"Frankreich verhindert den Sieg des Widerstandes"

06.05.2008

Interview mit Ley-Ngardigal von der tschadischen ACTUS, aus Intifada Nr. 25

Dr. Djimadoum Ley-Ngardigal ist Generalsekretär von ACTUS, der Tschadischen Aktion für Nationale Einheit und Sozialismus, und lebt im französischen Exil. Im Interview schildert er die Situation des politischen Widerstandes im Tschad. Er spricht über den Kampf gegen das Regime Dà©bys und über die Rolle Frankreichs in der Region.

Intifada: Hat Ihre Partei am Angriff der Rebellen auf N'Djamena teilgenommen?

Djimadoum Ley-Ngardigal: Wir stehen in gutem Kontakt mit den Oppositionskräften und haben die Offensive unterstützt. Wir bevorzugen allerdings statt des in den Medien verwendeten Ausdrucks Rebellen den Begriff nationaler Widerstand. Denn es handelt sich nicht um eine Militärrebellion, sondern um eine Volksbewegung gegen eine neokoloniale Diktatur.

Intifada: Warum konnte der Widerstand die Hauptstadt nicht einnehmen?

Ley-Ngardigal: Am 1. Februar war N'Djamena praktisch gefallen. Die Truppen des Einheitlichen Militärkomitees (CMU) standen vor dem Präsidentenpalast. Bei der Kontaktaufnahme mit den Franzosen wurde diesen zugesagt, dass sie nicht angegriffen würden. Die französischen Truppen erbaten Zeit für die Evakuierung ihrer Landsleute, die ihnen Mohammed Nouri, der Oberkommandierende und Chef der Union der Kräfte für Demokratie und Entwicklung (UFDD), gewährte. Das nutzten die Regierungstruppen um sich mit Unterstützung der Franzosen zu reorganisieren. Das französische Kommando für Spezialkräfte (COS) griff mit Helikoptern und Nachtsichtgeräten sogar direkt in die Kämpfe auf Seiten der Regierungsarmee ein. Das ist der Hauptgrund des Scheiterns, während auch Divergenzen zwischen den Gruppen eine Rolle gespielt haben dürften.

Intifada: Der heutige Präsident Dà©by war selbst ein Rebell gegen die profranzösische Diktatur Habrà©s gewesen, wandelte sich dann schnell zum Gewaltherrscher von Frankreichs Gnaden. Wie kann diese Transformation im Falle eines Sieges verhindert werden?

Ley-Ngardigal: Die Tschader werden es einfach nicht akzeptieren. Heute besteht unsere Hauptaufgabe darin
gemeinsam selbst mit den reaktionären Kräften den Tyrannen Dà©by zu stürzen. Aber die schwierigere Aufgabe wird sein, in der Folge den Kampf darum auszutragen, wer ihn ersetzen soll. Die Frage der Führung ist nicht gelöst. Aber ich bin optimistisch. Esgibt antiimperialistische und revolutionäre Kräfte und auch unsere Präsenz wird einen Beitrag leisten. Außerdem können wir uns auf eine neue Generation von Kämpfern stützen, die die Erfahrungen der Vergangenheit verarbeitet haben.

Intifada: Sind die Oppositionellen Marionetten des Sudan, wie ihnen oft vorgeworfen wird?

Ley-Ngardigal: Der Widerstand gegen Dà©by hat wenige Monate nach seiner Machtübernahme begonnen
und zwar ohne den Sudan, der zu diesem Zeitpunkt Dà©by sogar noch unterstützte. Der Widerstand ist nicht
von außen geschaffen, er ist Ausdruck des Freiheitskampfes des tschadischen Volkes gegen ein blutrünstiges Regime. Frankreich will von dieser Tatsache ablenken und den Widerstand als
von außen gesteuert darstellen. Dabei war es Dà©by, der als erster die sudanesischen Rebellen der MJE (Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit) von Khalil Ibrahim unterstützte. Dà©by und Ibrahim gehören der gleichen Ethnie, dem Stamm der Zaghawa, an. Die sudanesische Unterstützung für den tschadischen Widerstand war eine Reaktion darauf. Aber auch De Gaulle hat die amerikanische Unterstützung
gegen die Nazis angenommen. Ist er dadurch zur US-Marionette geworden?

Interview: Wilhelm Langthaler