Aufruf der arabischen Welt den Widerstand zu unterstützen

21.07.2007

aus Intifada Nr. 24

Kairo-Konferenz: Antiimperialisten, Islamisten und panarabische Linke treffen sich in Ägypten

Die jährliche Kairo-Konferenz fand heuer im Zentrum Kairos, im Gebäude der Vereinigung der Journalisten, vom 29. März bis 1. April 2007 statt. Die Konferenz und das parallel dazu abgehaltene Ägyptische Sozialforum waren, im Gegensatz zu vielen ähnlichen Treffen der westlich - und besonders europäisch - dominierten Sozialforen, von einer starken und expliziten Stimme für die Unterstützung des Widerstands im Libanon, Irak und in Palästina geprägt. Aber es gibt nicht nur gute Nachrichten. Abgesehen davon, dass die Konferenz Zeugnis für die breite und populäre Unterstützung des Widerstands ablegte, trug sie in sich bereits Anzeichen wachsender Spannungen innerhalb der arabischen Bewegungen für den Widerstand.

Die Konferenzen in Kairo - nach der Kairo-Konferenz fand die All Arab Peoples' Resistance Conference statt - scheinen immer klare Vorboten kommender Erfolge und Probleme, Schwierigkeiten und möglicher Spaltungen, die auf die den Widerstand unterstützenden Kräfte zukommen werden, zu sein. Dieses Jahr dominierte die tiefe Uneinigkeit der Widerstandsbewegungen über die Rolle des Iran alle anderen politischen Diskussionen. Auch Debatten über die Beziehung zu der palästinensischen Regierung nach dem Abkommen von Mekka, die Allianz zwischen Islamisten und linken Kräften sowie das Verhältnis zwischen dem Kampf um Demokratie und dem Widerstand gegen den Imperialismus, besonders in Ägypten, fanden statt. Die Standpunkte dieser Diskussionen konnten eher zwischen den Zeilen oder in nuancierten unterschiedlichen Erklärungen gefunden werden als in kochenden Polemiken. Dennoch spielen sie eine wichtige Rolle in der Dynamik der antiimperialistischen Bewegung im Nahen Osten, ohne notwendigerweise deren Einheit zu behindern.

Ein weiterer Schwachpunkt der Konferenz, die von der breiten Volksunterstützung für den Widerstand gekennzeichnet war, bestand darin, dass die Mehrheit der internationalen Delegierten zögerten, diesen Geist mit in ihre Heimatländer zu transportieren. Die Mehrheit der internationalen Repräsentanten verschiedener Antikriegsbewegungen aus hauptsächlich Westeuropa, Kanada und Korea, von denen viele auch mit der Internationalen Sozialistischen Tendenz der Britischen Sozialistischen Arbeiter Partei (socialistworker.co.uk) assoziiert waren, sprachen sich dagegen aus, die Unterstützung des Widerstands in westlichen Ländern auf die Tagesordnung zu setzen. Die Bewegung sollte sich ihrer Meinung nach besser darauf konzentrieren Antikriegsarbeit zu machen und die Truppen nach Hause zu holen. Diese Debatte ist eine Wiederholung der Debatten die in den 1970ern in der Bewegung gegen den Vietnamkrieg stattfanden. Ein Hauptargument der Debatte heute ist, dass die Solidaritätsbewegung keine klaren Positionen gegenüber der FNL und dem vietnamesischen Befreiungskampf einnehmen solle. Diese Vertreter argumentierten, dass die Antikriegsbewegung die Mehrheit von Pazifisten oder anderen Kräften, die den bewaffneten Widerstand nicht unterstützen wollen, respektieren müsse. Dabei übersehen sie jedoch, dass innerhalb der Bewegung, jene Kräfte, die den Widerstand offen unterstützen, von einer Minderheit zu einer Mehrheit in vielen westlichen Ländern werden könnten.

Der neue Fokus der Internationalen Sozialistischen Tendenz auf die Kriegsdrohungen gegen den Iran scheint deren Aufmerksamkeit vom Irak und dem Widerstand des arabischen Volkes abzuziehen. Während es zwar notwendig ist gegen die amerikanischen Kriegsdrohungen gegen den Irak zu mobilisieren, sollten wir weder die Besatzung in Palästina oder im Irak, noch den Kampf gegen die amerikanische und israelische Hegemonie im Libanon vergessen.

