Bericht vom ersten Prozesstag gegen Mohamed Mahmoud und Mona Salem Ahmed

04.03.2008


Gleich zu Beginn des Prozesses kam es zu einem wesentlichen Eingriff in die Verteidigungsrechte von Mona Salem Ahmed: Obwohl die Identität der Mitangeklagten einwandfrei festgestellt werden konnte, wurde sie vom Richter mehrfach aufgefordert, ihre Gesichtsverschleierung während des Prozesses zu entfernen, da diese in der Strafprozessordnung nicht zulässig sei. Gründe für eine Verschleierung von Zeugen seien entweder Erkrankungen wie TBC oder aber wenn sich ein Zeuge durch seine Aussage in Gefahr, etwa durch die Mafia, begebe, Religion oder Ideologie sei aber kein ausreichender Grund. Mona lehnte die Abnahme der Verschleierung ab und wurde daraufhin vom der Verhandlung ausgeschlossen und darauf hingewiesen, daß sie an der Verhandlung wieder teilnehmen könne, wenn sie ihr Gesicht zu zeigen bereit sei. Mona Salem Ahmed betonte, sie wolle niemanden beleidigen, aber in Gegenwart fremder Männer gebiete ihr ihre Religion die Gesichtsverschleierung. Unnötigerweise erklärte der Richter daraufhin, daß Österreich kein islamischer Staat ist, auch wenn Mona das vielleicht gerne hätte - eine völlig unbegründete und unangebrachte Unterstellung. Der Richter sprach auch von Mißachtung des Gerichts, die besonders schlimm sei, wenn man sowieso schon mit islamistischem Gedankengut sympathisiere.

Trotz der höflich gewählten Worte konnte man sich des Eindrucks der Voreingenommenheit des Gerichts nur schwer erwehren - eine Ansicht, die auch der Anwalt der beiden Angeklagten, Dr. Lennart Binder, vertrat, indem er den Senat als befangen bezeichnete, da dieser den Islam mit Terrorismus gleichsetze. Binders Auffassung, es gebe keinen Paragraphen, der eine Gesichtsverschleierung verbiete, wurde übrigens von einem weiteren im Saal anwesenden Anwalt geteilt. Richter Gerstberger meinte dagegen, unpassende Kleidung sei sehr wohl ein Ausschließungsgrund. Er persönlich wolle nur zum Ausdruck bringen, daß "natürlich" das Symbol zumindest für die Ablehnung der westlichen Gesellschaftsordnung eingesetzt werde. Daß in einer tatsächlich demokratischen Gesellschaft das Recht auf freie Meinungsäußerung auch das Recht beinhalten sollte, eine andere Gesellschaftsform zu befürworten als die, in der man lebt, dürfte ihm dabei leider nicht in den Sinn gekommen sein.

Der Staatsanwalt behauptete, daß es sich keineswegs um einen politischen Prozess handle und auch die Ermittlungsmethoden niemals illegal gewesen wären. Es gehe hier zwar nicht darum, daß die Angeklagten selbst Anschläge durchgeführt hätten, aber bereits die "propagandistische Aufbereitung des Nährbodens" erfülle den Tatbestand des Terrorismus. Mohamed Mahmoud sei in leitender Funktion für die Globale Islamische Medienfront (GIMF) tätig gewesen, was er mit einigen Zitaten aus dem Forum bzw. Chat der GIMF zu untermauern versuchte. Mahmoud habe die Republik Österreich zu nötigen versucht, die Teilnahme an der "friedenssichernden Operation der UNO in Afghanistan" zu beenden, darüber hinaus habe er Propagandatexte für Al-Kaida verbreitet und sei an der Planung von Anschlägen in Österreich beteiligt gewesen. Medientechnisch blieb dieser Staatsanwalt unbeugsam: "Eine Online-Untersuchung im Zuge der Ermittlung hat nicht stattgefunden.
Ebenso kam es nicht zum Einsatz von Trojanern."

Verteidiger Binder stellte fest, daß die GIMF nicht einmal nach Definition der EU als Terrororganisation gelte und daß sämtliche vom Staatsanwalt in Zusammenhang mit der
GIMF zitierten Äußerungen nachweislich nicht von den Angeklagten stammten.

In die Wohnung der Angeklagten sei eingebrochen worden, um Video- und Audio-Überwachungsgeräte in der Wohnung sowie Angriffssoftware am Computer zu installieren, dies stehe sogar im Akt. Binder führte aus, daß sich der österreichische Geheimdienst offenbar sogar beim Internet-Provider Chello eingenistet hat, um von dort aus den Datenfluss von Mohamed Mahmoud zu überwachen: "Der Große Lauschangriff wurde beantragt und bewilligt. Was sie aber darüber hinaus gemacht haben, das ist der entscheidende Punkt. Sie haben am Computer manipuliert. Sie haben einen Trojaner installiert. Man kann es leugnen wie der Staatsanwalt, es ist ein Faktum! ... Sie haben weiters die Tastatur durch ein Programm mit der Überwachungszentrale verknüpft. ... Es läßt sich eindeutig sagen,
welche Anschlagspläne von den Angeklagten stammen und welche nicht. Durch die Verknüpfung mit der Tastatur weiß die Polizei genau, von wem die
Botschaften kommen, die ihnen jetzt vorgeworfen werden."

