Massendemo gegen Impfpflicht & Lockdown

23.11.2021
Aufschrei gegen autoritäre Maßnahmen jenseits von rechts und links als Warnung an die neoliberale Regierung
Wilhelm Langthaler
Viele Zehntausend, wenn nicht mehr, marschierten am Samstag, den 20.11.21 über den Wiener Ring gegen die gerade erst beschlossene Impfpflicht und den neuerlichen Lockdown. Fast bildete sich ein geschlossener Ring, bei dem es kein vorne und hinten mehr gab. Nur schwer findet man in den vergangenen Jahren eine regimeoppositionelle Mobilisierung dieser Größenordnung. Sie zeigt an, dass ein substanzielles Segment der Bevölkerung, das mit Sicherheit im zweistelligen Prozentbereich liegt, die Maßnahmen vehement ablehnt.
Links und gegen Impfzwang

Die bisherige mediale Strategie, diese neue Qualität an Opposition als rechts abzustempeln, ist aber in Schwierigkeiten. Selbst einer der linksliberalen Schreihälse für autoritäre Maßnahmen, F. Klenk, muss einräumen: „es waren extrem viele ganz normale Leute. Junge, Alte, Linke, Rechte, Grüne, Konsis.“ (Tweet 20.11.21 17:08)

Tatsächlich gab es einen Block der Rechten, angeführt von den Identitären, die aber mit der üblichen Hetze gegen Immigranten am Thema vorbei argumentierten und in der breiten Masse nicht anschlussfähig sind, genauso wie ihr Hang zur Gewalt. Der harte Kern war klein und auch das Umfeld nicht beeindruckend.

Natürlich hat die FPÖ als Parlamentspartei einen großen Vorteil, weil sie als einzige dieser Opposition eine Stimme verleihen kann. Doch hier ist es keineswegs so, dass die Bewegung sich der FPÖ anpassen würden, sondern umgekehrt, die FPÖ versucht diese Bewegung zu nutzen. Denn historisch steht die FPÖ für einen autoritär-repressiven Staat. Das Argument, dass, wäre Kickl noch Innenminister, er genauso wie Türkisgrün gehandelt hätte, hört man allenthalben.

Und Klenk gibt gleich die weitere Generallinie aus: „Schallenberg soll diese Leute nicht weiter aufhussen. Man muss jetzt politisch intelligenter agieren.“ Gemeint ist ein Re-eduction-Programm von oben. Nicht auf die Argumente soll eingegangen, sondern einfach die eigenen Positionen bis zum Erbrechen wiederholt werden. Und wenn gar nichts mehr hilft, dann sollen die Menschen eben besozialarbeitert werden. Denn sie seien verunsichert, verängstigt, abgehängt etc.

Und da ist sogar etwas dran. Denn tatsächlich bringt das Misstrauen in die Maßnahmen ein viel breiteres politisches Misstrauen in die herrschenden Eliten zum Ausdruck. Es ist das Ergebnis von mehr als drei Jahrzehnten des zunehmenden Ausschlusses durch das neoliberale Regime. Die Zustimmung und Ablehnung des Elitennarrativs ist auch eine Frage der Klassenzugehörigkeit. Wir haben es also auch mit einem Protest gegen das neoliberale Regime und seine Herrschaftsmethoden zu tun, ohne dass das diesen Protest zu einem linken oder automatisch zu einem sozialen macht.

Hinzu kommt noch, dass der Großteil der Linken nicht nur die Seite der Regierung eingenommen hat, sondern sogar Zero Covid, also das chinesische Modell, vertritt.

Aber mit der Impfplicht ist die Regierung sehr weit, möglicherweise zu weit gegangen. Mögen sie für den Lockdown mit ihrer Angstmache Mehrheiten haben. Was die Impfplicht betrifft, könnte es in gegenwärtig etwa Halbe-Halbe stehen. Denn es geht um nichts weniger als die Kontrolle über den eigenen Körper und da muss man schon mit sehr guten Argumenten auffahren (oder die Bedrohung besonders teuflisch malen), um die Menschen auf dieses Recht verzichten zu lassen. Wenn nun das Narrativ des Impfens als Allheilmittel bis 1. Februar 22 weiter geschwächt werden sollte, hinsichtlich der Dämpfungswirkung und auch von der Dauer der Wirkung, dann könnte die Impfrate hinter dem Ziel zurückbleiben und zur politischen Niederlage werden.

Aufgabe ist es auf jeden Fall, dieses demokratisch-liberale Aufbegehren gegen die autoritäre Verhärtung des neoliberalen Regimes um soziale Elemente anzureichen. Die Plattform Demokratie & Grundrechte ist ein Versuch in diese Richtung. Ein wesentliches Element: das Arbeitsregime in Gesundheitswesen zu verbessern und die Leistungen für die Sozialversicherten auszubauen – etwas, wogegen sich die Eliten standhaft wehren, denn sie wollen die Ergebnisse ihres sozialen Rollbacks nicht verspielen. Da machen sie lieber noch einen Lockdown…

Verweise