Wen vertritt Abbas tatsächlich?

05.05.2005

Eine Reflexion der palästinensischen Wahlen

Im Jänner 2005 feierten nicht nur die westlichen Medien den "Wahlsieg" von Mahmoud Abbas (Abu Mazen). Der neue Vorsitzende der palästinensischen Autonomiebehörde (PNA) wurde als der Führer, der "neue Wege zum Frieden" öffnen würde, dargestellt. Tatsächlich zeigte Ariel Sharon Bereitschaft, die Verhandlungen mit der PNA wieder aufzunehmen. Die USA gratulierten dem "gewählten Präsidenten" zum Wahlsieg und zeigen sich ebenfalls bereit, neue Verhandlungen unter ihrer Schirmherrschaft zu unterstützen. Was bei den Verhandlungen angeboten wird, ist unklar und scheint nichts Neues zu beinhalten.
Es fragt sich auch, wie einer der bei der palästinensischen Bevölkerung verhasstesten Politiker, die nur unter dem Schutz Arafats leben konnten, zum "Präsidenten" gewählt wurde. Dass dann der zweitverhassteste, Ahmad Korei, die "Technokratenregierung" bilden durfte, ist nur eine logische Schlussfolgerung. Es empfiehlt sich, einige grundsätzliche Fragen zu stellen.

Wer hat gewählt?

Die PNA ist ein Konstrukt des Oslo-Abkommens und gilt als Vertretung der Bevölkerung im Westjordanland und Gaza-Streifen. Nur diese (und nur jene, die sich im Moment in den besetzten Gebieten aufhalten), sind wahlberechtigt. Neben den 2,5 Millionen Palästinenser aus den Gebieten, leben eine Million im heutigen "Israel" und weitere vier Millionen im Ausland. Diese sind nicht wahlberechtigt und werden theoretisch durch die PLO vertreten. In der palästinensischen Legislatur steht die PNA unter der PLO, gilt jedoch de facto als die palästinensische Regierung, nachdem Arafat die PLO nach 1993 eingefroren hatte. Wahlberechtigt war also höchstens ein Drittel der Palästinenser. Die Wahlbeteiligung selbst betrug 45%, von denen Abbas 62% erhielt. Sieht man von der Gültigkeit einer mehrheitlich boykottierten Wahl ab, ist mit einer einfachen Rechnung ersichtlich, dass Abbas 26% der Bevölkerung der besetzten Gebiete und knappe 10% der Palästinenser insgesamt vertritt.

Die PLO und der palästinensische "Sozialpakt"

Die PLO wurde im Jahr 1964 von den arabischen Staaten als eine formale Vertretung der Palästinenser gegründet. Bis zum Krieg von 1967 und der arabischen Niederlage blieb sie im Schatten des panarabischen Führung Nassers. Nach der Niederlage von Nasser im Krieg von 1967 und der Besetzung des Westjordanlands und Gazas stieg die Popularität der palästinensischen Guerillaorganisationen, die ein Jahr darauf die Mehrheit der Sitze im Nationalkongress übernahmen. Arafat wurde von diesem zum Vorsitzenden der PLO gewählt. Seit damals galt die PLO als eine Vertretung des palästinensischen Anspruchs auf die Befreiung des Landes. Die PLO-Nationalcharta galt als der "Sozialpakt" zwischen Volk und Führung, da Wahlen in den verschiedenen Aufenthaltsorten der Palästinenser praktisch unmöglich waren. In der Nationalcharta verpflichtet sich die PLO zur Befreiung des gesamten Palästinas und zur Ablehnung jeder politischen Lösung, die eine Anerkennung des Zionistenstaates in einem Teil Palästinas impliziert.

