Ewald Nowotny: Der Bock als Gärtner

20.03.2014
Von A.F.Reiterer
Wie ein österreichischer Sozialdemokrat Karriere macht und die Hypo Alpen-Adria rettet

Wer beim BAWAG-Desaster verloren hat, wissen wir ziemlich genau: An erster Stelle waren es die Gewerkschaften; dann die österreichische Bevölkerung; ein wenig auch speziell die Angestellten der BAWAG.

Und wer hat gewonnen? An erster Stelle der jetzige Eigentümer Cerberus Capital Manage­ment, dem man die Bank in den Rachen geworfen hat. Durch die Schwächung der Gewerk­schaften hat möglicherweise auch das österreichische Kapital etwas gewonnen. Die ÖVP bildete sich eine Zeitlang ein, da auch politisches Kleingeld machen zu können..

Und ganz sicher gewonnen hat Ewald Nowotny.

Nowotny war stets unauffälliger Professor der Ökonomie in Linz, frühzeitig, bereits mit 29 Jahren. Sucht man nach Publikationen von ihm vorher, so muss man sehr gründlich suchen, bis man was findet. 1978 zog er in den Nationalrat ein. Seit damals dürfte sein Ehrgeiz bereits auf die Nationalbank gerichtet gewesen sein. Zur Entschädigung wäre er auch bereit gewesen, den Finanzminister zu spielen. Aber beides wird er nicht. Stets wird ihm als Finanzminister wer vorgezogen. Die Parteifreunde scheinen ihm nicht wirklich zu trauen. Und der ÖNB-Präsident ist fest in schwarzer Hand.

Aber die EU hilft. Die Regierung schickt ihn schließlich als Vizepräsident nach Luxemburg zur EIB (Europäische Investitionsbank). Und das erweist sich als ein Durchbruch. Denn die ÖVP verhindert zwar einige Jahre später seine Verlängerung dort. Nun aber gilt Nowotny als Praktiker. Er wird Generaldirektor der BAWAG.

Und lässt den Skandal auf eine Art platzen, welche die Gewerkschaft um ihre Bank bringt und der ÖVP zu einem Wahlkampf-Argument verhilft. Damit hat er auch für diese Partei seine Verlässlichkeit erwiesen. Er darf ÖNB-"Gouverneur" werden.

Heute bedankt er sich bei seinen mittlerweile vielen Freunden. Er setzt bei und mit seinem Kumpel Faymann die "Anstaltslösung" durch. Die kostet den österreichischen Staat besonders viel, schont aber alle Spekulanten, die sich auf dem Internet auch schon bei ihm bedanken ("Was soll ich mit dem vielen Geld machen?"). Das einzige Argument dafür ist jene fiktive und durch nichts zu belegende Aussage: "Wir müssen auf den Ruf des Finanzplatzes achten." Der unsägliche Vizekanzler aber tat so, als ob er für die Insolvenz wäre, die u. a. Raiffeisen getroffen hätte. Nebenbei lachte er sich ins Fäustchen, dass die SPÖ ihm die Drecksarbeit für die Finanzhaie abnahm.

Damit wären wir bei der Hypo.

Als 2007 / 2008 die irische Bankenkrise von der damaligen Regierung in eine schwere Staats-und Wirtschaftskrise umgewandelt wurde, die das Land um Jahrzehnte zurück warf, kam der Rest der Welt aus dem Kopfschütteln und dem Entsetzen nicht heraus. Heute macht die österreichische Bundesregierung dasselbe. Glücklicherweise ist die Größenordnung nicht so katastrophal. Aber das kann vielleicht noch werden...

Nachdem also SPÖ-Politiker 2000 erst die Bank Burgenland verjankerten, dann 2007 mit tat­kräftiger Mithilfe Nowotnys die BAWAG, dann 2008 die Kommunalkredit unter der Finanz­chefin Claudia Schmied, erhält man den Eindruck: Um in der SPÖ einen Spitzenjob zu krie­gen, muss man eine Bank verjuxen. Anders lässt sich offenbar das Anforderungsprofil nicht erfüllen. Hundsdorfer hat ja schließlich auch brav genickt, als die BAWAG verpfändet wurde – später hat er dann gesagt: Aber ich wusste doch nicht, was ich da tat!

Aber das ist nicht Alles. Die Bank Austria wurde 1997 bis 2001 in einem völlig undurchsicht­igen Prozess verkauft. Finanzstadträte waren damals Rudolf Edlinger und als seine Nachfol­gerin die berüchtigte Brigitte Ederer. Es bestand nicht die geringste Notwendigkeit dafür, und um ein Haar wäre auch diese Bank den Bach hinab gegangen.

