Der medial-militärisch-industrielle Komplex

Campaign: 
19.01.2019
Zeuge
von Walter Baier, Hg. der Volksstimme und Bundesvorsitzender der KPÖ

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Ich bin als Herausgeber der “Volksstimme” als Zeuge aufgerufen, und dies vor allem deshalb, weil die “Volksstimme” das einzige größere österreichische Medium gewesen ist (Größe ist hier durchaus in einem relativen Sinn zu verstehen), das gegen den Krieg in Jugoslawien geschrieben hat. Wir haben etwa als erste den “Annex B” des Vertrages von Rambouillet in seinem vollen Wortlaut veröffentlicht. Das führte auch dazu, daß hunderte Personen in der Redaktion die fotokopierte Ausgabe des kompletten Vertrages angefordert und von uns geschickt bekommen haben. Die “Volksstimme” war auch das erste österreichische Medium, das anhand einer Untersuchung des deutschen Universitätsprofessors Dr. Knut Krusewitz über die ökologischen Auswirkungen der NATO-Bombardements insbesondere der Raffinerien von Novisad und der Umgebung von Beograd berichtet hat. Das hat wiederum zur Folge gehabt, daß innerhalb von wenigen Tagen die Redaktion mit einer Fülle von Manuskripten “überschwemmt” worden ist. Autoren wie Kurt Palm, Klaus Heidegger, Hannes Hofbauer, Gerhard Ruiss, Dietrich Kittner, und viele andere übermittelten Beiträge. Man muß das auch als ein Indiz dafür werten, daß zwischen der öffentlichen Meinung und der veröffentlichten, ja der veröffentlichbaren Meinung in Österreich vom ersten Tag des Krieg an ein gewaltiger Abstand bestanden hat.

 

Spricht man über die Rolle der österreichischen Medien im Jugoslawien-Krieg, so kann das nicht getrennt werden von der Rolle der Intellektuellen während des Krieges. Auch hier meine ich, daß wir uns von der veröffentlichten bzw. veröffentlichbaren Meinung nicht den Blick auf wesentliche und wichtige Tatsachen verstellen lassen sollen. Es hat beispielsweise Peter Handke, einer der berühmtesten österreichischen Autoren als erster und am leidenschaftlichsten gegen den - damals noch bevorstehenden - Krieg in Jugoslawien gesprochen. Nach seinem Essay “Gerechtigkeit nach Serbien” mußte er die Erfahrung machen, in welcher Art die Verteidiger von Demokratie und Kultur mit allfälligen Kritikern umspringen. Wenn ich über österreichische Intellektuelle rede, so möchte ich auch Johann Kresnik, Alfred Hrdlicka und Eva Brenner nennen, die schon in den ersten Tagen gegen den Krieg gesprochen haben. Eva Brenner ist heute anwesend beim Tribunal. Johann Kresniks Inszenierung von “Die letzten Tage der Menschheit”, die während der Bombenangriffe Premiere hatten, wird dieser Tage vom Fernsehsender 3sat ausgestrahlt.

Ich werde im folgenden keine medienpolitische Analyse des Evidenten geben. Dazu fehlt mir die fachwissenschaftliche Voraussetzung. Summarisch ist zu sagen, daß die Berichterstattung der großen österreichischen Medien, der öffentlich-rechtlichen nicht weniger als der privaten, der Printmedien wie der elektronischen von allem Anfang an selektiv war. Sie kannte ausschließlich serbische Täter und kosovarische Opfer. Villeicht gab es in den ersten Tagen einige Schwankungen, aber ab dem 29. März schienen die Medien in einzigartiger Weise im Sinne einer Parteinahme für die NATO und die US-geführte Aggression gegen Jugoslawien gleichgeschaltet.

 