Die PLO konnte sich als die einzige Vertretung der Palästinenser nur deshalb behaupten, weil das Volk jede andere Führung ablehnte. Alle Versuche Israels und der arabischen Regime, eine akzeptable alternative Vertretung zu schaffen, sind kläglich gescheitert. 1972 erkannte die arabische Liga die PLO als "die einzige legitime Vertretung des palästinensischen Volks" an – ein Schritt, der später den Willen der arabischen Regime, sich von der Palästina-Frage zu distanzieren, zeigte. Die Befreiung Palästinas ist somit von einer Verpflichtung der arabischen Staaten zur Aufgabe der PLO geworden und die arabischen Staaten begnügten sich mit der formalen Unterstützung. Die palästinensische Bewegung, die damit ein Abkommen der arabischen Länder mit Israel auf Kosten der Palästinenser verhindern wollte, wurde zu politischen Konzessionen gezwungen und erleichterte den arabischen Regimes weitere Schritte in Richtung Israel. So konnte Ägypten 1979 ein Separatabkommen mit Israel unterzeichnen. Der Arabisch-Israelische Konflikt wurde zum Palästinensisch-Israelischen. Nach dem Oslo-Abkommen unterzeichnete Jordanien ein Friedensabkommen mit Israel. Danach nahmen weitere arabische Länder politische und wirtschaftliche Beziehungen mit Israel auf. Die Logik schien dem Motto zu folgen: "Man kann ja nicht palästinensischer als die Palästinenser selbst sein!"

1974 erhielt die PLO einen Beobachtersitz in der UNO und Arafat trat vor der Generalversammlung der UNO auf. Im Westen hing die Anerkennung der PLO ständig mit der Bereitschaft letzterer zusammen, Israel anzuerkennen und den bewaffneten Kampf einzustellen. Tatsächlich machte Arafats Führung schrittweise diese Konzessionen, aber solche Schritte der PLO waren nie mit Änderungen der Nationalcharta verbunden.
Die zweideutige Sprache Arafats machte es möglich, dass dieser seine Politik vor der Mehrheit der Bevölkerung als mit der Nationalcharta konform darstellen konnte. Das half ihm auch nach den aufeinanderfolgenden militärischen Niederlagen sein politisches Überleben zu sicher.

Das politische "Auferstehen aus der Asche" machte Arafat wiederum zum Symbol der Unsterblichkeit der Bewegung. Die Führung um Arafat spielte in diesem System so etwas eine "Vermittlerrolle" zwischen der Basis (dem Widerstand) und dem Westen. Für sie diente der Widerstand nur als ein taktisches Mittel, kleine Erfolge zu erreichen. Er wurde almähnlich zur Last für Arafats Vorhaben.

Arafats Popolarität hing direkt mit seinen gelegentlichen harten Positionen zusammen und drückte sich in den 80ern und 90ern in den diversen Wahlen an den Universitäten und den verschiedenen Verbänden aus, bei welchen Fatah und die islamische Opposition abwechselnd die Oberhand gewannen. Nichtsdestotrotz führten die laufenden politischen Konzessionen Arafats zur weiteren Schwächung seiner Popularität und zu wichtigen Spaltungen in seiner Organisation Fatah. Seit 1987 stellt Hamas die größte Herauforderung zu Fatah und daher zur PLO, wo Hamas ihre Teilnahme an grundlegende politische Reformen verknüpft, zu welcher die jetzige Führungsschicht nicht bereit ist. Seit dem Nationalkongress von 1988, auf dem die PLO-Führung den UNO-Beschluss 242 akzeptierte und dadurch den Zionistenstaat praktisch anerkannte, befand sie sich durch den deutlichen Bruch der Nationalcharta in einer Legislaturkrise. Diese wurde vertieft durch das Oslo-Abkommen von 1993, in dem sich die PLO zur Abschaffung der Nationalcharta verpflichtete. Die Konzession, einen Staat auf einem Teil des historischen Palästina zu erreichen, ließ sich in den 80er Jahren durch die Bekämpfung des von Israel vorgesehenen Autonomieplans in den Gebieten verkaufen. Die Massen im Westjordanland und Gaza hatten die Autonomiestrukturen boykottiert und deutlich gezeigt, dass ihre politische Adresse die PLO war. Nun präsentierte sich die PLO selbst als Träger dieser Autonomiebehörde, aber auch mit dem Versprechen eines baldigen souveränen Staates. Das Abkommen war das Ergebnis geheimer Verhandlungen. Dem Zentralkomitee der PLO wurde das Abkommen von Arafat erst vorgelegt, als es eine vollendete Tatsache war. Die Hälfte des Zentralkomitees trat aus Protest zurück.

1988 musste Arafat bei einer Pressekonferenz die Charta als "veraltet" bezeichnen. Im Frühling 1996 annullierte der Nationalkongress alle Paragraphen, die mit dem Abkommen von Oslo im Widerspruch stehen. Ein juristisches Komitee wurde beauftragt, eine neue Formulierung der Charta auszuarbeiten, was nie geschah.

