Ordinärer Terror - Das Signal von Damaskus

28.09.2004

junge Welt vom 28.09.2004

Kommentar
von Werner Pirker


Die Ermordung eines Hamas-Funktionärs in Damaskus durch den israelischen Geheimdienst war ein terroristischer Anschlag. Wie sollte man diesen Bombenanschlag denn sonst bezeichnen? Der Terrorismus wird oft als eine Widerstandsform der Schwachen gegen einen militärisch übermächtigen Gegner bezeichnet. Diese Auffassung hat zwar ihre Berechtigung, verkennt aber, daß der Terror keineswegs ein "Monopol" der hoffnungslos Unterlegenen ist. Es gibt auch und vor allem den Terror der Starken. Das ist der ursächliche Terrorismus. Israels illegales Besatzungsregime über die Palästinensergebiete beruht auf einem terroristischen Gewaltverhältnis. Doch selbst in der Ausübung ordinären Terrors sind die Israelis ihren palästinensischen Widersachern weit überlegen.

Das Gangsterstück von Damaskus zielt auf eine weitere Eskalation des Nahost-Konfliktes. Scharon und die Seinen gaben damit zu verstehen, daß sie nicht nur die besetzten palästinensischen Gebiete als rechtsfreien Raum betrachten, sondern den gesamten arabischen Nahen Osten. Die syrische Reaktion auf diesen Anschlag auf die Souveränitätsrechte des Landes war äußerst zurückhaltend. Damaskus beklagte den Versuch Israels, "die Sicherheit und Stabilität in der Region zu erschüttern". Doch von Sicherheit und Stabilität kann ausgerechnet in dieser Region schon lange nicht mehr die Rede sein. Das Baath-Regime in Damaskus befindet sich seit dem US-Überfall auf den Irak auf der ganzen Linie in der Defensive. Syrien weiß sich an vorderster Stelle in der Liste der zum Abschuß freigegebenen Staaten und versucht, diesem Schicksal durch eine erhöhte Anpassungsbereitschaft zu entgehen. Mit Israel sucht es schon seit vielen Jahren seinen Frieden. Doch die israelische Führung will die Golan-Höhen dauerhaft annektieren und ist zu keinem Kompromißfrieden bereit. Es hat auch die jüngsten Signale aus Damaskus, die Hamas-Vertretungen in Syrien schließen zu wollen, ignoriert und statt dessen seine grenzenlose Allgegenwart im "Krieg gegen den Terror" demonstriert.

Das geschieht aus dem Bewußtsein heraus, keine ernsthafte Gegenwehr und schon gar keine Zurechtweisung aus Washington befürchten zu müssen. Der eher glücklose Aufenthalt der Amerikaner im Irak zwingt diese zu einem noch engeren Schulterschluß mit den Israelis, deren Methoden zur Befriedung besetzter Gebiete sie zunehmend übernehmen. Ariel Scharon nutzt die Gunst der Stunde. Ob seine Politik des offenen Affronts gut für die USA ist, die doch angetreten sind, die arabische Welt zu "demokratisieren", das heißt unter das Globalisierungsregime zu zwingen, kann bezweifelt werden. Doch Washington hat keine andere Wahl mehr.