Es gibt einen - und das ist selten, daß man das so im einzelnen vorstellen kann - programmatischen Artikel des ehemals linken Journalisten Georg Hofmann-Ostenhof im “profil”, vom 29. März 1999, in dem unter dem Titel “Eine Bombenmoral”, (welch außerordentlich einprägsamer Titel) eine ultimative Rechtfertigung des Kriegs des Westens gegen Slobodan Milosevic gegeben wird. Zunächst wird eine Frage rhetorisch aufgeworfen: Stecken hinter Kriegen immer nur schmutzige Motive und schnöde Interessen? Und schließlich gelangt der Autor zu einer wie er meint, zwingenden Schlußfolgerung:” Um es klar zu sagen, die Begründung die Bill Clinton, die NATO und ihre Generäle für die Luftangriffe auf dem Balkan geben, klingt glaubwürdiger und plausibler als alle Verdächtigungen der moralisierenden Kriegsgegner.” Damit war die Grundllinie der großen österreichischen Medien im Jugoslawienkrieg eingenommen. Natürlich wurde das mediale Kräfteverhältnis auch durch die Stellungnahme signifikanter Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens geprägt. Mir ist ein Anliegen in diesem Zusammenhang die Stellungnahme von Elfriede Jelinek wörtlich wiederzugeben. Sie schrieb am 26. März 1999: “Ich bin schockiert über diesen Krieg, aber jedes Wort ist natürlich billig, wenn man selber im Trockenen sitzt und auch seine Schäfchen dort beisammen hat, es kostet nichts. Problematisch ist eine Militäraktion ohne UNO-Mandat grundsätzlich immer und ich bin auch ebenso grundsätzlich dagegen.” Schließlich folgert sie: “Die Lösung wäre vielleicht, wenn das Wort nicht durch die Nationalsozialisten so in Verruf wäre, ein Protektorat, bei dem sich auch Rußland beteiligen müßte. Eine Konförderation der Teilstaaten plus autonomes Kosovo, über die die NATO-Mächte, die Neutralen und Rußland für einen bestimmten Zeitraum gemeinsam das Protektorat übernehmen würden, bis die betreffenden Länder gesund gemacht worden sind.” Ich möchte dies jetzt keiner sprachkritischen Untersuchung unterziehen. Was etwa heißt “gesund gemachte Länder”?

 

Ich möchte aber sagen, daß man nicht unterstellen soll, daß Elfriede Jelinek den Krieg der NATO gegen Jugoslawien befürwortet hat. Was sich aber an diesem Zitat auch zeigt ist, wie ein Schock und wie Verzweiflung mitunter zu politischen Schlüssen verführen können, die sich nur wenige Monate später, etwa unter dem Blickwinkel des österreichischen Wahlergebnisses vom 3. Oktober, oder auch des Krieges in Tschetschenien, als Fehler herausstellen.

 

Die unobjektive einseitige Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien bestand nicht allein nur in der selektiven Darstellung, sondern auch in der vollständigen Übernahme der Sprachregelungen der berüchtigen NATO-Briefings. So avancierte die UCK innerhalb eines kurzen Zeitraums von nur wenigen Wochen von einer “Terrorgruppe”, etwa vom Status der ETA, zu “Freischärlern” und schließlich zur “Kosovo-Befreiungsarmee” die ungefähr so wie die PLO demnächst als allgemein berechtigt betrachtet wird, einen eigenen Staat selbst verwalten.

 

Natürlich muß man nun einfügen, daß es innerhalb der gleichgeschalteten Berichterstattung  immer wieder auch Ausnahmen und dissidente Meinungen gegeben hat. Aber ich meine, daß diejenigen, die in den Medien stehen und in diesen Tagen gegen den Krieg in den Medien agiert haben, sich die Tatsache vor Augen halten sollen, daß die Ausnahmen in diesem Fall nicht nur die Regel bestätigen, sondern ein Teil der Regel sind. Unabhängig vom Wollen des Einzelnen wird durch das ausnahmsweise und selektive Zitieren einiger abweichender Meinungen, wenn möglich in karikierender Form der Eindruck von Pluralität, ja eines Diskurses erweckt, der aber kein Diskurs ist und sein kann, weil er von dem Eindruck der bunten Bilder die tagtäglich über die Bildschirme flimmern erdrückt wird. Dissidenz hat unter diesen Bedingungen auch zur Folge, das macht nicht nur der Jugoslawien-Krieg bewußt, daß sich der Informationstotalitarismus, der keinen Einspruch und keinen Widerspruch duldet, zumindest teilweise bestätigt.

 

Kolleginnen aus dem ORF, die der offiziellen Meinung gegenhalten wollten, haben erzählt wie in den ersten Tagen des Bombardements mittels der bunten bewegten Bilder von nicht enden wollenden Flüchtlingskolonnen (von manchen hat sich später herausgestellt, daß sie ganz andere Flüchtlinge zeigten, serbische Vertriebene aus der Krajina) moralischer Druck erzeugt wurde, der jeden hausinternen Widerstand plattgemacht hat.

 

Man könnte angesichts solcher Tatsachen beispielsweise das Rundfunkgesetz geltend machen. Es heißt in diesem Gesetz im § 2, Abs. 1, zum Programmauftrag des “Österreichischen Rundfunks” wörtlich: “Es ist die Aufgabe des ORF die umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen durch objektive Auswahl und Vermittlung von Nachrichten und Reportagen einschließlich der Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzgebenden Organe sicher zu stellen.” Es ist die Pflicht “die Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren und Standpunkten” und es gehört zu den Aufgaben des ORF, eigene Kommentare und Sachanalysen unter der Wahrung des Grundsatzes der Objektivität vorzunehmen.” Beispiele über Beispiele lassen sich finden, wie das Objektivitätsgebot des Rundfunkgesetzes gebrochen worden ist.

