Amram Mitzna - Spitzenkandidat der israelischen Arbeitspartei

12.01.2003

Friedenstaube in Ritterrüstung

Von einem bevorstehenden "Linksruck" und neuer Hoffnung auf Frieden sprechen Teile der israelischen Linken, wie etwa Gusch Schalom, seit der Bürgermeister von Haifa Amram Mitzna zum Spitzenkandidaten der Arbeitspartei für die kommenden Wahlen zur Knesset gewählt wurde. Tatsächlich hat Mitzna angekündigt, die Verhandlungen mit den Palästinensern wieder aufnehmen, die israelische Armee aus den 1967 besetzten Gebieten abziehen und die meisten der illegalen israelischen Siedlungen auflösen zu wollen. Dieses Friedenstaube-Image hält allerdings einer Analyse seiner vergangenen und gegenwärtigen Tätigkeit nicht stand.
Mitzna war General der israelischen Armee. Seine ersten Sporen verdiente er als besonders mutiger Offiziere im Sechs-Tage-Krieg 1967. In den USA ausgebildet, wurde ihm wenige Monate vor Ausbruch der ersten Intifada das Generalkommando über den "zentralen Sektor" - das Westjordanland - übertragen. Er kam seiner Aufgabe pflichtbewusst nach, führte den Vernichtungskrieg gegen Steinwerfer wie befohlen aus. Unter seinem Kommando tötete, verwundete, deportierte und zerstörte die israelische Armee weit mehr als unter dem Likud-Anhänger Itzchak Mordechay, der zur selben Zeit die israelischen Truppen im Gazastreifen befehligte. "Ich fühle keine Schuld gegenüber den Palästinensern. Sie sind an ihrer Katastrophe selbst schuld", sagt er. Und spricht sich unumwunden dafür aus die Politik gezielter Ermordungen palästinensischer Widerstandskämpfer aufrechtzuerhalten.
Seit 1993 ist Mitzna Oberbürgermeister von Haifa. Seine PR-Strategen verweisen mit Stolz auf seine Verdienste um ein friedliches Zusammenleben zwischen der jüdischen Bevölkerungsmehrheit und der arabischen Minderheit in dieser Stadt. Tatsächlich hat Mitzna unter seiner Regierung die Sonderfinanzmittel, die "gemischte" Städte erhalten, hauptsächlich für spektakuläre Projekte verwendet. Haifa ist zu einem Paradies für Milliardäre geworden. Nur eine ganz dünne Schicht der arabischen Bourgeoisie hat von diesem Geld profitiert – sie konnte Mitzna geschickt in seine All-Parteien-Koalition einbinden. Die übergroße Mehrheit der 30.000 palästinensischen Haifaner haben von dem Geldsegen keinen Schekel gesehen. Abgesehen von symbolischen Gesten hat Mitzna die Lebensbedingungen der arabischen Bevölkerung genauso wenig verbessert wie seine Vorgänger. Es wurden keine Wohnungen gebaut, es gibt keine arabischsprachigen öffentlichen Schulen. Kürzlich wurden Hunderte arabische Familien delogiert um Platz für eine aufwendige Autobahn zu schaffen.
Nach wie vor gibt es zahlreiche Häuser in Haifa, die von den palästinensischen Flüchtlingen 1948 verlassen wurden. Einige wurden versiegelt, andere an arme Familien, zumeist Palästinenser, vermietet. Seit In-Kraft-Treten der Oslo-Verträge hat Mitzna eine breite Kampagne lanciert um diese Häuser zu verkaufen. Damit soll verhindert werden, dass die palästinensischen Flüchtlinge ihre Ansprüche geltend machen können.
Was Mitzna von den Führern des Likud-Blocks unterscheidet, ist in erster Linie die Wichtigkeit, die er der Pflege seines friedliebenden Images beimisst. Das wurde ihm von einem Teil der reichen israelischen Bourgeoisie aufgetragen, die begriffen hat, dass auf Dauer mit Sharons Politik keine Stabilität zu erreichen ist. Außerdem braucht die Arbeitspartei die Stimmen der arabischen Bevölkerung Israels. Nach Baraks Verrat hatte sich diese von Labour enttäuscht abgewendet.
Mitznas Wahl kann in erster Linie als Zeichen gewertet werden, dass ein Teil der israelischen Elite zu den Zeiten der Oslo-Verträge zurückkehren will. Eine Politik der symbolischen Zugeständnisse und der realen Beibehaltung israelischer Vorherrschaft ist wieder gefragt. Wer eignet sich besser dazu als Mitzna, der eine solche Politik in Haifa vorexerziert hat. Allein, Oslo liegt unter den Trümmern der zweiten Intifada begraben. Auch Mitzna wird es nicht wieder zum Leben erwecken können.
Margarethe Berger