Soziale Medien in Palästina

Blogger-Gründungsväter in Wien
Details
Date: 
Dienstag, 20. Mai 2014 - 19:00
City: 
Wien
Okaz, 4., Gußhausstr 14/3
Vortrag und Diskussion mit Muhannad Abu-Ghosh und Oraib Awad, Di, 20. Mai 2014, 19h, OKAZ

Die rasante Entwicklung der modernen „Social Media“ brachte auch in Palästina eine Wende in der politischen Artikulierung und den Organisationsformen. En Palästinenser in Gaza kann heute mit einem in Brasilien lebenden Exilpalästinenser über einen im Moment stattfindenden Protest der Beduinen in Negev (Naqab) diskutieren. Aktionen, ob real oder virtuell, wurden koordinierter. Die Zugänglichkeit der Information einerseits und die relative Freiheit der Meinungsäußerung andererseits rüttelten bald an den Mythen, zogen das Heilige ins Lächerliche und beschleunigten die politische Debatte. Das Resultat ist eine neue politische Bewegung, die sowohl für die israelischen und arabischen Opressoren als auch für die traditionellen palästinensischen Organisationen eine Herausforderung darstellen.

Aus den Internet-Foren am Anfang des Millenniums entstand die palästinensische Blogger-Bewegung um das Jahr 2004. Junge, meistens anonyme, vor allem linke Aktivist/innen stellten öffentlich politische Fragen, die seinerzeit an den politischen, gesellschaftlichen und religiösen Tabus gescheitert waren. In literarischer Hinsicht bot die Anonymität eine Möglichkeit, abgenützte politische und literarische Ausdrucksformen der palästinensischen Narrative zu parodieren, zu überholen und dadurch einen Ansatz für einen neuen literarischen Stil zu kreieren.

Als das Blogger-Phänomen in die „Social Media“ einmündete und dadurch versiegte, waren die neuen Netzwerke bereits vorhanden.

Mit seinem Blog „Wahad Iftiradi“ [arab. „Ein Virtueller“] gilt Muhannad Abu-Ghosh als der Gründer der palästinensischen Blogger-Bewegung. Der Blogger, Grafikdesigner und politischer Aktivist wurde 1976 in Jerusalem geboren. Er beteiligte sich an der ersten Intifada (1987-1993) sowie als Mitbegründer des linken Studentischen Pols der Universität Birzeit an der Protestbewegung in den Zeiten nach dem Oslo-Abkommen. Er wurde mehrmals sowohl von den israelischen als auch von den palästinensischen Behörden verhaftet.

Sein Blog reflektierte mal humoristisch mal analytisch, manchmal melancholisch diese Erfahrungen. Die mutigen, teils provokanten Fragestellungen regte viele Personen an, ebenfalls ihre Gedanken und Erfahrungen niederzuschreiben.

Oraib Awad zählt mit ihrem Blog, Naschas (Missklag), ebenfalls zu den palästinensischen Blogger/innen der ersten Stunde. Die Sozialarbeiterin und politische Aktivistin wurde 1978 in Dabouria nahe Nazareth geboren. In einem unkonventionellen literarischen Stil verbindet sie in ihrem Blog das individuelle und das kollektive Anliegen der Palästinenser im israelischen Staat mit politischer, gesellschaftlicher und vor allem feministischer Kritik „in den eigenen Reihen“.

Abu-Ghosh und Awad leben heute in Haifa und sind Aktivisten in der Bewegung für einen säkularen demokratischen Staat in ganz Palästina. Für Schlagzeiten sorgte 2011 ein Straßenhungerstreik in Solidarität mit den palästinensischen Gefangenen.

Interview in Junge Welt:
www.ag-friedensforschung.de/regionen/Israel/hungerstreik6.html

Abu-Gosh wird im Anschluss an seine Teilnahme an der Konferenz für einen demokratischen Staat in Palästina, die von 17 bis 19 Mai in Zürich stattfindet, Wien besuchen.