Für Israel und die USA hatte die PLO nur noch eine Aufgabe zu erledigen, nämlich die Abschaffung der Nationalcharta (der Nationalkongress musste dies bei einer weiteren Sitzung und in Bill Clintons Anwesenheit bekräftigen). Die Abschaffung der Nationalcharta bedeutete auch die Auflösung des Sozialpaktes und gilt daher als das politische Ende der PLO. Das war auch das letzte Zusammentreffen des Nationalkongresses.

Danach wurde die PLO nunmehr zu einer Dekoration, an die Arafat die oppositionellen Organisationen (mit Ausnahme von Hamas und dem Islamischen Jihad) durch sterile Dialoge binden sollte. Alle Rufe nach Wiederbelebung und Reform der PLO-Strukturen wurden ignoriert und Arafat trat international als der Chef der PNA auf. Seine Legitimität behielt er aufgrund seiner Rolle als historische Kompromiss- und Symbolfigur und dank seiner internationalen Akzeptanz, solange er seine Aufgaben erfüllte, aber auch durch die Unfähigkeit der Opposition, sich auf ein Alternativprogramm zu einigen. Die Ernennung von Abbas zum PLO-Vorsitzenden als Nachfolger Arafats wurde vom Zentralkomitee getroffen. Es ist fraglich, ob sich der dekorative Nationalkongress je treffen wird, um dies zu ratifizieren.

Der Tod Arafats: Ende einer Ära

Der Tod Arafats wurde von vielen als das Ende einer Ära in der palästinensischen Politik bezeichnet. Nachdem Arafat bei Israel und den USA in Ungnade gefallen war, bedeutete sein Tod für sie neuen Wind für den "Friedensprozess". Man verdrängte bewusst die Tatsache, dass es die israelische Regierung war, die Arafat boykottierte und versuchte, ihn zu isolieren. Arafat ist jedoch in Ungnade gefallen, weil er in Camp David 2000 auf keine weiteren Grundrechte der Palästinenser verzichten konnte und weil er im Laufe der Intifada nicht in der Lage war, die im Oslo-Abkommen vorgesehene Polizistenrolle zu spielen. Dies insbesondere deshalb, weil sich Israel an seinen Teil des Abkommens nicht hielt.

Arafat war klar, dass er sich nicht total gegen den Widerstand in Palästina stellen konnte, denn dies hätte sein politisches Ende bedeutet. Er manövrierte gerade noch in seiner Vermittlerrolle und versuchte, der Ansprechpartner für die israelische Sicherheit zu bleiben. Er wurde jedoch von Sharons Politik in die Enge gedrängt. Einerseits wurde der PNA-Polizeiapparat bei den wiederholten israelischen Invasionen der Städte zerschlagen, andererseits rief die aggressive israelische Politik ständig bewaffnete Aktionen vor, und Arafat hätte bei repressivem Umgang mir den Volksorganisationen jede Glaubwürdigkeit verlieren können. Für die Palästinenser ist sein Tod auch das Ende einer Ära, nämlich die Ära der Kompromissperson. In der Fatah gibt es keine andere Figur, die Akzeptanz im gesamten heterogenen Fatah-Milieu genießt. Fatah besteht aus verschiedenen Cliquen und unterschiedlichen politischen Richtungen, die nur eine Person wie Arafat und nur unter starkem Druck von Außen vereinigen konnte. Alle anderen respektablen Führungsfiguren wurden im Laufe der Jahre von Israel ermordet oder von Arafat entfernt. Arafat machte sich zu einer unersetzlichen Person (bzw. er wurde dazu gemacht). Sowohl die "Pragmatischen" als auch die Radikalen der Fatah waren mit seiner Politik nicht einverstanden, erkannten aber seine Autorität an. Seine palästinensischen politischen Gegner konnten keine Alternative zu ihm aufstellen und dies konnten die Feinde auch nicht. Kein Palästinenser konnte sich die Situation nach dem Tod Arafats vorstellen. Man kritisierte ihn, fühlte sich aber sicher, weil der Mann mit der Koufiyya in seinem Büro lebt. Jeder wusste: Solange Arafat lebt, wird sich nichts ändern, weder zum Besseren noch zum Schlimmeren. Der Tod Arafats bedeutet eine neue Durchmischung der Karten und öffnet die Tür für große Veränderungen, für große Ängste und neue Hoffnungen, sowohl der Palästinenser als auch deren Feinde).
Dies war der Fatah bewusst. Es ging zunächst um die Einheit der Bewegung. Abbas wurde schleunigst und im kleinen alten Führungskreis zum Vorsitzenden gewählt. Die Basis wurden nicht gefragt und konnten nichts entgegen setzen, weil es um die Einheit ging. Die Opposition von Marwan Barghuti wurde schnell unterdrückt. Die Oslo-Linie in der Fatah hat die Oberhand behalten können, jedoch ist die Duldung dieser Linie innerhalb der Basisorganisation wackelig. Die Gelähmtheit der unsicheren Zeit nach Arafats Tod klingt langsam ab und neue – für Abbas ungünstige - Verhältnisse könnten sich einstellen, spätestens beim Generalkongress der Fatah im Juli.

