Olivenernte in Salem

14.10.2004

Bilanz des heutigen Mittwochs, dem 13.10.2004, von Hanan No-Shi

Heute haben wir nach intensiver morgendlicher Besprechung das Dorf Salem erst gegen 12 Uhr erreicht. Wir bekamen die Auskunft, dass jenseits der Siedlerstrasse heute keine Familien Oliven pflückten, sie wollen damit bis Samstag warten, eine Option, die der district-commander ihnen gestern angeboten hat.

Wir stiessen auf eine Familie, die direkt diesseits der Siedlerstrasse am Pflücken war und begannen mit unserer 12-köpfigen Gruppe, inklusive 2 palaestinensicher Koordinatoren und einer amerikanischen Journalistin, ihnen zu helfen. Die Arbeit ging gut und fröhlich voran.

Nach ca 2 Stunden fuhren die ersten Militär-Jeeps auf der Strasse vorbei, welche wir besonders von den Kronen der Olivenbäume aus gut überblicken konnten. Einer fuhr heran und tauchte am anderen Ende nicht wieder auf, wir sahen ihn dann wenden und in unserer Nähe halten. Wir hatten vorher vereinbart, dass Karen und ich mit den Soldaten verhandeln würden, wenn Bedarf bestünde. Wir gingen also auf die 2 Soldaten zu, die den Jeep verlassen hatten und uns unhöflich aufforderten, die Böschung zur Strasse herabzuklettern. Als sich das als etwas schwierig gestaltete, kamen die beiden hochgeklettert, im Jeep sahen wir als Fahrer wieder den "verrückten Siedlersoldaten" sitzen, er tauchte aber die ganze Zeit nicht auf.

Die Legitimität dafür, uns nun Schwierigkeiten machen zu können, sahen die Männer darin, dass es eine Order gebe, dass 200 Meter beidseits der Strasse nicht gepflückt werden dürfe...( Gestern waren es übrigens noch noch 300 Meter, ich bin gespannt, was morgen kommt!).

Die Soldaten forderten uns zuerst auf, die ganze Truppe heranzuschaffen und vor ihnen zu versammeln. Davon konnten wir sie aber abbringen. Als nächstes verhandelten wir mit ihnen über die Zeit, die wir noch bleiben können. In normalem Ton sprachen wir so ca. 10 Minuten mit ihnen, in dieser Zeit hatten sich die jungen männlichen Familienmitglieder aus dem Staub gemacht - wir hatten also gut Zeit gewinnen können- ebenso unsere 2 Koordinatoren und die 5 Japaner aus unserer Gruppe, die kein Englisch sprechen und so mehr eine Gefahr als eine Hilfe darstellen (in Situationen wie diesen). Es ging eine Weile hin und her; als sie uns dann letztendlich 10 Minuten zum Einpacken und Abmarschieren zugestanden, tauchte ein zweiter Jeep auf. Aus ihm stiegen just in dem Moment, in dem wir uns alle ans Einpacken machen wollten 5 aggressive Soldaten aus, einer von ihnen war offensichtlich höheren Ranges als die anderen, er tat sich besonders wichtig und verbal aggressiv. Sie stürmten die Boeschung hoch und begannen, und sehr brüsk zum sofortigen Abmarschieren aufzufordern. Zu diesem Zeitpunkt waren nur noch wir vier weiblichen Langzeitaktivisten zugegen. Wir versuchten, die nach wie vor auf dem Boden ausgebreiteten und mit Oliven versehenen Planen zusammenzupacken, um die Ernte des Tages zu sichern. Dies war nicht im Sinne der Soldaten. Die nächsten Minuten waren gekennzeichnet von viel körperlicher und psychologischer Agressivität. Nicht nur, dass die Soldaten versuchten, die Planen auszuleeren und die mit Felsen und Gebüsch ausgestattenten terassenartigen Absätze hinunterzuwerfen. Sie warfen auch Wasserflaschen und Essenstüten, die die Familie liegengelassen hatte, durch die Gegend. Wir versuchten, die Oliven zu verteidigen, was uns unter grossen Anstrengungen tatsächlich gelang. Wir mussten alle einige Schläge einstecken, mich hat der eine Soldaten ein paar mal die Felsen runtergestossen, ich bin wie ein nerviges Stehaufmännchen immer wieder hochgeklettert. Irgendwann gelang es uns unter all den körperlichen Attacken die Planen zusammenzuraffen; als uns die eine sperrige entglitt, hatten die Männer ihren Spass daran, schnell auszuleeren, was ihnen zwischen die Finger kam. Die ganze Zeit war begleitet von verbalen Auseinandersetzungen - keine von uns war schüchtern - und von boshaftem Grinsen in den Gesichtern der jungen Kerle. Zwei der Soldaten waren besonders auffällig in ihrer Brutalität, andere sind eher als Mitläufer aufgefallen.

Letzendlich konnten wir dann etwas lädiert, aber alle stolz bepackt den Hain hinuntermarschieren und uns wurde dann unsere Last von den wartenden Japanern abgenommen.

Die palästinensiche Familie war dort auch zugegen, die Frau meinte, sie hätte einen Sack voll mit Oliven oben versteckt, als die Soldaten aufgetaucht waren. Wir warteten also eine halbe Stunde ab, mein Fernglas tat gute Dienste, die Soldaten waren abgezogen. Wir gingen dann zu fünft noch einmal den ganzen Hang hoch, fanden den Sack, die Essenstüte und noch einige ausgeleerte Oliven. Diese sammelten wir schnell ein und nahmen sie mit herunter. Es konnte also heute bestimmt 95 % der Ernte gerettet werden. Die restlichen 2 Bäume der Familie in diesem Gebiet werden auch am Samstag abgeerntet.

Im Tumult hatten die Soldaten übrigens auch noch versucht, sich dem alten Palästinenser, der anfangs nicht sofort mit weggegangen war, zu nähern. Eine Verhaftung konnte aber von den anderen verhindert werden.

Wir vier haben nun einige Schrammen und Blessuren davongetragen, aber wir sind trotz Erschöpfung euphorisch, es geht uns allen gut. Der Tag war wirklich erfolgreich im Vergleich zu dem, was gestern passiert war. Übrigens - die vier verhafteten Palästinenser sind gestern abend um halb elf wieder freigelassen worden!