 

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit nun noch auf einen anderen und in der bisherigen Diskussion vernachlässigten Aspekt lenken. Monate bevor von einem nigerianischen Drogenkartell die Rede gewesen ist, lief die Berichterstattung der österreichischen Medien auf die Diskriminierung und auf die Ausgrenzung eines beträchtlichen Teils der in Österreich lebenden Menschen hinaus. Am 3. Mai 1999 konnte man in einem Kommentar von Richard Nimmerrichter alias “Staberl” in der “Neue Kronen-Zeitung” lesen: Serben hätten auf dem Wiener Zentralfriedhof singend und johlend das orthodoxe Osterfest gefeiert. “Gleichzeitig ist der Stephansplatz schon vor dem Jugokrieg Schauplatz ausländischer Aktivisten gewesen, so daß man als Einheimischer zur Meinung gelangen konnte, das dies so massiv geschehe, das man keinen Fuß mehr vor den anderen setzen könne”, schildert der Kolumnist dramatsiche Zustände in Wien.

 

Vielleicht ist es für die nichtösterreichischen Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Konferenz notwendig anzumerken, daß unbotmäßiges Verhalten auf Friedhöfen in Österreich fast so schwerwiegend wirkt wie das Vergiften von Tauben. Auf jeden Fall aber als ein gravierenderer Verstoß gilt die täglich stattfindende Mißhandlung von Frauen und Kindern in den Familien.

 

Es geht aber nicht nur um den Kommentar des Herrn Richard Nimmerichter, sondern um die offensichtlich kalkulierte Wirkung, die sich in den folgenden Tagen in den Leserbriefspalten der “Neuen Kronen-Zeitung” beispielsweise so las:”Warum verhängt die Regierung kein generelles Demonstrationsverbot? Warum schickt man nicht alle daran teilnehmenden Personen nach Belgrad? .... Solche Rabauken gehören umgehend abgeschoben.” Oder ein anderer Leserbriefautor zitierte mit dem Satz: “Horch der Wilde klopft schon an den Mauern”, sogar Friedrich Schiller.

 

Das ist natürlich in seiner Dumpfheit und in seiner Blödheit schwer zu überbieten. Mir scheint es trotzdem wichtig, auf gerade jenen Aspekt aufmerksam zu machen, den Alfred Hrdlicka bei Gelegenheit eines Interviews mit “News” herausgearbeitet hat, der aber der Zensur im Hause Fellner zum Opfer gefallen ist: “Der Krieg in Jugoslawien und gegen Jugoslawien”, meinte der Künstler, “war die massivste rassistische Kampagne die Österreich in den letzten Jahren erfahren hat.” Antirassismus müsse, so meine auch ich, sich daher auch gerade in dieser Frage bewahrheiten.

 

Ich möchte abschließend die Frage aufwerfen, wer könnte und wer sollte bei solcher Faktenlage angeklagt werden. Soweit es die öffentlich-rechtlichen Medien betrifft, bietet - wie aufgeführt - das Rundfunkgesetz eine rechtliche Grundlage. Soweit es die privatrechtlichen Medien betrifft, stellen die Tatbestände der Verhetzung und Neutralitätsgefährdung im StGB einschlägige Grundlagen für juristische Verfolgung dar. Aber als Vorsitzender einer politischen Partei, der KPÖ,  möchte ich sagen, daß es darüber hinaus und vor allem um eine Anklage im gesellschaftspolitischen Sinn gehen muß. Es geht um die Anklage des sich in den letzten Jahren herausgebildeten medial-militärisch-industriellen Komplex. Es geht darum, wie Zoran Stojanovic gemeint hat, darum, der international organisierten Kriminalität der Mächtigen entgegen zu treten und damit dem kapitalistischen und patriachalen System. Es geht darum, alternative Möglichkeiten herauszufinden, die uns gemeinsam instand setzen, die Machthaber an ihren Verbrechen zu hindern.

 

Aus US-amerikanischen TV-Serien weiß ich nun, daß an dieser Stelle der Anwalt, der Gegenseite zwischenrufen würde, “Einspruch: für das Verfahren irrelevant” und der Richter würde ihm vielleicht sogar Recht geben. Trotzdem möchte ich diese prinzipiellen Anmerkungen am Schluß gemacht haben, und darum ersuchen, sie bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen, allerdings nicht als milderndene Umstände.