Um die Zögerlichkeit, für die Unterstützung des Widerstands im Westen Worten Taten folgen zu lassen, zu überwinden, wird ein klares Herangehen der arabischen Welt benötigt. Unter den prominentesten, die solch einen Aufruf machten, befindet sich die Hizbullah, die, nach einer von ihr und ihren Verbündeten abgehaltenen Konferenz im Libanon im November 2006 nun versucht die antiimperialistische Bewegung der Welt für einen Internationalen Aktionstag am 12. Juli 2007 zu gewinnen. Dieser Aufruf muss aufgegriffen und von den standhaften Teilen der westlichen Antikriegsbewegungen umgesetzt werden. Das Verständnis von Seiten der Hizbullah für die Notwendigkeit sich auf den Widerstand zu verlassen und gleichzeitig internationale Unterstützung zu sammeln ist klarer, als einerseits das Herangehen der Kairo-Konferenz selbst, die sich damit zufrieden zu geben scheint Koordinationen, welcher Natur auch immer, mit westlichen Bewegungen einzugehen, und andererseits einiger prinzipientreuen Panarabisten, welche die Rolle der Solidaritätsbewegungen im Westen vollständig ignorieren.

Die Diskussionen über den Iran

Von Anfang an war es auf der Kairo-Konferenz klar, dass das Thema Iran ein heißes Eisen sein würde. Auf der Eröffnungsveranstaltung verließ der irakische Vertreter (ein irakischer Baathist, der in Ägypten lebt) die Konferenz, aufgrund der Unterstützung welche von den ägyptischen Sprechern für das Atomprogramm des Iran und gegen die amerikanischen Kriegspläne gegeben wurde. Solche den Iran unterstützenden Positionen wurden unter anderem von Hamadan Sabahi von der Karama Partei und Akef von der Moslemischen Bruderschaft (MB) ausgedrückt.

Wir können in der Diskussion um die Rolle des Iran drei Hauptpositionen unterscheiden. Die erste ist die Position, die sich am prominentesten in den Worten der Hizbullah wiederfindet, aber auch von anderen Gruppen geteilt wird (besonders in Syrien und im Libanon), nämlich dass der Iran die Hauptströmung und das Hauptprojekt des Widerstands in der Region sei und dass die Kräfte des Widerstands in dieselbe Bresche wie der Iran schlagen sollten.

Die zweite Position ist die Meinung der Mehrheit der arabischen Bevölkerungen, nämlich dass die Kräfte der Widerstands im Allgemeinen den Iran gegen die USA unterstützen, jedoch den Iran selbst nicht als Teil des Widerstands begreifen sollten und darüber hinaus in unterschiedlichem Ausmaß die iranische Rolle im Irak kritisieren müssten.

Die dritte Position ist jene der Baath-Partei, welche die Rolle des Irans im Irak mit jener der Amerikaner gleichsetzt. Dies ist eine de facto sektiererische Position in panarabistischer Propaganda versteckt, die nicht nur auf den Iran abzielt sondern auch auf die schiitische Mehrheit im Irak. Es spiegelt sich in dieser Position auch die baathistische Version des Republikanimus wider, der in Wirklichkeit den Ausschluss der schiitischen politischen Gemeinschaft bedeutet, egal wie gleichgestellt sie formal auch immer sei.

Außerdem ist dies die gefährlichste Position, da sie Versuche der Amerikaner reflektiert, die Widerstandskräfte zu spalten und gegeneinander auszuspielen. Die Eskalation dieses erhitzten Antagonismus ist der beste Beweis der amerikanischen Erfolge auf diesem Gebiet.

