Islam als willkommenes Feindbild

Auf der Suche nach demokratischen Antworten
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Date: 
Dienstag, 20. Januar 2015 - 19:00
City: 
Wien
Österreichisch-Arabisches Kulturzentrum (Okaz) 4., Gußhausstr 14/3
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Die Köpfungsvideos sind der absolute PR-Renner – für beide Seiten. Hier eine von den Medien befeuerte Islamfeindlichkeit, die den Westen über alle Lager, von links bis rechts, von den Opfern bis zu den Gewinnern der Globalisierung, gegen einen gemeinsamen Feind eint. Dort eine ebenso identitäre Mobilisierung für einen oder gar den Islamischen Staat als Alternative zum westlichen Herrschaftssystem, die auch bei uns immer mehr Unterstützer findet, insbesondere bei den muslimischen Unterschichten.

* Helmut Dahmer, Soziologe, der Marxismus mit Psychoanalyse zu verbinden und die (anti)islamische Mobilisierung unter diesem Blickwinkel zu fassen versucht

* Imad Garbaya, demokratischer und antiimperialistischer Aktivist tunesischer Herkunft, Mitglied des Österreichisch-Arabischen Kulturzentrums und Verfechter eines selbständigen arabischen Laizismus

* Amir Zaidan, Übersetzer des Korans ins Deutsche und Direktor des Islamischen Religionspädagogischen Instituts der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich

* Waseem Haddad, Religionswissenschaftler syrischer Herkunft an der evangelisch-theologischen Fakultät Wien

Moderation: Wilhelm Langthaler

Die islamfeindliche Stimmung führt zur zunehmenden Gleichsetzung von Islam = Jihadismus = Terrorismus. Selbst staatliche Institutionen sind nicht davor gefeit dem Vorschub zu leisten. Der als liberal geltende Minister Kurz will eine Übersetzung des Korans amtlich verordnen, als wäre diese Heilige Schrift, auf die sich alle Muslime beziehen, das Problem. Nicht nur, dass er damit die Freiheit des Glaubens in Frage stellt, sondern er provoziert richtiggehend, denn der Koran gilt den Gläubigen als „ungeschaffenes Wort Gottes“, dessen Kontrolle er sich im Namen des Staates anmaßt.

Kurz steht damit ganz in der Tradition der katholischen Symbiose von Kirche und Staat, fast als wolle er einen Staatsislam gründen. Er perpetuiert, was dem Muslimen zur Vorwurf gemacht wird: die fehlende Trennung von Staat und (institutionalisiertem) Glauben.
Rund eine halbe Million Menschen in Österreich stehen so unter kollektivem Verdacht. Die de facto geringeren Chancen angesichts ihrer niedrigen sozialen Stellung werden durch den kulturell-identitären Ausschluss nochmals verstärkt – mit der self-fullfilling profecy eine Parallelgesellschaft zu bilden.

Es ist offensichtlich, dass es einen Zusammenhang mit den politischen Verhältnissen im Nahen Osten gibt: der alte Kolonialismus mit seinen Hinterlassenschaften wie der Besetzung Palästinas, das Scheitern des Arabischen Frühlings, der konfessionelle Konflikt, der soziale Niedergangs angesichts der Globalisierung etc.

Nicht nur aus geopolitischen Gründen und der Millionen von neuen Kriegsflüchtlingen, die an Europas Tore klopfen, sondern auch wegen der strukturellen sozialen Differenz, die nicht anders als Zuwanderung produziert kann, reicht dieser Konflikt bis tief in die österreichische Politik. Er trifft auf eine Gesellschaft, die sich mit Migration sehr schwer tut.

• Rechtfertigt das reale oder vermeintliche Bedrohungsszenario Einschränkungen der Bürgerrechte, insbesondere der Meinungs- und Religionsfreiheit?

• Warum ist der Bedarf nach einem Feindbild so groß und wieso fällt die Wahl so selbstverständlich auf den Islam?

• Und umgekehrt: wie erklärt sich der millenaristische Drang nach einer gänzlich anderen Welt, nach einem Kalifat?

• Wie sehr steht die Islamophobie in Kontinuität der Schablonen des Kalten Krieges und gar des Antisemitismus?

• Imperiales Politikversagen in Nahost? Welchen Beitrag leistete der Westen zum Konflikt und was kann er zu dessen Lösung beitragen?

• Wie kann eine demokratische Kritik am Politischen Islam aussehen ohne Herrschaftsapologie zu werden?