Ein anderes Kolumbien ist möglich - in Frieden mit sozialer Gerechtigkeit

20.01.2004

Europaweite Kampagne

Die unterzeichnenden Organisationen, Vereine, Komitees und Einzelpersonen halten feste:

1. Kolumbien ist Schauplatz eines mehr als 50 Jahre dauernden Bürgerkrieges, der Ergebnis des sozialen, politischen und bewaffneten Konflikts im Land ist.

2. In Kolumbien sterben täglich 20 Menschen in Folge der politischen Gewalt, fünf davon in bewaffneten Auseinandersetzungen; täglich werden vier Menschen verschleppt; jeden zweiten Tag wird ein Gewerkschafter umgebracht; täglich werden zwei Massaker (kollektive Morde) begangen und ein Mensch im Zuge von sozialen Säuberungen gegen Marginalisierte, Arme, Straßenkinder etc. umgebracht. Das Hochkommissariat der UNO für Menschenrechte bezeichnet die Situation als "besorgniserregend und von massiven und systematischen Verletzung geprägt" und sieht den Staat als Verantwortlichen dafür.

3. In Kolumbien sind trotz der Reichtümer des Landes 75 % der Bevölkerung unterernährt (laut dem Bericht der Weltbank). 60 % leben unter der Armutsgrenze, davon 11 Millionen in absoluter Armut (laut dem Kolumbianischen Statistischen Zentralamt). Die Situation der Armut der Mehrheit der Bevölkerung steht im Gegensatz zum Reichtum weniger ökonomisch einflussreicher Gruppen, davon drei, die auch die Massenmedien kontrollieren und unter den 300 größten Unternehmergruppen der Welt figurieren (laut Zeitschrift Fortune).

4. Zweieinhalb Millionen kolumbianische Bauern wurden von ihrem Land vertrieben und zur Emigration in die großen Städte gezwungen. Heute besitzen 0,2 % der Bevölkerung 50 % der produktiven Ländereien. Die hohe Landkonzentration und die gewaltsame Vertreibung sind zwei Phänomene, die die Bauern zum Anbau von Koka getrieben haben.

5. Die Anhäufung von Reichtum und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes waren und sind von Gewalt begleitet. Die staatliche Wirtschaftspolitik zugunsten eines kleinen Teils der Bevölkerung hat zu seiner zunehmenden Delegitimierung geführt. Die gewaltsamen und repressiven Zwangsmethoden des Staates in der Ausübung seiner Autorität haben die alltäglich Gewalt ansteigen lassen.

6. Die verschiedenen Oppositionsbewegungen und sozialen Organisationen (Gewerkschaften, Berufsverbände, politische Organisationen, Kooperativen, kommunale Organisationen) die dem Staat nicht dienen, werden verfolgt und zerschlagen. Die Patriotische Union, die 1984 nach einem Abkommen zwischen der Guerilla der FARC und der Regierung, entstanden ist, wäre eine Möglichkeit der demokratischen Partizipation im Aufbau des Friedens gewesen, doch sie wurde ausgelöscht. In zehn Jahren wurden an die 4.500 Aktivisten und Führer umgebracht. 2001 waren 90 % der weltweit ermordeten Gewerkschafter aus Kolumbien.

7. Der Paramilitarismus in Kolumbien ist Teil der Staatspolitik, einseitig wenige kleine Gruppen der Bevölkerung zu bevorzugen, und ein Instrument des Staates, oppositionelle Gedanken und Gruppierungen physisch zu eliminieren; sie verbreiten in den ländlichen und urbanen Gebieten Terror unter der Bevölkerung. Die paramilitärischen Gruppen agieren als verdeckte operative Kommandos der kolumbianischen Streitkräfte.

8. Der Kolumbien Plan der USA ist ein Instrument in den sozialen und bewaffneten Konflikt Kolumbiens zu intervenieren und hat die Natur eines Aufstandsbekämpfungsplans, der in erster Linie gegen die Zivilbevölkerung gerichtet ist. Er hat als unmittelbares Ziel den Widerstand jedweden oppositionellen Subjekts zu neutralisieren und zu zerstören, das sich gegen die neoliberale Restrukturierung der kolumbianischen und lateinamerikanischen Ökonomie richtet. In diesem Sinn stellt der Kolumbien Plan die militärische Komponente der Gesamtamerikanischen Freihandelszone ALCA dar.

9. Der Kolumbien Plan bezieht die Staaten der Region - über die Anden Initiative – in vielfacher Weise in die Intervention in Kolumbien mit ein. Sein Ziel ist die Kontrolle des Amazonasgebietes mit seinen reichen biologischen Ressourcen; er setzt moderne Kriegstechnologie und biologische Waffen gegen die Kokapflanzungen ein; er ist eine schwere Bedrohung für die Umwelt der Region und ihre Biodiversität; er fördert die Vertreibungen der Bauern und zerstört das produktive Potential für die Entwicklung des Landes in wichtigen Agrarregionen.

10. Der Kolumbien Plan ist ein Kriegsplan und behindert die Suche nach einer friedlichen Verhandlungslösung des kolumbianischen Konflikts.

11. Der Bruch der Verhandlungen zwischen der Guerilla und der Regierung ist die Folge der Weigerung einiger Sektoren des Landes, die notwendigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturreformen durchzuführen, die ein nachhaltiger und gangbarer Frieden für alle Kolumbianer und Kolumbianerinnen erfordert. Dies steht im Zusammenhang mit der international heute vorherrschenden Idee, mittels Krieg die verschiedenen Formen des Widerstandes und der Opposition auszuschalten. Seit dem 20 Februar, als die Verhandlungen mit der Guerilla gebrochen wurden, gab es in Kolumbien mehr tote Kämpfer als in der Zweiten Intifada im Palästina, die Morde, Massaker, Verschleppungen und andere Formen der Gewalt nahmen massiv zu.

