehen von der afghanischen Eskalation bestätigt sich nun auch in Bezug auf den Iran, dass die sanfteren Töne und die erstmalige Bereitschaft zu direkten Verhandlungen seitens der USA nur taktische Winkelzüge sind, die dazu dienen, die „internationale Gemeinschaft“ hinter der Kriegsfront zu versammeln. Ein angloamerikanischer Alleingang wie seinerzeit gegen den Irak soll möglichst vermieden werden. Dabei geht es nicht so sehr um die westlichen Staaten. Diese verhalten sich gegenüber dem iranischen „Islamofaschismus“ päpstlicher als der Washingtoner Papst. Diesmal handelt es sich vor allem darum, China und Russland mit ins Boot für Sanktionen und eine schrittweise Eskalation zu bekommen, die in letzter Folge zu einem Regimewechsel in Teheran führen sollen (mit oder ohne Krieg).

Israel, mit ihm verbündete Kräfte und die US-Neokonservativen hielten und halten von diesen Maßnahmen wenig. Sie sind davon überzeugt, dass einzig und allein der Einsatz der überlegenen amerikanischen Militärmacht den Iran in die Knie zu zwingen und damit die totale globale Vorherrschaft der USA zu sichern vermag. Wir halten das für eine rationale Einschätzung, denn der Iran, der in den letzten Jahren einen deutlichen regionalen Machtzuwachs verbuchen konnte, hat keinen Anlass auf seine nukleare Machtprojektion zu verzichten. Auch wenn weder China und noch weniger Russland Interesse an einer iranischen Regionalmacht haben, so muss sie ihnen immer noch besser als die US-amerikanischen Bestrebungen  erscheinen, jeden multipolaren Ansatz im Keim zu ersticken.

Das US-Levitenlesen in China zeigt indes, wie wenig Obama und die Kriegstreiber einander entgegengesetzt sind. So groß in den USA selbst der Konflikt sein mag, so sehr wirken sie international komplementär. Obama schafft die politischen Voraussetzungen, während Israel als Rute im Fenster dient. Obamas Warnung ist also durchaus plausibel.

Dazu gibt es eine Studie des Washingtoner Think Tanks „Center for Strategic &; International Studies“ mit dem Namen „Study on a Possible Israeli Strike on Iran's Nuclear Development Facilities“(2) aus dem Frühjahr 2009, die zu dem Schluss kommt, dass ein israelischer Angriff zwar die Kapazitäten voll beanspruchen würde und risikoreich sei, aber durchaus möglich wäre.

Die Studie geht davon aus, dass die israelische Luftwaffe technologisch „greatly superior“ sowohl gegenüber dem Iran, also auch gegenüber jenen Staaten ist, deren Luftraum verletzt werden müsste. Die Luftraumüberwachung der feindlichen Staaten wird als so obsolet eingeschätzt, dass sie durch moderne Störverfahren außer Kraft gesetzt werden kann. Ohne den (geheimen) Ankauf moderner russischer Luftabwehrsysteme wird dem Iran keine Chance eingeräumt. Sollte der Iran überraschender Weise über solche Systeme verfügen, könnte „die Verlustrate bei 20-30% liegen. Beim Einsatz von ca. 90 Flugzeugen könnte das den Verlust von 20-30 Maschinen bedeuten, was kaum als akzeptabel angesehen würde.“

Als größtes Problem wird die Auftankung in der Luft genannt. Ohne den Ort dieser Auftankoperationen zu nennen, drängt sich angesichts der bevorzugten Flugroute entlang der syrisch-türkischen Grenze, der kurdische Nordirak auf.

Was die Panzerung der iranischen Nuklearanlagen betrifft, wird davon ausgegangen, dass konventionelle bunkerbrechende Munition aus amerikanischer Produktion ausreicht.

Das CSIS gilt nicht als neokonservativ, sondern als parteiübergreifend und kann dem Mainstream des Establishments zugeordnet werden.

Das vorgezeichnete Szenario spielt sich auf einer Ebene ab, auf der Israel und die USA ihre erdrückende militärtechnologische Überlegenheit voll ausspielen können. Welche politischen Auswirkungen so ein Schlag haben kann, ist damit noch nicht gesagt. Einer Demütigung für die Führung der Islamischen Republik käme es auf jeden Fall gleich. Ob es allerdings „regime change“ bewirken kann wie in Serbien, kann nicht a priori gesagt werden. Im Gegenteil könnte es auch die proimperialistische Opposition schwächen. Eine Invasion nach irakischem Vorbild, die einen Volkswiderstand möglich machen würde, scheint jedenfalls völlig undenkbar. Vorstellbar wären begrenzte Kommandoaktionen auf Seiten der willfährigen Kräfte im Falle eines offenen Machtkampfes.

Ein israelischer Militärschlag gegen den Iran steht unmittelbar sicher nicht bevor. Nun wird sich einmal das Karussell der Sanktionen drehen mitsamt der dazu notwendigen Diplomatie. Ob und wann Israel mit Duldung der USA zuschlägt, hängt von der Entwicklung dieses Prozesses sowie nicht zuletzt auch vom Fortgang des inneriranischen Konflikts ab.

Willi Langthaler
22.12.2009

(1) www.haaretz.com/hasen/spages/1135730.html
(2) http://csis.org/files/media/csis/pubs/090316_israelistrikeiran.pdf