"Die Haltung der internationalen Gemeinschaft stärkt Al Qaida."

11.01.2008

Interview mit Hussein Abu Kweek

Hussein Abu Kweek ist politischer Sprecher der Hamas im Westjordanland. Er
verbrachte fünf Jahre lang wegen Mitgliedschaft in der Hamas in israelischer Haft. 2002 starben seine Frau, seine drei Kinder und zwei Begleitpersonen in einem Attentat durch die israelische Armee, das ihm gegolten hatte. Er selbst wurde in der ersten Woche dieses Jahres von Fatah Sicherheitsleuten verhaftet.

Frage: Welche Beziehungen unterhalten Sie derzeit, nach den Konflikten im Juni 2007, zur Fatah?

Hussein Abu Kweek: Unser Vorschlag an die Fatah ist, uns auf eine Gesprächsbasis darüber zu einigen, wie das innerpalästinensische Problem zu lösen sei. Das ist uns bisher nicht gelungen, allerdings ist mein Eindruck, dass beide Seiten flexibler geworden sind.

Die wesentliche Frage ist zurzeit nicht die einer Regierung der nationalen Einheit. Das Hauptproblem ist die Sicherheitsfrage. Diese war auch der Grund für die Krise. Unser Standpunkt ist, dass die Sicherheitskräfte auf Grundlage eines nationalen Sicherheitsplanes aufgebaut werden sollten, nicht zur Wahrung der Interessen einer bestimmten politischen Fraktion und ebenso wenig zum Zwecke der Zusammenarbeit mit ausländischen Sicherheitskräften.

Die zweite wesentliche Frage ist die Einigung auf ein nationales politisches Programm und schließlich die Reform der PLO.

Ist die Hamas bereit, zu diskutieren?

H.A.K. : Die Regierung im Gazastreifen hat ihre Bereitschaft erklärt, Verhandlungen zu beginnen, ohne Bedingungen zu stellen. Wir schlagen die Rückkehr zur Situation vor dem 14. Juni 2007 vor. Es war nie der Wunsch der Hamas, einen eigenen Staat im Gazastreifen aufzubauen. Hamas wurden dazu gezwungen, sich selbst zu verteidigen.

Wie beurteilen Sie die Geberkonferenz, die kürzlich in Paris stattgefunden hat?

H.A.K.: Die politische Ausrichtung der in Aussicht gestellten Hilfszahlungen ist offensichtlich. Diejenigen, welche die Hilfe am dringendsten benötigen, die Menschen im Gazastreifen, wurden auf der Konferenz nicht einmal erwähnt. Im Gazastreifen herrscht Mangel an lebensnotwendigen Gütern und Medikamenten. Die Geberkonferenz in Paris macht erneut deutlich, dass die Hilfszahlungen dazu verwendet werden sollen, Druck auf die Bevölkerung in Gaza auszuüben, damit diese ihre politische Unterstützung für die Hamas aufgibt. Die Spaltung des palästinensischen Volkes wird dadurch vergrößert. Einen großen Teil der Verantwortung für die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen trägt auch die EU.

Eine Bedingung der internationalen Gemeinschaft für Verhandlungen mit der Hamas ist, dass diese die Gewalt gegen Israel einstellt. Ist die Hamas dazu bereit?

H.A.K.: Die Hamas ist offen für jedes politische Gespräch. Die Bedingung der internationalen Gemeinschaft ist im Grunde ein Vorwand, um Zeit zu gewinnen und vollendete Tatsachen zu schaffen. Der Kampf im Gazastreifen ist von unserer Seite ein Akt der Selbstverteidigung. Während jedoch Bedingungen an die Hamas gestellt werden, werden gleichzeitig die israelischen Siedlungen auf palästinensischem Boden ausgebaut, immer größere Gebiete palästinensischen Landes zu israelischem militärischem Sperrgebiet erklärt und palästinensische Ressourcen, etwa das Wasser, von Israel beschlagnahmt.

Die Lösung des Konfliktes kann nur auf politischer Ebene erfolgen. Dazu müssen jedoch die wesentlichen Fragen in Angriff genommen werden, nämlich ein souveräner palästinensischer Staat, die Sicherstellung der Rechte der palästinensischen Flüchtlinge und das Schicksal der elf tausend palästinensischen Gefangenen in israelischer Haft.

Die aus den Wahlen im Januar 2006 hervorgegangene palästinensischen Regierung hat in der Vergangenheit ihre Offenheit bewiesen, etwa in den Vereinbarung zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit in Mekka im April 2006. Trotzdem weigern sich die westlichen Regierungen mit ihr in Kontakt zu treten. Diese Haltung stärkt letztendlich den Extremismus von Gruppen wie Al Qaida, die zu keinerlei Dialog bereit sind.

Was ist Ihre Botschaft an die weltweite und vor allem europäische Solidaritätsbewegung mit Palästina?

H.A.K.: Wir bitten die europäische Bewegung in ihren Ländern Informationen darüber zu verbreiten, was tatsächlich im Juni 2007 vorgefallen ist. Es ist sehr wichtig, das von den Medien verbreitet Bild, dass die Gewalt von der Hamas ausgegangen wäre, richtig zu stellen. Wesentlich ist es auch, die Kampagne gegen die Mauer unter Berufung auf das Urteil des internationalen Gerichtshofes in Den Hague weiterzuführen. Darüber hinaus bitten wir die Solidaritätsbewegung, sich der Frage der palästinensischen Gefangenen anzunehmen, unter denen sich Dutzende von Parlamentarien befinden. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Handlungen der israelischen Armee laut Völkerrecht Kriegsverbrechen sind. Eine große Unterstützung für die palästinensische Bevölkerung wäre etwa eine juristische Kampagne gegen die Kriegsverbrecher unter den israelischen Generälen.

Ramallah, 29. Dezember 2007