Lafazanis und Mélenchon: ein Plan B für Europa.

01.09.2015
Von Aug und Ohr, Gegeninformationsinitiative
Lafazanis hat, als er vom griechischen Parlamentspräsidenten das Sondierungsmandat erhielt (1), sich nicht nur, wie in der starren Parteiendemokratie üblich, mit den Vertretern von Parteien getroffen, sondern auch mit sozialen Bewegungen. Damit hat er die politische Linie der Linken Plattform veranschaulicht, die, ganz im Geiste von Ada Colau, auf Rückkoppelung zur Basis setzt und sich markant zum prioritären Bewegungsmoment in der Gesellschaft bekennt, oder bekennen möchte (2)

Über die nationale Ebene hinaus beginnt international/internationalistisch zusätzlich eine intensive Fühlungnahme mit anderen linken (radikal linken) Parteien, die sich auch in ihren Ländern vom Bereich des Sozialdemokratismus gelöst haben und eine eigenständige Politik einer neuen europäischen „anderen Linken“, in die Wege leiten wollen: an erster Stelle stand die französische Parti de Gauche (Linkspartei).

Andere Linke ? Der durch die Antiglobalisierungsbewegung schon etwas abgenützte Ausdruck autre gauche (« eine andere Linke ») hat im Nahbereich der Parti de Gauche und der Front de Gauche (3) eine spezifische Bedeutung: faßt als Terminus sämtliche Kräfte, die sich gegen die Austeritätspolitik richten, linke Umweltschützer, alle Komponenten der Front de Gauche, die Partei Nouvelle Donne (« New Deal ») und auch nicht linientreue Elemente der Sozialistischen Partei zusammen (4).

Das Treffen mit dem ehemaligen Vorsitzenden der französischen Linkspartei Mélenchon, der nach wie vor Spitzenaktivist und spiritus rector der Partei ist, fand am 24. August statt und ist nicht ganz ohne Bedeutung für die europäische Linke. An dem Treffen, an dem auch die zwei nationalen KoordinatorInnen Éric Coquerel
und Danielle Simonnet teilnahmen (5), ging es um die Austeritätspolitik und ihre zerstörerischen Auswirkungen sowie um die „brutale Art und Weise, mit der die europäischen Führer mit Hilfe der Institutionen der Europäischen Union ihre Politik umsetzen“, so das Kommuniqué der Parti de Gauche zu diesem Treffen (6). Dies alles führe schließlich über die Verschärfung der sozialen Gegensätze hin zu einer „Ablehnung auch nur des geringsten Ansatzes von Forderung nach Demokratie, nach nationaler Souveränität sowie Volkssouveränität“.

Aus dem Ganzen schäle sich „ein Europa unter deutscher Vorherrschaft heraus und … ein geopolitisches Konzept, das schon bald wieder dem des Kalten Krieges gleichkomme. In diesem Rahmen (sei) der Euro keine bloße Einheitswährung, sondern politische Strategie, ein Instrument, mit dem ein jeglicher Versuch, einen Bruch mit dem Neoliberalismus herzustellen, erpreßt“ werden könne (6).
An diese Thesen anschließend begrüßte Lafazanis den von der Parti de Gauche kommenden Vorschlag für ein „europäisches internationalistisches Gipfeltreffen für einen Plan B“. (7)

Lafazanis hat, was die Euro-Frage betrifft, keine allzu eindeutige und einfache Lösung parat, sondern er ist für einen vorsichtigen und sondierenden approach. Das drückt sich auch, im Zusammenhang mit dem geplanten Gipfeltreffen, in seiner Position zur Eurofrage aus, wenn er sagt, ein solches Treffen könne „eine Zusammenführung und Sammlung der Kräfte einer „anderen Linken“ sein, die das heutige Europa verändern und eine Diskussion über ein alternatives Programm eröffnen wolle, welches, ohne daß dies zum Selbstzweck werde, auch bis hin zum Bruch mit dem Euro gehen könne, sollten die Machthaber in Europa und die Institutionen bei ihrer verhärteten Haltung gegenüber jeglicher Kritik an der Austeritätspolitik und der Ablehnung der Demokratie verbleiben“.(6)

Mit der Kritik am Selbstzweck ist wohl eine leise Kritik an der Kritik eines Teils von Antarsya gemeint, der den Euroaustritt als vordringliches politisches Ziel definiert hatte, dies aber immerhin auf der Konferenz in Athen (8) in eine umfassendere Anti-EU-Politik zu erweitern versuchte.
Es waren bei diesem Treffen auch viele Aktivisten der Syriza-Jugend anwesend (die sich für einen EU-Austritt ausgesprochen hat) anwesend, obwohl sie nicht Mitveranstalter waren (9).