Die Hexenjagd auf Schiiten erwies sich als die Hauptkarte der reaktionären arabischen Regime während des Libanon-Krieges 2006, um eine Entschuldigung dafür zu präsentieren zu können, den Kampf der Hizbullah nicht zu unterstützen. Antiimperialisten müssen jeglichen Versuch der USA den Widerstand zu spalten bekämpfen. Gleichzeitig ist die iranische Rolle im Irak in erster Linie negativ. Dieses Katz-und-Maus-Spiel weiterzuführen ist auf lange Sicht nicht im Interesse des Iran, wenn der Staat nicht in die Hände der US-Hegemonie in der Region fallen will. Die Solidaritätsbewegung sollte unnachgiebig den Iran gegen die USA unterstützen, inklusive seinem Recht darauf ein Nuklearprogramm zu entwickeln. Insbesondere sollte sie die antiimperialistischeren Strömungen innerhalb des iranischen Regimes unterstützen. Aber gleichzeitig müssen die Antiimperialisten ernsthaft den iranischen Staat kritisieren, wann immer er sich dazu entschließt mit den USA Kompromisse einzugehen, sei es im Irak oder anderswo. Die iranische Rolle im Irak wird immer gefährlicher, da die USA, ohne eine andere Wahl zu haben, darauf zurückgreift mit konfessionellen Spannungen zu spielen um sich ihre Hegemonie zu sichern.

Aber so wie die Kritik am Iran ehrlich und konkret sein muss, so müssen die Antiimperialisten und die Solidaritätsbewegung auch die iranische Hilfe für den Widerstand im Libanon und Palästina unterstützen.

Die Position zu Mekka und zur Palästinensischen Autonomiebehörde

Ein verschleierter aber vorhandener Widerspruch ist die Position zur Palästinensischen Autonomiebehörde (PNA) und zum Mekka-Abkommen. Die Kairo-Konferenz nahm eine in gewisser Weise positive Haltung zur Regierung der Nationalen Einheit, oder zumindest dem Teil, den die Hamas stellte, ein. Hamas war auch als einer der Hauptsprecher zur Konferenz eingeladen. Es scheint jedoch klar zu sein, dass wir nicht länger von einer "Regierung des Widerstands" sprechen können, was eventuell während der ersten Monate unter der Alleinherrschaft der Hamas in Palästina möglich gewesen wäre. Auf der anderen Seite haben der Dschihad und die PFLP sich dazu entschlossen, nicht an dem Abkommen teilzunehmen, und vor den Ergebnissen von Mekka gewarnt.

Falls der Dschihad und die PFLP zusammen finden würden, wäre das positiv. Die Möglichkeit, dass die Hamas eine neue Fatah wird, ist nicht auszuschließen. In dieser Diskussion finden wir auch die Frage nach der Natur der PNA selbst wieder. Manche rufen dazu auf, die Behörde aufzulösen, mit dem Argument, dass diese nur eine Struktur der Unterordnung unter die Besatzung sei. Solche Standpunkte sollten in Betracht gezogen werden. Allerdings gilt es darauf hinzuweisen, dass selbst wenn dies im Prinzip korrekt sein mag, dennoch jede Widerstandsbewegung politische Strukturen benötigt. Die wichtigen Aufgaben der Solidaritätsbewegung bleiben weiterhin Unterstützung für und Legitimierung des Widerstands, sei es von der Hamas oder anderen Fraktionen, gegen den westlichen Boykott und die Blockade der palästinensischen Regierung.

Islamismus und die Linke

Eine immer präsente Diskussion für die Linke im Nahen Osten ist deren Beziehung zu den Islamisten. Die meisten der Kräfte für den Widerstand erkennen an, dass im Kampf gegen die Besatzung die Notwendigkeit besteht mit islamischen Widerstandsbewegungen wie der Hizbullah gemeinsam zu kämpfen. Ab hier jedoch herrscht Uneinigkeit. In Ägypten haben die Revolutionären Sozialisten (RS), welche zu der IST gehören, die Position eingenommen, aktiv eine Allianz mit der Moslemischen Bruderschaft zu fördern. Dies ist das Ergebnis einer langen Arbeit ihrerseits um dieses Ziel zu erreichen (1). Andere Kräfte, wie die Karama-Partei (Nasseristen) tendieren dazu eher pragmatisch an diese Frage heranzugehen. Zunächst sind sie natürlich für eine allgemeine Einheit mit allen, die in den Hauptfragen übereinstimmen. So schaffen sie sich Möglichkeiten der Einheit mit der Moslemischen Bruderschaft zu bestimmten Fragen, besonders beim antiimperialistischen Kampf und dem Kampf gegen die Diktatur von Mubarak, während sie, was soziale Fragen betrifft, mit ihnen nicht übereinstimmen. Außerdem sehen sie Bewegungen wie Kifaya ebenfalls als ein mögliches Mittel an, die MB im Sinne einer offeneren Zusammenarbeit mit der Linken zu beeinflussen. Trotz kleinerer Differenzen untereinander war der Geist der Kairo-Konferenz positiv im Sinne des Aufrechterhaltens der Notwendigkeit der Einheit zwischen Islamisten und Linken gegen jeden, der als gemeinsamer Feind wahrgenommen wird.

