EINLADUNG ZUR PROZESSBEOBACHTUNG

21.04.2005

Gibt es in der Türkei Gerechtigkeit?
Machen Sie sich selber ein Bild……

Am 16. Mai findet in Istanbul ein Massenprozess gegen die Angeklagten der Operation vom 1. April statt.
Am 1. April 2005 wurden in 5 Ländern zeitgleich Razzien durchgeführt. Es wurde als Operation gegen die illegale DHKP-C dargestellt. Die Operationen in Holland, Belgien und Deutschland wurde aufgrund eines Antrages des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, ein enger Freund des türksichen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, im Rahmen der polizeilichen EU-Kooperation durchgeführt.
Alleine in der Türkei wurden rund 100 Personen festgenommen. Unter der Vorgabe die Terrorzellen der DHKP-C zu stürmen, fanden in Wahrheit Razzien gegen demokratische, legale, vom Innenministerium genehmigte Einrichtungen statt.
Es hatte seinen guten Grund, dass die Türkei für diese umfangreiche Operation die Hilfe der EU-Staaten anforderte.
Das war eine Operation um die Opposition in der Türkei zu verstummen, die auf gefälschte Dokumente basiert. Das konnte nur mit einer internationalen Unterstützung legitimisiert werden.

Wieso ist hier von einem Komplott des Staates die Rede?
Warum laden wir Sie zur Prozeßbeobachtung ein?

Am 1. April 2004 wurden, wie bereits erwähnt, in der Türkei 100 Personen festgenommen.
Der erste Prozeß gegen die in Istanbul verhafteten 42 Personen fand zwischen dem 25.10.04 - 05.11.04 statt.
Nach dem ersten Prozeß wurden 19 Personen enthaftet. Gegen die restlichen 23 Verhafteten fand die zweite Verhandlung am 12. Februar statt, wobei es 5 Enthaftungen gab. Der nächste Prozeß gegen die restlichen 18 Inhaftierten wird am 16. Mai in Istanbul stattfinden.


Die Verhafteten und sich auch noch jetzt in Haft befindenden werden aufgrund einer "Diskette" ihrer Freiheit beraubt.
Diese Disketten sollen bei der Razzia am 1. April sichergestellt worden sein. Und auf dieser Diskette soll Namen, Nachnahme und "Deckname" aufgeführt sein.
Abgesehen davon muss eine konkrete juristische Prozedur eingehalten werden, damit Disketten eine Beweislast haben. Die Disketten müssen unverzüglich verriegelt und dem Richter geschickt werden. Danach darf sie nur in Gegenwart des Richters, Staatsanwaltes und des Anwaltes entriegelt werden.
Nichts davon wurde eingehalten. Der Umgang mit diesen Disketten, wegen denen sich die Menschen seit über einem Jahr im Gefängnis befinden, war in jeder Instanz regelwidrig.
Es fängt schon damit an, dass die Durchsuchung selber regelwidrig war.
Sie hätten in Gegenwart des Anwaltes durchgeführt werden müssen. Aber die Anwälte wurden nicht reingelassen.
Ausserdem gibt die Polizei an, die Disketten am 3. April analysiert zu haben.
Aber die Operation wurde am 1. April durchgeführt. Die Verhaftungen wurden damit begründet, dass die Namen der Verhafteten auf der Diskette erschien.
Wie kann die Operation am 1. April durchgeführt werden, wenn die Diskette erst am 3. April analysiert wurde?
Aber es gibt noch eine viel grössere Regelwidrigkeit.
Nachdem die Anwälte eine Kopie und Einblick in die Disketten beantragt hatten, stellte sich nach 2,5 Monaten heraus, dass sich diese Disketten immer noch auf dem Polizeipräsidium befinden-unversiegelt.

Am 16. Mai findet in Istanbul ein Massenprozeß gegen 18 Angeklagte statt. Dabei wurden die Angeklagten in anderen Städten der Türkei freigesprochen. Diese Urteile sind im Prinzip ein Geständnis. Es wurde somit von staatlichen Stellen akzeptiert, dass die Diskette als Beweisstück inakzeptabel ist:

URTEIL 1: Im Verfahren gegen Rechtsanwalt Zeki Rüzgar, der angeklagt wurde, weil "sein Name auf der Diskette erschien" hat die Oberstaatsanwaltschaft in Ankara beschlossen, dass Verfahren EINZUSTELLEN.