Mahmoud habe die GIMF als Weg gesehen, sich ein berufliches Standbein aufzubauen und sich zu diesem Zweck dort eine Identität als ausgebildeter Jihadist gegeben, die aber mit der Realität nie übereingestimmt habe. Über seine auf diesem Weg aufgebauten Kontakte habe er sogar an der Befreiung von Geiseln mitgewirkt.

Im Fall von Mona Salem Ahmed gehe es lediglich um die Übersetzung von Texten, die so harmlos seien, daß sie in der Anklageschrift gar nicht erwähnt würden. Man hätte auch versucht, sie dazu anzustiften, gegen ihren Ehemann Mohamed Mahmoud auszusagen. Darüber hinaus sei es in der Haft zu zahlreichen Erniedrigungen und einer derart brutalen gynäkologischen "Untersuchung" gekommen, sodaß sie ihr Kind verloren habe.

Mohamed Mahmoud bekannte sich in allen Anklagepunkten nicht schuldig und distanzierte sich bei der Befragung durch den Richter ausdrücklich von Selbstmordanschlägen, diese seien unislamisch. Er betonte, daß nicht-islamische Staaten nicht zum Kampfgebiet des Jihad gehören. Vom Richter wurde er eingehend nach seiner politischen Meinung zu verschiedenen Entwicklungen im arabischen und islamischen Raum befragt - so viel zum Thema "kein politischer Prozess", wobei der Richter im Zusammenhang mit dem Irak ernsthaft von "freien Wahlen" sprach. Auch für seinen Aufruf, die österreichische Nationalratswahl 2006 zu boykottieren, mußte Mahmoud sich vor Gericht verantworten.

Mahmoud protestierte auch gegen den Ausschluss seiner Ehefrau aus der Verhandlung. Die im Verlauf der Gegenargumentation durch den Richter folgende Belehrung, Österreich sei ein demokratischer Staat, beantwortete er mit der Frage, ob es denn auch demokratisch sei, wenn Gerichtsakten an die Medien weitergegeben würden und in den Medien eine Vorverurteilung von Angeklagten stattfinde (wie es im gegenständlichen Fall zweifellos in einigen österreichischen Medien passiert ist - Anm. d. Verf.).

Mahmoud bestätigte, daß es sich bei seinen Behauptungen gegenüber anderen Mitgliedern der GIMF, er sei ein ausgebildeter Jihadist und habe Kontakte zu Al-Kaida und 2003 im Irak gekämpft, um eine Strategie gehandelt habe, die den Zweck hatte, Leute zu beeindrucken und damit eine wichtige Position in der GIMF zu erlangen. Auch sei sein Vater ein Gegner der Al-Kaida gewesen, während von der Anklage ja behauptet wird, sein Vater hätte ihn zum Jihadisten erzogen. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei der GIMF sei es ihm darum gegangen, den Menschen andere Sichtweisen der politischen Geschehnisse näher zu bringen als die in den westlichen Medien kolportierten.
Der Text zu dem bekannten Drohvideo, in dem die Staatsanwaltschaft den Tatbestand der versuchten schweren Nötigung erfüllt sieht, sei ihm lediglich von einem anderen GIMF-Mitglied zur Beurteilung geschickt worden. Er habe nicht gewusst, daß der Text in einem Video vorgetragen werden sollte, außerdem habe er in aller Deutlichkeit von einer Veröffentlichung abgeraten.

Anders als die Anklageschrift behauptet, habe er auch keinesfalls an Plänen für Anschläge bei der Fußball-EM 2008 in Österreich mitgewirkt, da er so etwas nicht gutheiße. Auf die Vorhaltung, auf seinem Computer seien Hinrichtungsvideos westlicher Geiseln gefunden worden, konterte Mahmoud, man könnte jemanden, der sich mit Material über die Untaten des NS-Regimes beschäftige, nur wegen des Besitzes dieses Materials auch nicht gleich der NS-Sympathie bezichtigen, ebenso wie man ihn nicht als Terroristen bezeichnen könne.

Staatsanwalt, Verteidiger und Geschworene hatten danach keine Fragen an Mohamed Mahmoud mehr. Die Verhandlung wird am Mittwoch, den 5.3., fortgesetzt.

AIK/Kurt Kann/Aug und Ohr