Diese Position scheint lebendiger und potenter zu sein, als die traditionelle Position der ägyptischen Linken, inklusive kleiner linksradikaler Organisationen sowie der Allianz der Arabischen Völker im Widerstand, deren dritte Gründungskonferenz unmittelbar nach der Kairo-Konferenz dieses Jahr abgehalten worden war. Die ägyptischen Teilnehmer lehnten es aus prinzipiellen Gründen bei dieser Konferenz ab mit den ägyptischen Islamisten zu kooperieren (2). Auch wenn die Taktik gegenüber den verschiedenen Organisationen variieren mag, so ist es doch schwierig zu verstehen, welche Vorteile die Selbstisolierung von einer der größten islamistischen Oppositionsbewegungen wie der MB für diese Kräfte bringt. Es ist wahr, dass die Bruderschaft manchmal eine opportunistische Rolle spielt und zwischen Freundschaft und Feindschaft mit den konsolidierteren antiimperialistischen Kräften schwankt. Dieses Muster konnte man bereits oft in Ägypten beobachten, was möglicherweise der Grund ist, warum die Linken in diesem Land besonders zögerlich sind, mit ihnen gemeinsame Bündnisse einzugehen. Aber das sollte keine Entschuldigung sein für das Fehlen im Kampf um eine Einheit mit diesen Kräften zustande zu bringen.

Weiter zu einer Antiimperialistischen Front

Die Konferenzen, und besonders die Kairo-Konferenz, die jährlich in der ägyptischen Hauptstadt abgehalten wird, spielen eine wichtige Rolle im Aufbau eines Rahmens für eine antiimperialistische Front in der Region. Dadurch wird nach und nach Einheit entwickelt zwischen den Widerstand leistenden Kräften der Region, gleichzeitig wird aber auch die Notwendigkeit einer Solidaritätsbewegung in westlichen Ländern unterstrichen, die Notwendigkeit der Unterstützung des antiimperialistischen Kampfes ebenso wie des demokratischen Kampfes gegen die US-Marionettendiktaturen in Ländern wie Ägypten und Saudi-Arabien.

Nichtsdestotrotz muss die sich ankündigende Bedrohung einer Spaltung der Widerstandsbewegung von allen Beteiligten Ernst genommen werden. Die fehlende irakische Teilnahme ist ein schwerwiegendes Problem, das Gefahr läuft die Legitimität der Konferenz in Teilen der arabischen Widerstandsbewegung zu gefährden. Gleichzeitig muss die Konferenz weitergehend klarstellen, was sie damit meint, wenn sie internationale Solidarität einfordert. Dies sollte nicht in den Grenzen eines Forums gefangen bleiben, in dem westliche Antikriegsbewegungen Widerstandskräfte treffen. Die Konferenz sollte einen Schritt weiter gehen, dem Beispiel der Hizbullah folgend, und einen klaren Aufruf und Forderung an die Antikriegsbewegungen in Europa und der westlichen Welt schicken, den Widerstand in Taten, nicht nur in Worten, zu unterstützen. Wenn diesen zwei Faktoren in einem positiven Sinn begegnet wird, könnte die Konferenz fähig sein, einen riesigen Fortschritt im Kampf für eine weltweite antiimperialistische Front zu erreichen.

Lars Akerhaug
20. April 2007, Kairo

(1) Hosal al-hamalawy, "Comrades and Brothers", Middle East Report 242

(2) Siehe das Interview mit Prof. Dr. Ashraf el Bayoumi.