URTEIL 2: Im Verfahren gegen Rechtsanwalt Selcuk Kozagacli, der angeklagt wurde, weil "sein Name auf der Diskette erschien" hat das Gericht für schwere Straftaten Nr. 11 in Ankara entschieden, dass "die vorgelegten Beweise für eine Verurteilung nicht ausreichen" und er wurde FREIGESPROCHEN.

URTEIL 3: Die Staatsanwaltschaft in Bursa befand, dass "solche Dokumente keine Beweislast haben" und hat EINE VERURTEILUNG der Personen, welche aufgrund dieser Diskette festgenommen wurden, ABGELEHNT.

URTEIL 4: Nurhan Yà½lmaz und Sadà½k Eroà°lu wurden festgenommen, weil ihr "Name auf der Diskette" auftauchte. Das Gericht für schwere Straftaten in Izmir fand die Beweisstücke unausreichend und hat sie bei der 2. Verhandlung FREIGESPROCHEN.

URTEIL 5: Das Gericht für schwere Straftaten Nr. 2 in Erzurum befand im Verfahren gegen die AktivistInnen, welche in Ünye verhaftet wurden, "dass diese Dokumente als Beweisstücke inakzeptabel sind".

Der Gipfel der Gesetzeswidrigkeit allerdings kam bei der 2. Verhandlung am 12. Februar zum Vorschein. Es stellte sich heraus, dass solch eine Diskette überhaupt nicht existiert.
Die Polizei meinte die Diskette dem Gericht geschickt zu haben. Das Gericht aber gab an, so eine Diskette nie empfangen zu haben. Dem Gericht wurden ein paar Schriftstücke überreicht, aber KEINE DISKETTE!

Dazu meinte Sadi Özpolat, einer der 18 Gefangenen, gegen die am 16. Mai ein Verfahren läuft, auf einem Interview in einer Internetzeitung, die über Briefwechsel durchgeführt wurde: "Dies ist ein Verfahren, wo der Innenminister persönlich, also der Staat, entschieden hat, wer verhaftet wird und wie lange im Gefängnis bleibt. Die Gesetzeswidrigkeit basiert darauf und wird fortgeführt. Es hat sich sogar bei der 2. Verhandlung am 11. Februar 2005 herausgestellt, dass wir aufgrund von Beweisstücken auf einer nicht existierenden Diskette verurteilt werden.
Aber selbst diese Tatsache hat nicht zu einem Freispruch geführt.
Es gibt also ganz offen keine Beweise, keine Gesetze, keine Justiz. Wir sind einzig im Gefängnis, weil der Staat seine Interessen wahren möchte. Diese Verhandlung hat sich mittlerweile in eine Komödie gewandelt..."

Darüber hinaus, hat die türkische Polizei nicht nur die türkischen Gerichte und Öffentlichkeit getäuscht.
Sie hat die Gesetzeswidrigkeit auf eine internationale Ebene gebracht.
Die gesamten "Dokumente" des noch immer andauernden Verfahrens in Italien beruht einzig und allein auf diese nicht existierende Diskette.
Die Polizei möchte auch die Gerichte in Italien dazu bewegen, aufgrund gefälschter Dokumente ein Urteil zu fällen.
Dieses Verfahren ist ein Paradebeispiel der Gesetzeswidrigkeit und Anti-Demokratie in der Türkei.
Darum bitten wir alle Einrichtungen, Organisationen und Einzelpersonen um Anteilnahme und möchte Sie einladen, diesen Prozeß zu beobachten.

Die Bedeutung einer internationalen Beobachterdelegation hat sich am 30. März 2005 in Ankara beim Prozess von Sandra Bakutz herausgestellt.
Aufgrund einer breiten internationalen Unterstützung wurde sie enthaftet.

Mit Ihrer Anteilnahme werden diese Menschen nicht ihrem Schicksal überlassen.

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