Kurzmeldungen

14.03.2004

Alltag in Nahost

Israelische Armee als Bankräuber
Am 24. Februar rückten israelische Truppen in Ramallah im besetzten Westjordanland ein und überfielen mehrere Banken. Palästinensische DemonstrantInnen warfen Steine auf die Räuber, das organisierte Verbrechen in Gestalt der israelischen Regierung setzte Tränengas, gummi-ummantelte Stahlgeschosse und scharfe Munition gegen die Protestierenden ein. Der Coup war gründlich geplant worden: Schon tags zuvor hatte die Armee Bankangestellte entführt, die nun mit vorgehaltener Waffe gezwungen wurden, Konten per Computer zu manipulieren. Die Überwachungskameras wurden abgedeckt. Laut eigenen Angaben erbeutete die israelische Armee "sechs bis neun Millionen US-Dollar" in bar. Ein Armeesprecher erklärte, es handle sich um Terrorgelder und die israelische Regierung würde sie "für humanitäre Hilfe für Palästinenser" verwenden. 42 PalästinenserInnen wurden von den Soldaten verletzt. Es ist zu befürchten, dass die Bankräuber straflos ausgehen.
Die jordanische Regierung protestierte gegen die Ausraubung jordanischer Banken. Es handle sich um eine Verletzung des Friedensvertrags von 1994. Richard Boucher, Sprecher des US-Außenministeriums, zeigte Verständnis für den Raub und meinte bloß, dass die israelische Regierung die Aktion mit den palästinensischen Behörden koordinieren sollte. Der Knesset-Abgeordnete Yuval Steinitz (Likud) erklärte zum Terrorismus-Vorwurf: "Wir sind im Krieg gegen die Palästinenser und gegen die Palästinensische Behörde. Es geht hier nicht um Beweise."
Es handelt sich um einen weiteren schweren Schlag gegen die zivile Infrastruktur der PalästinenserInnen.

Quellen: BBC, al-Jazira, 25. Februar 2004; Ha´aretz, Jerusalem Post, New York Times, 26. Februar 2004

Rassismus und Gewalt in Haifa
Am 15. Februar 2004 machte sich Issa Ghanaim auf den Weg zur Arbeit. Als er das Auto startete, hörte er ein eigenartiges Geräusch und entdeckte eine Bombe, die an die Unterseite des Wagens geheftet war. Er löste den Sprengsatz ab und warf ihn an den Straßenrand, wo er explodierte ohne Schaden anzurichten. Es ist der fünfte Anschlag dieser Art in Haifa. Am 28. Juni 2002 – einem Freitag – wurde eine Bombe beim Eingang der Moschee im Halisa-Viertel gezündet. Jamila Agbariyah, die beim Anschlag auf die Moschee verletzt wurde, wurde von der Sozialversicherung nicht als Terroropfer anerkannt. Die Versicherung erklärte, dass selbst wenn die Polizei das Ereignis als Terrorangriff qualifizierte, würde sie keine Entschädigung erhalten, da israelische Gesetze Terroranschläge, die von Juden verübt werden, nicht als feindliche Terroraktivität klassifizieren.
Ähnliche Bomben explodierten bei den Häusern palästinensischer Bewohner dieses Viertels. Vor kurzem explodierte eine Bombe im Auto des Knesset-Abgeordneten Issam Makhul. In all diesen Fällen verliefen die polizeilichen Ermittlungen im Sand. Diese Anschlagsserie führt zu dem Schluss, dass es eine rassistische Terrorgruppe in Haifa gibt, deren Ziel es ist PalästinenserInnen zu töten. Statt diesen Anschlägen ein Ende zu setzen, wurden Untersuchungen ohne Ergebnis abgeschlossen und "verrückten Elementen" wird mit Verständnis und Toleranz begegnet. Die Anschlagsserie reißt nicht ab.
Die Kommunistische Partei Israels, Abna´ al-Balad, BALAD, Islamische Bewegung und Ta…‘ayush rufen zu einer Vereinigung gegen diese Bedrohung auf.

Quelle: Ha´aretz, 4. März 2004, gemeinsame Presseerklärung von Kommunistische Partei Israels, Abna´ al-Balad, BALAD, Islamische Bewegung, Ta…‘ayush

Den Haag um 188 Dollar
Für alle, die gerne günstig reisen, gab´s im Februar 2004 ein attraktives Angebot: ein Flug von Tel Aviv nach Haag für nur 188 Dollar (statt 300-350). Als Gegenleistung müssen die Passagiere vor dem Internationalen Gerichtshof für Israel demonstrieren, während dieser über die Legalität des Trennzauns berät. Hinter dieser Initiative steht der Verein "Die zivile Koalition", ein Verein, der Volontäre anwirbt, um sich für Themen einzusetzen, bei deren Behandlung die Regierung auf Schwierigkeiten stößt. Er wandte sich an eine Reihe von Reisebüros und Fluggesellschaften, bis es ihm gelang, das attraktive Angebot zu erhalten. Hunderte Israelis machten davon Gebrauch.

