Die Lage der palästinensischen Gefangenen

13.01.2001

Hamburg, 08/01/01

Die Lage der palästinensischen Gefangenen in den israelischen Gefängnissen
Bericht der palästinensischen Gefangenenhilfsorganisation "Addameer"

Die Lage der palästinensischen Gefangenen in den israelischen Gefängnissen spiegelt das Leiden des palästinensischen Volkes unter der Besatzung wieder.
Viele Gefangene sitzen seit mehr als 20 Jahren im Gefängnis, manche wurden als Jugendliche während der ersten Intifada ( 1987 - 1993 ) verhaftet und sitzen heute noch hinter Gittern. Die Leiden jedes palästinensischen Gefangenen sind die des ganzen Volkes. Man kann sich das Ausmaß dieses Leidens besser vorstellen, wenn man weiß, daß mehr als 350.000 Palästinenser seit 1967 mindestens einmal verhaftet worden sind.
1650 palästinensische Gefangene sitzen heute immer noch seit vielen Jahren in den israelischen Gefängnissen. (Die meisten aus der Zeit der ersten Intifada 1987).
Diese Gefangenen sind auf zwölf Gefängnisse verteilt. Es gibt viele weitere Gefangene, über deren genaue Zahl man nichts wissen kann, weil sie sich in Isolationshaft oder in Ermittlungsräumen befinden, wo weder Familien noch Rechtsanwälte Kontakt zu ihnen bekommen oder etwas über sie erfahren können.
Israel hat zugegeben, daß es im Oktober 2000 während der neusten Intifada 450 Palästinenser aus Jerusalem und den Kerngebieten inhaftiert hat. Dazu kommt noch eine unbekannte Zahl an neu Inhaftierten aus den besetzten Gebieten Westbank und Gaza, die nicht bekannt ist. Dabei handelt es sich um viele Demonstranten und Jugendliche, die seit Anfang Oktober 2000 durch geheime, zivilgekleidete Sondereinheiten - undercover units - entführt und verhaftet werden.
Nach dem Abzug der Israelis aus den palästinensischen Innenstädten hat Israel alle Gefangenen aus der Westbank und aus Gaza in weit abgelegene Gefängnisse verlegt. Dies stellt einen Verstoß gegen internationale Abkommen dar. Diese Verlegung hat die Besuche von Familienangehörigen, die sowieso nur selten zugelassen werden und nicht mehr als 45 Minuten dauern dürfen, erheblich erschwert. Oft werden die Besuche überhaupt nicht erlaubt, besonders wenn Gaza und Westbank abgeriegelt werden, wie es derzeit der Fall ist.
Seit sechs Jahren dürfen Rechtsanwälte aus Gaza ihre Mandanten nicht mehr kontaktieren. So wird den Gefangenen die Möglichkeit genommen, sich zu verteidigen.
Was die Folter betrifft, so hat das höchste israelische Gericht im November 1996 zwei Beschlüsse erlassen, wonach es dem israelischen Geheimdienst erlaubt wird, körperlichen Druck anzuwenden; vor allem wird die Methode des extremen Schüttelns während der Vernehmung erlaubt, was oft zu Gehirnerschütterungen führt. Israel ist damit der einzige Staat in der Welt, wo Folter als offizielle Politik und mit gesetzlicher Deckung betrieben wird. Die Lebens- und Haftbedingungen der Gefangenen werden immer schlechter und die Besatzungsmacht geht mit immer härteren Angriffen gegen die Gefangenen vor, wenn sie z. B. gegen die Haftbedingungen protestieren.
Die medizinische Situation ist katastrophal; die Gefangenen müssen drei Monate warten, bis sie einem Arzt vorgeführt werden. Es gibt keine Medikamente und man bekommt höchstens Schmerzmittel. Die Familien dürfen keine Medikamente schicken. Viele Gefangene leiden unter chronischen Krankheiten. Gemäß dem sogenannten Friedensabkommen sollten die kranken Gefangenen entlassen werden, aber Israel hat sich in diesem Punkt, wie in den meisten anderen Punkten auch, nicht an die Vereinbarungen gehalten.
Seit Ende September 2000 führt die israelische Armee einen brutalen Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung in den besetzten Gebieten.
Die israelischen terroristischen Angriffe gegen die Zivilbevölkerung werden von den USA und dem Westen toleriert. Israel bekommt westliche militärische und finanzielle Hilfe. Die israelische Armee tötete bisher mehr als 350 Palästinenser und verletzte mehr als 12.000 Palästinenser ( Stand Anfang 2001 ). Tausende von Verletzten wurden von den Israelis absichtlich in den oberen Körperteilen angeschossen, so daß viele von ihnen für immer schwer behindert bleiben werden .

Einige Hintergründe für die neue Intifada und die neuen israelischen Massaker:

1. Während den siebenjährigen Verhandlungen beschleunigte Israel den Siedlungsbau auf enteignetem Boden in den besetzten Gebieten, um vollendete Tatsachen zu schaffen. Die Zahl der Siedlungen hat sich in dieser Zeit verdoppelt.
2. Israel lehnt immer noch die Anerkennung der palästinensischen Rechte ab, vor allem das Selbstbestimmungsrecht, das Recht auf Rückkehr für die Millionen Flüchtlinge und das Recht auf einen eigenen Staat.
3. Israel lehnt es ab, Jerusalem als besetzte Stadt zu betrachten und erklärt statt dessen Jerusalem auf Ewigkeit zur israelischen Hauptstadt.
4. Israel hat die Kontrolle über die palästinensische Wirtschaft und bindet diese an sich und verhindert jede Entwicklung.
5. Die USA behaupten, eine gerechte Vermittlerrolle in dem sogenannten Friedensprozeß zu spielen. In Wirklichkeit sind sie und waren sie immer ein Partner der israelischen Aggressionspolitik. Die USA und Israel haben gemeinsam wirtschaftliche und militärische Herrschaftsprojekte für den ganzen Nahen Osten und nicht nur für Palästina.
Die Erfahrung der palästinensischen Bevölkerung mit der Praxis der israelischen Besatzung und der amerikanischen Diplomatie führen zu der Überzeugung, daß Frieden in Begleitung von Besatzung, Landenteignung, Repressionen, wirtschaftlicher Ausbeutung, Massakern und allen Formen der Unterdrückung und der Ungerechtigkeit nicht möglich ist. Ohne Gerechtigkeit kein Frieden!
Als erster Schritt auf dem Weg der Gerechtigkeit fordern die Palästinenser ein Ende der Besatzung und die Anerkennung ihres Selbstbestimmungsrechtes sowie das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge.
Israel bezeichnet die palästinensischen Gefangenen als Terroristen. In Wirklichkeit sind diese Gefangenen Freiheitskämpfer, die viel Respekt und Unterstützung verdienen.


Im Namen der palästinensischen Gefangenenorganisation "Addameer" möchte ich solidarische Grüße an alle politischen Gefangenen und Freiheitskämpfer in dieser Welt schicken.
Unsere Herzen sind mit allen Gefangenen und Kämpfenden für Freiheit und Befreiung gegen den Imperialismus.

Hoch die internationale Solidarität!

ADDAMEER - Organisation zur Unterstützung der Gefangenen und für Menschenrechte
E-mail: addameer@planet.edu
http://www.addameer.org