"Der Zauber hat sich gegen den Meister gewendet"

05.06.2003

Die Palästinenser in Syrien

Der Springbrunnen am Hauptplatz des "Camps" ist trocken, offensichtlich schon seit Jahren – dafür dient das integrierte Monument, das sich realsozialistisch ausnimmt, dessen Botschaft uns aber verschlossen bleibt, den verschiedenen Palästinenserorganisationen als Anschlagfläche für ihre Plakate und Kundmachungen. Das ist schon der einzige Unterschied zu anderen armen Vierteln in Damaskus. Nur der Namen, der englisch geblieben ist, erinnert noch an seine Entstehungsgesichte.

Tatsächlich ist die Lage der Flüchtlinge im Vergleich zu allen Nachbarländern Palästinas in Syrien mit Abstand am besten. Sie genießen die meisten Bürgerrechte, haben das uneingeschränkte Recht zu arbeiten und könnten formal bis an die Spitze des Staates aufsteigen. Einzig die Staatsbürgerschaft besitzen sie nicht, aber das ist eine Forderung der palästinensischen Befreiungsbewegung selbst, denn naturalisierte Flüchtlinge verwirkten das Recht auf Rückkehr.

Politisch lässt die Baath-Partei die Widerstandsorganisationen gewähren. Denn Damaskus sieht als Voraussetzung für einen eventuellen Friedenschluss die vollständige Rückgabe der Golan-Höhen sowie der damit verbundenen Wasserressourcen einschließlich des Zugangs zum See Genezareth. Es ist mehr diese Interessenkongruenz als politische Solidarität mit der palästinensischen Sache, die Syrien als Refugium der Bewegung erscheinen lässt. Denn als in den ersten Phasen des libanesischen Bürgerkrieg die Linke gemeinsam mit den Palästinensern die Oberhand zu gewinnen schien, verbündeten sie sich mit der maronitischen Rechten. Das Massaker im Flüchtlingslager Tall Zatar geht so auf das Konto Hafez al Assads.

Dem amerikanischen Druck, die Büros der "Terrorgruppen" zu schließen und diese zu verfolgen, scheint Syrien vorerst nicht nachkommen zu wollen. Im Büro der Hamas klingelt unentwegt das Telefon und Journalisten geben sich die Türklinge in die Hand. Auch bei der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), der wichtigsten Partei der Linken, gibt man sich gelassen. "Sollen sie ein paar unserer Büros schließen. Politisch werden wir hier denn weiter arbeiten können."

Die "Roadmap" wird von allen einhellig abgelehnt. Sie reflektiere einzig die Interessen der USA und Israels, denn sie fordere zu aller erst ein Ende des Widerstands. Der Teilrückzug der Besatzungsmacht sei erst nach der palästinensischen Kapitulation vorgesehen. Auf die Gründe, die den Friedensprozess von Oslo haben scheitern lassen, namentlich die israelische Weigerung Ostjerusalem zurückzugeben, die Siedlungen zu schleifen, das Rückkehrrecht, ein zusammenhängendes Territorium und die volle Souveränität zu gewähren, würde in keiner Weise eingegangen. Der Plan sei nicht zufällig genau während des Angriffs auf den Irak lanciert worden. "Jetzt müssen wir einmal durchhalten. Doch der zu erwartende irakische Widerstand gegen die US-Besatzung kann auch unsere Situation verändern." meint ein Mitglied des Politbüros der PFLP.

Die Partei gibt dem "Friedensplan" keine große Chance. Ganz im Gegensatz zu Oslo lehne die übergroße Mehrheit der Bevölkerung diesen Diktatfrieden ab. Abu Mazen habe kaum Unterstützung und könne sich nur auf eine kleine Clique von Kollaborateuren stützen. "Mohamed Dahlan ist bereit den von Israel gewünschten Bürgerkrieg zu führen. Die Palästinenser sollen sich selbst gegenseitig töten. Er ist nichts als ein Gangster."

Die Rolle des Palästinenserpräsidenten wird da schon zwiespältiger gesehen. "Arafat trägt die volle Verantwortung für das was er als kluge Taktik bezeichnete, nämlich Zugeständnisse mit der vagen Versprechung auf spätere Gegenleistungen. Er hat radikalere Meinungen, jede demokratische Debatte und andere Führer unterdrückt, während er sich mit kollaborationsbereiten Leuten vom Schlage eines Erekat, Abo Drabbo oder Rajoub umgab, die keine eigene Verankerung besaßen und daher in seiner Hand waren. Dagegen hat damals das Volk Reformen gefordert. Jetzt sind viele seiner Schachfiguren zu Abu Mazen gewechselt."

Arafat konnte und wollte die in Camp David von ihm geforderte Kapitulation nicht unterschreiben. Genauso wenig will er den Bürgerkrieg. Deswegen wurde er unter dem Titel "demokratischer Reformen" beiseite geschoben, die genau jenes Ziel anstreben, gegen das sich die Reformbewegung der späten 90er Jahre richtete, nämlich gegen die Entstehung einer korrupten Verwaltung von Bantustans.

"Arafat ist die Geister, die er rief, nicht mehr losgeworden. Vielleicht ist er nach Saddam der zweite Rais, der dem Druck der USA zum Opfer fällt. Unser Volk wird sich von Abu Mazen jedoch nicht auf die Schlachtbank führen lassen und die Intifada fortsetzen."

Wilhelm Langthaler