Quelle: JED, 13. Februar 2004

Palästinensischer Staat in der Wüste?
Der rechtsradikale israelische Wohnbauminister Effi Eitam schlug am 18. Februar 2004 vor, dass Ägypten den Palästinensern ein Stück Wüste auf der Sinai-Halbinsel für einen palästinensischen Staat übergeben sollte: Ägypten könnte den Palästinensern unbewohnte Gebiete am Sinai geben, damit sie dort einen Staat gründen. "Das würde das Problem der Übervölkerung im Gazastreifen lösen", sagte Eitam von der Nationalreligiösen Partei (Mafdal) im israelischen Rundfunk. Weiters schlug er vor, dass die Palästinenser des Westjordanlands die jordanische Staatsbürgerschaft erhalten sollten – "Das würde ihnen eine Stimme im jordanischen Parlament geben" – während das Gebiet von Israel annektiert werden soll.

Quelle: AP, 18. Februar 2004

Mehr Siedler für die besetzten Gebiete
Im Jahr 2003 wurden laut Angaben der israelischen Regierung um 35% mehr israelische Siedlungen in den besetzten Gebieten gebaut als 2002. Insgesamt wurden 2003 neue Wohnungen für 1 850 Siedler errichtet. Der Wohnbau in Israel selbst ging hingegen um acht Prozent zurück. Alle Siedlungen in den besetzten Gebieten sind nach internationalem Recht illegal. Selbst Siedlungen, die nach "israelischem Recht" illegal sind ("nicht-autorisierte Außenposten"), werden von der israelischen Armee geschützt und vom Staat mit Straßen, Strom und Wasser versorgt. 70 000 PalästinenserInnen, die seit 1948 israelische Staatsbürger sind, deren Dörfer im Naqab/Negev aber von der Regierung "nicht anerkannt" werden, warten bis heute auf solche Infrastruktur.

Quellen: al-Jazira, Ha´aretz, Guardian 3. März 2004

Gib auf, wir haben deine Frau
Am 15. Februar 2004 zeigte der arabische Sender al-Jazira ein weiteres Mal in einem Bericht, wie das US-Militär im Irak vorgeht. Wird bei einer Durchsuchung statt des gesuchten vermutlichen Widerstandskämpfers nur dessen Frau gefunden, so wird diese im Austausch für einen Zettel mit diesem Satz mitgenommen: "Gib auf, wir haben deine Frau." Es wird vermutet, dass sich Dutzende irakische Frauen aus diesem Grund in US-Gefangenschaft befinden, auch wenn dies von Unteroffizier Robert Cargie in Tikrit bestritten wurde: "Das ist absolut nicht wahr. Wir verhaften Personen aufgrund von Hinweisen und Geheimdienstinformationen, dass die betreffende Person an Anti-Koalitions-Aktivitäten beteiligt ist. Wir nehmen diese Personen unabhängig vom Geschlecht ins Visier und tun unser Bestes, sie gefangen zu nehmen", sagte er. Dr. Muzhir al-Dulaymi, der Sprecher der "Liga zur Verteidigung der Rechte des irakischen Volks" sagte gegenüber al-Jazira allerdings, dass die Organisation "die Angelegenheit der Ehefrauen von Verdächtigen mit den US-Streitkräften besprochen hat."

Quelle: Freace.de, 16. Februar 2004

Irakische Widerstandsfront
Im Editorial der Zeitschrift der Irakischen Patriotischen Allianz (IPA) Muqawama (Widerstand, Nr. 16, 15. Februar 2004) kündigt Jabbar al-Kubaysi ihren Willen an, die IPA in eine politische Partei umzuwandeln. Die im Jahr 1992 gegründete Koalition ruft zu einer Nationalversammlung auf der Basis der wichtigsten nationalen Interessen des irakischen Volks auf. Sie strebt den Dialog mit allen nationalen Kräften an, um ein gemeinsames politisches Widerstandsprogramm zur Befreiung des Landes von der imperialistischen Besatzung zu formulieren. Sie verurteilt die Politik der einstigen irakischen Opposition, die diese zu einem Handlanger des Kolonialismus werden ließ. Die Ereignisse hätten die Richtigkeit der Politik der nationalen Versöhnung aller Widerstandskräfte, die von der IPA eingeschlagen wurde, gezeigt. Die Allianz, die aus verschiedenen politischen Strömungen besteht, will sich mit diesem Entschluss für alle Iraker – ungeachtet des ideologischen, religiösen oder politischen Hintergrunds – öffnen. Die Form der Koalition hat ihre historische Rolle ausgespielt und sie muss sich den heutigen politischen Entwicklungen anpassen.