Das klingt Alles ganz anekdotisch. Dummerweise ist das blutiger Ernst für viele Österrei­cher/innen, die nicht auf die Butterseite gefallen sind. Und es gibt dazu Einiges zu sagen, was sowohl über den Charakter der SPÖ al auch, viel wichtiger, unserer Gesellschaft viel aussagt.

1983 erlitt Kreisky eine Wahlniederlage, die ihn knapp unter die absolute Mehrheit drückte. Wie angekündigt, wurde Sinowatz Kanzler und stützte sich dabei auf die Steger-FPÖ, die sich liberal gerierte. Dieser Burgenländerwitz, wie damals bösartig, aber realistisch gescherzt wur­de, führte schnell zu massiven Popularitäts-Verlusten der Regierung. Sinowatz war seit je von der Kronen-Zeitung abhängig. Er glaubte, sich durch einen Politikwechsel retten zu können, dessen Tragweite er ganz offensichtlich nicht abschätzen konnte. Im Außenministerium wurde Lanc durch Gratz ersetzt. In Bälde wird Vranitzky als Finanzminister die neoliberale Wende vollziehen. Mittlerweile hatte sich die ÖVP auf eine EG-Mitgliedschaft festgelegt. Bei den Wahlen 1986 gelang es der SPÖ trotz schwerer Niederlage, einen knappen Vorsprung vor der ÖVP zu retten. Diese Art von "Wahlsiegen" hat sich bis in die Gegenwart fortgesetzt, und die SPÖ ist mittlerweile bei der Hälfte der Stimmen von 1983 angelangt.

Auch die SPÖ orientierte sich nun auf die EG, und im Gegensatz zu Sinowatz dürfte der Bankdirektor Vranitzky gewusst haben, was er tat. Lacina wurde Finanzminister und führte, gedeckt von seinem innerparteilichen Ruf als "Linker", die am weitesten rechts stehende Finanzpolitik der Zweiten Republik durch: Die Körperschaftssteuer wurde halbiert, die Ein­kommenssteuer für hohe Einkommen drastisch gesenkt, die Privatisierungen weiter getrieben und die Verstaatlichte zerschlagen. In der EG war man nun, wobei die SP bei der Volksab­stimmung mit einer Terrorkampagne gegen die innerparteilichen Gegner die letzten verstreu­ten Reste ihrer "Linken" verloren hatte.

Die ÖVP mit ihrem Rosstäuscher Schüssel als Vizekanzler wollte mehr. Schüssel brach eine Wahl vom Zaun, verlor sie aber gegen die "linke" Wahlkampf-Rhetorik des Vranitzky. Kaum war die Wahl geschlagen, beschloss die SPÖ das Programm der ÖVP. u. a. mit Edlinger die erste "Pensionsreform". Seit damals zuckt man in Österreich zusammen, wenn man das Wort Reform hört.

Inzwischen hatte Haider Kärnten erobert. Nach seiner eigenen schweren Wahlniederlage 1999 brauchte ihn Schüssel dringend. Und damals hat Haider das einzige Mal überhaupt strategisch gehandelt und sich resolut für die neoliberale Wende entschieden. Die von ihm abgeordneten Minister waren zwar sämtliche in einer schon unglaublichen Weise unfähig. Aber das spielte keine Rolle. Man ließ das System Schüssel-Grasser-Strasser arbeiten. Und im Schatten dessen entstand nun auch das Korruptionssystem Haider mit dem Zentrum Hypo Alpe-Adria.

Lassen wir die Details für ein ander Mal – bis auf eine Frage: Wo ist das Geld geblieben? Wo sind die Milliarden (4,8 sind bereits geflossen; 18 oder auch mehr werden es möglicher Weise noch zusätzlich werden) geblieben?

Und hier kommt der eigentliche Skandal. Wir wissen es nicht. Die sogenannte Taskforce und die anderen Hilfskräfte der Regierung sagen uns dies einfach nicht. Denn mit einigen Blicken in die Buchhaltung könnte man vielleicht nicht Alles, aber viel aufklären. Aber da würden dann so "honorige" Namen zum Vorschein kommen wie etwa Veit Sorger von der IV und andere vergleichbare Typen: Die haben für die Bevölkerung schon vor vielen Jahren "Schluss mit Lustig" dekretiert, damit sie umso lustiger sein können.

Wie leicht man mit allerdings viel Recherche-Aufwand heraus finden könnte, wo das Geld geblieben ist, zeigen wenige Beispiele. Ivo Sanader ist in Kroatien gerade verurteilt worden, und unter den Gründen findet sich eine Millionen-"Provision" der Hypo Alpe-Adria. Die Söhne des Malers Ernst Fuchs haben gemeinsam mit Herrn Rumpold 5,2 Mill. eingesackt.

Die wichtigeren Namen aber müssen geschützt werden, von Nowotny, Faymann und Spindelegger. "Mit dem Ruf Österreichs spielt man nicht."

17. März 2014