Kommunalwahlen in Palästina: Demokratie auf der Schwarzen Liste

21.05.2005

aus: bruchlinien

Erste Ergebnisse der Kommunalwahlen: "Terrororganisation" Hamas genießt offensichtlich breite Unterstützung in der Bevölkerung

Ein Schlag ins Gesicht für die aggressive Kriminalisierungspolitik von Befreiungs- und Widerstandsbewegungen stellen die vorläufigen Ergebnisse bei den am 5. Mai erfolgten Kommunalwahlen in der Westbank und dem Gaza-Streifen dar. Nach Auszählung von 70% der Stimmen spricht der arabische Nachrichtensender Al Jazeera davon, dass die Fatah zwar die Mehrheit an Sitzen in den Gemeindevertretungen, nämlich 55%, erlangt, Hamas aber insgesamt 60% der Stimmen gewonnen hätte. Im nördlichen Gaza-Streifen sollen es sogar 70% der abgegebenen Stimmen sein. Insbesondere in den größeren Gemeinden und dichter besiedelten Gebieten könne Hamas Stimmengewinne verbuchen. Dieses Ergebnis wiegt noch schwerer, weil damit zu rechen ist, dass es eine Reihe von Manipulationen gegeben hat. So hat beispielsweise in Rafah (südlicher Gaza-Streifen) die Hamas die Wahl erfolgreich anfechten lassen, da auch zahlreiche Verstorbene zur Stimmabgabe gekommen waren. Am Wahlsieg der Hamas änderte dies allerdings nichts, bis jetzt hält sie 12 Sitze, die Fatah nur 3.

Die palästinensischen Wahlergebnisse zeigen, dass sich weder die Neuinterpretation von Demokratie (US-Hegemonie statt Herrschaft des Volkes) noch die angestrebte Normalisierungspolitik in Palästina durchsetzen kann. Die Bevölkerung ist nicht bereit, Mahmud Abbas´ Kurs des Ausverkauf der palästinensischen Rechte und Forderungen über Wahlen demokratisch zu legitimieren, das Wahlergebnis spiegelt dabei sicher auch Protest gegen die weit verbreitete Korruption wider. Unverständlich für diejenigen Kräfte, für die Demokratie gleichbedeutend ist mit Unterwerfung unter die US-Hegemonie. Gerade im deutschsprachigen Raum ist daher der Medienapparat ins Schweigen verfallen, nachdem einen Tag nach der Kommunalwahl die obligatorischen "exit-polls" mit der angeblichen Niederlage aller "radikalen Kräfte" verbreitet worden sind.

Die französische Le Monde berichtet angesichts dieser unerwarteten Unterstützung für die Hamas innerhalb der palästinensischen Bevölkerung von peinlich berührten Wahlbeobachtern der Europäischen Kommission. Nicht vorbereitet sei man darauf gewesen, dass die palästinensischer Bevölkerung ein derartig unterschiedliches Verständnis von Demokratie habe als die EU. Vor zwei Jahren wurde die Hamas auf die EU-Liste der angeblich terroristischen Organisationen gesetzt. Jetzt sieht man sich gezwungen bei der Zusammenarbeit mit Gemeindeverwaltungen mit Vertretern einer vermeintlich terroristischen Organisation zu verhandeln.

Die Schwarze Liste der Europäischen Union wurde im Gefolge des 11. September 2001 und der Lancierung des Krieges gegen den "Terrorismus" ins Leben gerufen. Sie enthält vor allem linke Befreiungsbewegungen gegen diktatorische Regime, z.B. die kolumbianische FARC oder die türkische DHKP-C, oder gegen militärische Besatzung, wie die palästinensische PFLP. Sie entbehrt nach wie vor einer rechtlichen Grundlage und stellt einen eklatanten Bruch des Völkerrechtes, welches das Recht auf militärischen Widerstand gegen Besatzung festschreibt, dar. Sie stellt demokratische Grundrechte, wie das Recht auf freie Meinungsäußerung und politische Organisation in Frage, kriminalisiert politische Opposition und die Solidarisierung mit ihr.

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