Russische Wahnvorstellung von einem Großreich?

18.03.2023
von Wilhelm Langthaler
Es gibt gute Gründe die militärische Eskalation des seit 2014 andauernden (Bürger)kriegs durch Russland zu kritisieren.
Die Präsidentenwahlen in der Ukraine 2010 geben ein Bild über die Kräfteverhältnisse

Wir haben das immer wieder gemacht: Aber nicht wegen „brutaler Wahnvorstellungen von einem Großreich“, wie allenthalben unterstellt wird. Die Unteerstellung bedient das westliche Kriegsnarrativ und verdeckt die Kriegsursachen. Der Krieg hat nichts mit russischen Expansionsgelüsten zu tun. Eigentlich ist das Gegenteil der Fall!

Die Ukraine als Nation und auch in seiner Ausdehnung ist durch die Sowjetunion entstanden. Ohne Sowjetunion wäre die Bildung einer ukrainischen Staatlichkeit unwahrscheinlich gewesen, es sei denn unter der Protektion Deutschlands, was ja tatsächlich nach dem Ersten Weltkrieg im Raum stand. Doch zwischen den ukrainischen Nationalisten einerseits und den Bolschewiki andererseits wählten die ukrainischen Bauern die Roten, weil sie von ihnen das Land bekamen, während die Nationalisten sozialkonservativ waren und den Großgrundbesitz aufrechterhalten wollten – genauso wie ihre deutschen Hintermänner.

„Neurussland“ (heute der Süden und Osten der Ukraine, russisch besiedelt im 18. Jahrhundert) wurde im Rahmen der UdSSR der Ukraine zugeschlagen, obwohl stark russisch geprägt, weil es ja um die Gemeinsamkeit von Russen und Ukrainern ging, eben in Form einer Sowjetukraine. Nach dem 2. Weltkrieg gliederte Chruschtschow 1954 die Krim aus symbolischen Gründen ebenfalls der Ukraine an. Das wird heute vom Kreml bekrittelt und als historischer Fehler bezeichnet. Ich finde es auch retrospektiv richtig und wichtig als vertrauensbildende Maßnahme im politischen Kampf gegen den rechten ukrainischen Nationalismus des Nazi-Kollaborateurs Bandera, der noch Jahre nach Kriegsende bewaffnete Untergrundaktionen durchführte.

Die Ukraine wurde zwar 1991 unabhängig, aber sie blieb de facto neutral und sie erlaubte die Koexistenz der ukrainischen Nationalisten mit Prorussen, die trotz ihrer Haltung deswegen nicht antiukrainisch eingestellt waren. Aber die Rechtsnationalisten haben diesen Gesellschaftsvertrag 2014 aufgekündigt und damit de facto Gebiete annektiert, nicht nur russische, sondern auch sowjetische. Denn der Donbass ist politisch und kulturell ursowjetisch. Tatsächlich waren sie es, die das Land geteilt haben.

Der Maidan hat seine exklusive Herrschaft gegen alles Russische errichtet und damit einen Bürgerkrieg provoziert. Der Donbass und Neurussland reagierten, sie setzten sich zur Wehr. Der Donbass hat (mit Abstrichen) gewonnen, Neurussland verloren. Der Kreml wollte die Ukraine (mit Ausnahme der Krim) belassen wie sie war. Er wurde von der Donbass-Bevölkerung zur Hilfestellung, zur Intervention aufgefordert. Dieses Gesuch wurde von der russischen Bevölkerung positiv aufgenommen, von den Eliten aber nicht. Als die Donbass-Aufständischen sich als militärisch erfolgreich erwiesen nicht zuletzt durch die Unterstützung der lokalen Bevölkerung, wurden sie von Russland gestoppt und der Minsker Frieden unterschrieben. Das Abkommen sah einen Föderalismus im Rahmen der Ukraine vor. Der Kreml hat sich gegen die Wünsche der prorussischen oder russischen Bevölkerung gestellt, um den Westen nicht zu provozieren. Er hoffte mit einer starken Autonomie den Konflikt befrieden zu können.

Die ukrainischen Nationalisten und die Nato akzeptierten das nur in einem Moment der äußersten Schwäche – mit dem festen Ziel den demokratischen und föderalen Inhalt der Verträge in der Folge zu missachten und den Krieg gegen den Donbass und Russland vorzubereiten.

Russland wollte vor allem die Nato nicht an der Grenze stehen haben, genauso wie das atomare Dispositiv der USA, das immer bedrohlicher gegen die RF in Stellung gebracht wurde. Das hat mit imperialen Ambitionen nichts zu tun. In einem gewissen Sinn handelt Russland sogar antiimperialistisch. Denn es geht letztlich darum, die exklusiven Vorrechte des US-Empires zu beschränken.

Dass ihre Argumente großrussisch sind, steht auf einem anderen Blatt, genauso wie die militärisch-geopolitische Logik, mit der der Kreml vorgeht. Beides sind Gründe für die politisch-militärischen Schwierigkeiten Russlands und für das politische Erstarken des Banderismus, das der Nato erst diesen „imperialistischen Volkskrieg“ gegen Russland zu führen ermöglicht.

Verweise