"Bush raus aus dem Irak, Lula raus aus Haiti"

01.02.2005

Irakischer Widerstand und brasilianische Antiimperialisten fordern WSF-Führung heraus


Bereits am Tag der Eröffnung des Weltsozialforums in Porto Alegre war es bei Lulas Eröffnungsrede zu lautstarken Protesten gegen die Politik seiner Regierung gekommen, dem die Demonstranten vorwarfen, das neoliberale Programm seines Vorgängers Cardoso mit kosmetischen Verschönerungen fortzusetzen. Als dann Hugo Chavez am 30. Januar zum Sozialforum stieß, lauteten die Sprechchöre: "Chavez ja, Lula nein!"

Besonderes Anliegen der radikalen Linken Brasiliens ist die Forderung nach dem Rückzug der brasilianischen Truppen aus Haiti, wo sie auf ausdrücklichen Wunsch der USA das durch die Militärintervention installierte Regime stabilisieren sollen. Lula wird verdächtigt, dass seine Distanznahme vom angloamerikanischen Krieg gegen den Irak, so wie sie auch von einigen europäischen Regierungen praktiziert wurde, Scheinheiligkeit und Betrug sei. Brasilien stütze vielmehr in Haiti eine Regierung, die wie im Irak Produkt eines illegalen Krieges sei und US-Interessen diene.

Die übergroße Mehrheit der brasilianischen Bevölkerung lehnt indes den Krieg gegen den Irak und die Besatzung ab, noch mehr wächst die Stimmung gegen den "Yankee-Imperialismus". Als die Regierung in Vergeltung zu den Maßnahmen der US-Behörden, Fingerabdrücke von Reisenden zu nehmen, deren Pässe nicht den US-Standards entsprechen, ebenfalls von einreisenden US-Bürgern Fingerabdrücke abnehmen ließ, war das für die Volksseele Balsam. Für Lula hingegen bot dieser Schritt eine Möglichkeit dem Antiamerikanismus Rechnung zu tragen, ohne substantiell US-amerikanische Interessen zu verletzen.

Um auf den Widerspruch zwischen Worten und Taten hinzuweisen, der sich durch die Politik der Regierung Lula wie auch das gesamte Sozialforum zog, organisierte die antiimperialistischen Linke (insbesondere die Vereinigte Sozialistische Arbeiterpartei PSTU, die Arbeiterliga LO und die Revolutionär Kommunistische Partei PCR) am Tag der Wahlen im Irak eine Protestdemonstration unter der Losung "Schluss mit der Besatzung, für den irakischen Widerstand". Rund fünfhundert Menschen beteiligten sich in brütender Mittagshitze um gegen die Wahlen zu protestieren, die im Aufruf als Legitimationsversuch des Besatzungsregimes bezeichnet wurde. Anders als in Europa ist die offene Unterstützung für den Widerstand jedoch in Brasilien kein Skandal. Selbst viele sich im Orbit von Lulas Arbeiterpartei befindliche Kräfte sprechen ihre Unterstützung für die bewaffnete Rà©sistance aus.

Prominentester Redner der Demonstration war der schiitische Bagdader Scheich Jawad al-Khalisi, der ebenfalls zum Sozialforum gekommen war, um – wie er meinte – mit der weltweiten Bewegung gegen die Besatzung Kontakt aufzunehmen. Wie bereits in der bekannten Erklärung seiner rund fünfzig Parteien umfassenden überkonfessionellen Koalition, unterstrich Khalisi die Notwendigkeit die Wahlen im Irak zu boykottieren. Sie seien von den US-Besatzern inszeniert und genauso illegitim, wie jegliche aus ihnen hervorgehende Institutionen. Der religiöse Würdentraeger kündigte an, dass der Widerstand über alle ethnischen und religiösen Differenzierungen hinweg weitergehen werde. Nur der Widerstand könne die legitime Vertretung des irakischen Volkes beanspruchen.

Sammi Alaa von der Irakischen Patriotischen Allianz, deren Generalsekretär Abduljabbar al-Kubaysi vergangenen September von der Besatzungsmacht entführt wurde und bis heute verschwunden bleibt, rief die antiimperialistischen Kräfte Brasiliens zur Bildung eines Solidaritätskomitees auf. Er betonte, dass der Kampf gegen das amerikanische Imperium für alle unterdrückten Völker wichtig sei, sie sich deshalb hinter dem irakischen Widerstand vereinigen müssten, denn nur so könne den USA eine Niederlage beigebracht werden.

Willi Langthaler
Porto Alegre, Brasilien