Die palästinensische Opposition

Historisch war die palästinensische Bewegung in zwei Hauptlinien gespalten. Die erste, vertreten durch die PLO-Führung, sah die Lösung in einem Staat in einem Teil des Landes, der sich aus Verhandlungen unter internationaler Aufsicht und mit arabischer Unterstützung ergeben kann. Der bewaffnete Kampf war nötig, um als Gesprächpartner anerkannt zu werden, galt jedoch trotz zeitweise radikaler Rethorik nicht als strategische Entscheidung. Die zweite Linie, stark vertreten in der Basis der Fatah und in der palästinensischen Linken, betrachtete den bewaffneten Kampf als die einzige Strategie zur Befreiung Palästinas. Diese Linie wurde durch die islamische Bewegung (Hamas und der Islamische Jihad) bestärkt, aber auch durch die politische Praxis, die zeigte, dass Verhandlungen unter den gegebenen regionalen und internationalen Kraftverhältnissen keine gerechte Lösung bringen können. Die palästinensische Opposition konnte jedoch insgesamt keine politische Alternative zur PLO-Führung bringen. Die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) blieb immer ein Mitglied der PLO und begnügte sich damit, Arafats Politik zu kritisieren, ohne seine Führung in Frage zu stellen. Die islamische Bewegung stellte demokratische Reformen als Bedingung, um in die PLO einzutreten, wagte aber den Schritt nicht, eine Alternative zur PLO zu stellen. Weiters konnten sich die oppositionellen Organisationen bisher auf kein gemeinsames Programm einigen. Trotz dem wichtigen Potential der Widerstandskräfte, blieb die politische Entscheidung auf das Büro Arafats und den kleinen Kreis um ihn beschränkt. Der sogenannte nationale Dialog blieb in der Oslo-Logik gefangen und artete in eine mediale Farce aus.

Wahlboykott und strategische Fehler

Die Fatah-Führung stellte Abbas als Präsidentschaftskandidaten auf und bekräftigte ihre Haltung zur Oslo-Linie. Dies taten auch andere ehemalige linke Kleinorganisationen wie die Volkspartei (ehemalige Kommunistische Partei) und die DFLP (Demokratische Front zur Befreiung Palästinas). Anders verhielt sich die PFLP, die eine Kandidatur mit Reformen im Wahlsystem und gleichzeitigen Parlamentswahlen verknüpfte. Sie entschloss sich aber kurz vor den Wahlen plötzlich, den parteilosen Gegenkandidaten zu Abbas, Mustafa Barghuti, politisch zu unterstützen. Sie begründete dies mit der Unfähigkeit der linken Organisationen, einen gemeinsamen Kandidaten zu stellen. Barghuti war also das kleinere Übel. Er gewann tatsächlich 26% der Stimmen und verkündete die Gründung einer demokratischen Opposition. Es zeigte sich aber, dass Parteilose in einer kämpfenden Bevölkerung, wo die Organisationen ein wesentlicher Teil der Identität und der politischen Tradition sind, keine ernsthafte Basis gewinnen können.
Hamas forderte Gesamtreformen des palästinensischen politischen Systems und boykottierte die Wahlen. Von der Hamas-Führung kamen widersprüchliche Meldungen, die sich über Boykott, Kandidatur bis hin zur Wahlbeteiligung erstreckten. Der Islamische Jihad boykotierte die Wahlen grundsätzlich. Sein Sprecher bekräftigte die Haltung der Bewegung zur Widerstandslinie und lehnte jede Beteiligung an den Autonomiestrukturen ab.
Jeder wusste, dass Abbas der Favorit der USA und Israels war (während Barghuti angeblich seine Wahlkampagne mit europäischen Geldern finanzierte). Wenn es für die PNA-Führung bei den Wahlen darum ging, Abbas als Nachfolger Arafats eine Legitimität zu verschaffen, so wäre ein Wahlboykott eine wirksame Waffe der Opposition gegen die Oslo-Linie gewesen.
Die PFLP beging einen fatalen Fehler, bei einem Boykott der islamischen Kräfte Mustafa Barghuti zu unterstützen. Sie erhöhte damit nur die Wahlbeteiligung und verlor an Glaubwürdigkeit als radikale Opposition. Die PFLP-Führung bewies damit ein weiteres Mal, dass sie sich nie von der traditionellen palästinensischen Politik emanzipieren wird können.
Nicht besser ging es den islamischen Kräften, die zwar die Wahlen erfolgreich völlig boykottierten, jedoch die Führung von Abbas anerkannten, indem sie mit der PNA über einen einseitigen Waffenstillstand verhandelten. Keine Gruppierung der Opposition konnte sich als ein aktiver politischer Mitspieler behaupten. Zwar können die Parteien durch Widerstandsaktionen Druck ausüben, bleiben aber in der Defensive und verleihen dem Widerstand keinen politischen Ausdruck. Der erfolgreiche Wahlboykott konnte somit nicht politisch investiert werden.