12. Die Kämpfe des Volkes waren seit jeher auch Opfer der Desinformation der Medien, die mit dem Establishment verbunden sind, was zu einer Schwächung des Bewusstseins, der Unterstützung und der internationalen Solidarität führte.

Wir meinen daher:
1. Die Lösung des sozialen und bewaffneten Konflikts in Kolumbien soll über den Dialog passieren, in einem Umfeld der Entspannung, und mit dem Ziel die wirtschaftlichen, sozialen, politischen und militärischen Gründe, die den Konflikt geschaffen haben, zu überwinden. Alle Sektoren der Gesellschaft sollen offen und öffentlich an einem Dialog teilnehmen, der zu einem rechtlich bindenden Abkommen führt, dessen Umsetzung von der aktiven Teilnahme der verschiedenen Sektoren der kolumbianischen Gesellschaft begleitet sein soll, darunter auch die militärischen Konfliktparteien.

2. Um den Dialog zu ermöglichen sollen Maßnahmen vereinbart werden, die zur Verminderung der Intensität des Konfliktes führen und vertrauensbildend zwischen den Konfliktparteien wirken: v.a. ein entschlossenes und effektives Vorgehen des Staates gegen die paramilitärischen Gruppen und ein humanitäres Abkommen, das den Austausch der Gefangenen ermöglichen.

3. Der Plan Kolumbien muss suspendiert werden, da er ein Haupthindernis für eine friedliche Lösung darstellt, sowie jegliche Form ausländischer Einmischung beendet werden, die den Konflikt verschärft und die illegitime Bereicherung und institutionelle Korruption im Land fördert.

4. Die europäischen Staaten können und sollen zu einer friedlichen und Verhandlungslösung beitragen, wie sie es über die "Gruppe der Freunde des Friedensprozesses" getan hatten. Das erfordert eine neutrale Haltung gegenüber den Konfliktparteinen, um nicht das Vertrauen zu verlieren, das während des vergangenen Friedensprozesses aufgebaut wurde und somit effektiv zum Frieden beitragen zu können.

5. Zugunsten des Friedens müssen die erzielten Erfolge während der dreijährigen Verhandlungen genutzt werden, die in der 12 Punkte umfassenden Agenda zusammengefasst sind, die zwischen den FARC-EP und dem Staat ausgehandelt wurden, genauso die Vorschläge für Verhandlungen zwischen dem ELN und dem Staat, die Schlussfolgerungen der Öffentlichen Anhörungen, die während der Verhandlungen in der entmilitarisierten Zone von Caguán stattfanden, als auch die Vorschläge die Intensität des Konflikts zu vermindern, wie sie von der Notabeln-Kommission den Verhandlungsführern vorgelegt wurden.

6. Die Präsidentschaft einer Person, die als Förderer der Gründung paramilitärischer Gruppen gilt und deren Legalisierung vorschlägt, erfordert von der internationalen Gemeinschaft erhöhte Aufmerksamkeit und Druck hinsichtlich der Respektierung der Menschenrechte und des Internationalen Rechts.

In Überzeugung, dass ein realistischer Dialog, der die Gründe und Ursachen des Konfliktes untersucht und analysiert sowie angemessene und dauerhafte Lösungen sucht, zu Frieden für alle Kolumbianer und Kolumbianerinnen führen kann,
rufen wir auf zur europaweiten Informations- und Solidaritätskampagne "Ein anderes Kolumbien ist möglich. In Frieden mit sozialer Gerechtigkeit" auf.

Ziel: Eine Bewegung zu Unterstützung einer politischen und Verhandlungslösung des sozialen und bewaffneten Konfliktes zu schaffen.

Vorschläge

1. Informationskampagne zu den Themen:
Die ökonomischen, soziale, politische und Menschenrechtssituation
Der bewaffnete Konflikt und die Vorschläge für den Frieden
Die illegalen Ackerkulturen und die staatliche Drogenbekämpfung gegen die Bauern
Die wirklichen Dimensionen des Kolumbien Plans

2. Den Besuch von Vertretern sozialer, politischer, gewerkschaftlicher, indigener und Bauernorganisationen in Europa zu ermöglichen, die über ihre Situation informieren.

3. Aktionstage und konkrete Aktivitäten koordiniert zu spezifischen Themen der kolumbianischen Situation durchzuführen.

Unterstützer (Auszug)
Verein France-Amà©rique Latine (FAL), Frankreich
Komitee Nuova Colombia (ANC), Italien
Griechisches Komitee für Internationale Demokratische Solidarität (EEDDA)
Solidaritätsorganisation mit den Völkern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas (OSSPAAAL) Spanien;
Nordisches Solidaritätsnetzwerk mit Kolumbien
Kollektiv Simà³n Bolà­var und Netzwerk Resistencia, Schweiz
Belgische Vereinigung der Flüchtlinge Lateinamerikas und der Karibik (ARLAC)
ATTAC, Frankreich
Kommunistische Partei Griechenlands
Antiimperialistische Koordination (AIK), Österreich, Italien
Lateinamerika Forum (AIK), Österreich
Demokratische Weltjugendföderation
Zahlreiche Einzelpersonen (AkademikerInnen, Journalisten, Parlamentarier, Menschenrechtsaktivisten etc. aus England, Italien, Frankreich, Belgien, Spanien. Griechenland und Kolumbien)