„Wir sind den Kämpfen der sozialen Kräfte in Europa verpflichtet und müssen ihren Erwartungen entsprechen“, bemerkte Lafazanis abschließend. „Schon morgen wird es von zentraler Bedeutung sein, ob diejenigen Kräfte, die das Europa der Austerität bekämpfen, in Spanien, Irland oder Frankreich an die Macht kommen.“

Mélenchon lud im Zuge dieses Freundschaftsabkommens Lafazanis zur Konferenz der französischen Linkspartei ein, die vom 28. bis zum 30. August in Toulouse stattfand.
Eine erste bilaterale Achse einer europäischen „Anderen Linken“.

1.Στον πρόεδρο της Κ.Ο. της ''Λαϊκής Ενότητας'', Παναγιώτη Λαφαζάνη, η διερευνητική εντολή. Ο λόγος στην κοινωνία, ertopen, 24. 8. 2015

2. Genauer definiert: Es handelt sich hier um "Organisationen eines breiteren, radikalen, linken und progressiven Lagers und ganz besonders soziale Organisationen, Bewegungen und Kollektive, die an der Spitze des Kampfes gegen die Memorandenpolitik stehen.“ (1)

3. Die Parti de Gauche besteht seit 2009 und wurde von ehemaligen Sozialisten, die von der Politik ihrer Partei genug hatten, sowie von Kommunisten gegründet. Die Front de Gauche wurde 2009 anläßlich der Europawahlen von der Parti de Gauche und der PCF gegründet. Eine Reihe von kleineren linken Organisationen unterschiedlichster Tendenzen ist später dazugestoßen. Die NPA nimmt daran nicht teil.

4. vgl. u. a. : Mélenchon en retrait, des écolos proposent une primaire de "l'autre gauche", Marianne, 23. 8. 2014

5. Seit ihrem 3. Parteitag in Villejuif am 3.-5. Juli 2015 wird die Partei von zwei "Koordinatoren" geführt, Éric Coquerel und Danielle Simonnet. Eine Exekutive von 24 Mitgliedern steht ihnen zur Seite. (Parti de Gauche, wikipedia deutsch). Villejuif ist eine traditionell linkeGemeinde ian der südlichen Peripherie vonParis.

6. ΣΥΝΟΜΙΛΙΑ ΛΑΦΑΖΑΝΗ-ΜΕΛΑΝΣΟΝ: ΕΝΑΛΛΑΚΤΙΚΟ ΣΧΕΔΙΟ (PLAN B) ΓΙΑ ΟΛΗ ΤΗΝ ΕΥΡΩΠΗ !, ertopen, 24. 8. 2015

Der französische Text des Kommuniqués: Eric Coquerel : Communiqué commun du Parti de Gauche et de l´Unité Populaire, Parti de Gauche, 24. 8. 2015 https://www.lepartidegauche.fr/communique/grece-communique-commun-parti-...

7. Näheres dazu: Eric Coquerel :

https://www.lepartidegauche.fr/edito/pour-un-sommet-internationaliste-pl...

8. Anti-EU-Forum Athen (http://www.antiimperialista.org/de/anti-eu_forum_athen)

9. Die Drohung Lafazanis´mit einem Euro-Austritt als letztes Mittel ist vielleicht auch als „klassische“ Drohung zu verstehen, hier – nicht den Staat zu zerschlagen, aber doch einen Teil der überstaatlichen Verwaltung- und Finanzmaschinierie: das administrative Geflecht der Eurozone. Von dort aus führt ein Weg zur Zerschlagung der ganzen EU – wie ihn ja die skandinavischen EU-Gegner vorgezeichnet haben. In gewissen Sinn ist Lafazanis hier eineFrau Carrar.

10. Diesjährig zum 7. Mal stattfindende politische Sommerwerkstatt der Parti deGauche, die an der Universität Toulouse vom 28. bis zum 30. August stattfand. Eines der Werkstatt-Themen war « Der finanzpolitische Staatsstreich in Griechenland. » Dieses Treffen wird « Remue Méninges» genannt – wörtlich »Brainstorming», eine freie Übersetzung wäre auch: « Denkwerkstatt».

https://www.lepartidegauche.fr/mobilisation/remue-meninges-28-30-aout-to...