Die "Technokratenregierung"

Der Leitspruch der Wahlkampagne von Abbas waren Reformen in der Politik und Verwaltung der Autonomiebehörde. Er versprach die Bekämpfung der Korruption und den Aufbau einer nach Institutionen untergliederten Behörde. Eine Regierung von Technokraten sollte gebildet werden, um bis zu den Parlamentswahlen im Sommer 2005 effizient zu regieren. Diese aber enthält fast alle bekannte korrupte Mitglieder der Gruppe um Arafat, die heute aber Arafat für alle Missstände verantwortlich machen. Alle Schlüsselpositionen blieben in den selben Händen. Das Londoner Treffen Anfang März mit Vertretern der EU, der USA und einiger arabischer Staaten lief unter dem Titel "Rehabilitierung" der PNA und legte die Aufgaben dieser Technokratenregierung fest: Bekämpfung des "Terrors" und Zerschlagung der Widerstandsorganisationen. Die weitere finanzielle und politische Unterstützung hängt von ihrem Erfolg bei dieser Aufgabe ab.

Die palästinensische Bewegung am Scheideweg

Die letzten Ereignisse in Palästina deuten auf einen radikalen Kurswechsel der meisten palästinensischen Organisationen hin. Obgleich in unterschiedlichem Ausmaß, hat sich die Oslo-Logik bei allen in den besetzten Gebieten operierenden Organisationen durchgesetzt. Die erfolgreiche Teilnahme von Hamas an den kommunalen Wahlen und ihre Bereitschaft, an Parlamentswahlen teilzunehmen, ist ein weiteres Indiz. Das Scheitern der künftigen Verhandlungen ist aufgrund der klaren israelischen Aussagen und das Fortsetzen der bisherigen zionistischen Politik (Landraub, Mauer, extralegale Hinrichtungen, Blockaden usw.) vorauszusehen. Dies wird die Bewegung vor die selben alten Fragen stellen. Die Entscheidung zwischen Kapitulation und Widerstand kann nicht ewig hinausgeschoben werden. Die Palästinenser haben gezeigt, dass sie sich nur durch jene Organisation vertreten lassen, die ihre Rechte am konsequentesten verfolgen. Das Volk ist seiner Führung mehrere Schritte voraus. Dies beweisen die kontinuierlichen Widerstandsaktionen. Der Widerstand im Irak und die mögliche Ausbreitung der Konfrontation im Falle einer US-Aggression auf Syrien öffnen die Türe für eine regionale Widerstandsbewegung.

Es liegt bei den jetzigen palästinensischen Organisationen, strategische Antworten auf strategische Fragen zu geben oder zu Auslaufmodellen im Museum der Geschichte zu werden. Im zweiten Fall wird der Widerstand seinen neuen Träger kreieren. Das Schicksal der Besatzung wird sich in der Praxis der Auseinandersetzung und nicht auf dem Verhandlungstisch entscheiden.

Mohammed Aburous
15. März 2005

Mohammed Aburous ist Vorsitzender des Arabischen Palästina Clubs in Wien.