Quelle: Muqawama

Folter und Mord im Irak
Ein britischer Soldat hat gegenüber der britischen Tageszeitung Sun sein Schweigen über die Misshandlungen an neun gefangenen Irakern in Basrah, die zum Tod eines der Iraker geführt hatten, gebrochen. Bereits Anfang des Jahres hatte der britische Independent über den Fall von Baha Mousa berichtet. Die detaillierte Aussage des Soldaten wischt allerdings auch die letzten Zweifel weg und offenbart die Brutalität, mit der vorgegangen worden ist.
Die neun Iraker wurden in einer drei mal drei Meter großen Zelle gefangengehalten und gezwungen, stundenlang in "Belastungsstellungen", also beispielsweise mit ausgestreckten Armen oder auf den Knien, zu verharren. "Sie mussten so bleiben, bis sie umfielen und es nicht mehr aushielten", so der Soldat. Dann wurden sie getreten und geschlagen oder in eine neue Haltung gezwungen. Der Soldat berichtet: "Die anderen Soldaten wurden in Belastungsstellungen, immer noch mit verdeckten Augen, im Gefängnistrakt gehalten. Das war, als die Schläge weitergingen. Einige der Jungs kamen nur vorbei, traten ihnen in den Bauch und schlugen sie. Das Stöhnen, Ächzen und Schreien ging endlos weiter. Die Gefangenen flehten: …‚Bitte aufhören, bitte aufhören.…‘ Sie waren früh am Morgen hereingebracht worden und die Schläge gingen bis in die nächste Nacht und den nächsten Tag weiter – ohne Unterbrechung. Die Soldaten machten sich einen Spaß daraus – beschimpfen sie, ließen ihre Aggressionen an ihnen aus. Es gab Faustschläge, Tritte und Schläge. Sie schrieen, fluchten und brüllten sie an – sie nannten sie …‚dumme irakische Bastarde…‘ und …‚beschissene Pakis…‘ [Pakistanis]. Während der ganzen Zeit wurden die Gefangenen in Belastungsstellungen gehalten. Man erlaubte ihnen nicht, sich hinzulegen und zu schlafen. Sie pissten und schissen sich an, weil sie solche Angst hatten. Man machte sich über sie lustig, wenn sie das taten. Sie weinten und schrieen vor Schmerzen. Es war so laut, dass es einige der Soldaten in nahegelegenen Unterkünften wach hielt."
Musa starb schließlich an den Misshandlungen. Er hatte mindestens fünfzig Verletzungen.
"Ich sah ihn einmal ohne die Kapuze. Er hatte ein stark geschwollenes blaues Auge, seine Nase war gebrochen und es sah aus, als wäre sein Kiefer ausgerenkt. Sein Gesicht war blutig", erzählte der Soldat. "Sie wurden schlimmer als Tiere behandelt."
"Untersuchungen" der britischen Behörden verliefen bislang ergebnislos.

Quellen: Independent, 4. Januar 2004; Sun, Februar 2004 (Internet), Freace.de

Wien: 150 Menschen demonstrieren für ein Ende der Besatzung
Rund 150 Menschen demonstrierten am 17. Januar 2004 in Wien gegen die Besetzung des Irak. Seit dem Ausbruch des ersten Golfkrieges 1991, wird jährlich an diesem Tag für das irakische Selbstbestimmungsrecht demonstriert. Das Bündnis "Freiheit für den Irak" (Irakische Gemeinde, Palästinensische Gemeinde, ArbeiterInnenstandpunkt, Revolution, Antiimperialistische Koordination, Arabischer Palästina-Club, DHKC-Informationsbüro) hatte zur diesjährigen Kundgebung aufgerufen. Die lautstarke Demonstration zog mit Transparenten, palästinensischen und irakischen Fahnen von der Universität Wien zur US-Botschaft, wo Reden der organisierenden Gruppen gehalten wurden. Eröffnet wurde mit einer Rede von Dr. Nuri al-Muradi von der Irakischen Kommunistischen Partei (Kader), der für die Demonstration angereist war. In den Reden wurde vielfach auf die Wichtigkeit des irakischen Widerstands in all seinen Formen, auf seine Legitimation durch das Völkerrecht, sowie auf die Illegitimität und Brutalität der Besatzer hingewiesen. Ebenso wurden die irakischen Führer im von den US-Amerikanern eingesetzten Übergangsrat als Kollaborateure verurteilt. Zum Abschluss der Kundgebung trat die Dabka-Gruppe des Arabischen Palästina-Clubs auf und gab eine Vorstellung von palästinensischem Volkstanz.Im Anschluss an die Kundgebung veranstaltete das Bündnis "Freiheit für den Irak" eine Diskussion mit Dr. Nuri al-Muradi über die Lage des Widerstands im Irak und über verschiedene Perspektiven eines zukünftig befreiten Irak. Wichtig erschien es nach diesem Aktionstag die Mobilisierung nicht einzustellen, sondern für einen antiimperialistischen Block auf der Demonstration am 20. März zum ersten Jahrestag des US-Angriffskriegs zu arbeiten.

Antiimperialistische Koordination