Zum irakischen Widerstand werden

14.03.2004

Editorial

"Wenn wir gegen Imperialismus und Neoliberalismus sind, dann müssen wir nicht nur den Widerstand im Irak unterstützen; wir müssen selbst zum Widerstand im Irak werden." (Arundhati Roy, Mumbai 2004)
Die indische Schriftstellerin Arundhati Roy hat anlässlich des Weltsozialforums (WSF) unsere Aufgabe auf den Punkt gebracht. Es war kein Zufall, dass sie auch auf der antiimperialistischen Parallelveranstaltung Mumbai Resistance sprach. Hingegen scheint die Antiglobalisierungsbewegung noch lang nicht so weit. Zwar konzentriert sich der Aufruf zum internationalen Aktionstag am 20. März, dem Jahrestag des angloamerikanischen Angriffs auf den Irak, auf den Kampf gegen die Besatzung. Doch es war nur nach schweren Auseinandersetzungen möglich, die ansonsten übliche Verurteilung des Widerstandes als Terrorismus zu verhindern.
"Gegen Krieg und Terrorismus" bzw. heute "Gegen Besatzung und Terrorismus" ist die fatale Formel, die zumindest in Deutschland und Österreich dominant bleibt. Sie suggeriert, dass der Widerstand Terror wäre, der mit dem von den USA ausgerufenen permanenten und präventiven Krieg gleichzusetzen sei. Tatsächlich stehen die Dinge aber völlig anders. Gegen die globalen Hegemoniebestrebungen der USA regt sich allerorts Widerstand, dem Amerika vorbeugend den Krieg erklärt hat. Durch die extreme Asymmetrie der Mittel ist der Widerstand gezwungen zu Methoden des irregulären Krieges zu greifen.
Die Formel "Gegen Besatzung und Terror" stellt nicht nur Unterdrücker und Unterdrückte auf eine Stufe, sondern sie verunglimpft den Widerstand der Beherrschten generell als Terror. So soll Solidarisierung verhindert werden. Hingegen ist der Widerstand gegen Embargo, Krieg und Besatzung durch den Imperialismus in jeder Hinsicht legitim.
Arundhati Roy brachte auf den Punkt, was die Mehrheit der Weltbevölkerung denkt: In der Causa Irak bietet sich eine einmalige Chance den amerikanischen Hegemoniebestrebungen eine Abfuhr zu erteilen. Zum irakischen Widerstand zu werden bedeutet nicht, in den Irak zu gehen, sondern den Kampf gegen den von den USA geführten Imperialismus auf globaler Ebene aufzunehmen, die antiimperialistischen Kämpfe solidarisch zusammenzuführen und ihnen auch vom Westen aus Unterstützung zu geben. Das rief Roy gerade auch den in Bombay versammelten Europäern zu!
Doch zu den daraus folgenden Konsequenzen stieß sie nicht vor. Die wichtigste Aufgabe ist zunächst der internationale Aktionstag in Unterstützung des irakischen Widerstands. Die Antiimperialistische Koordination unterbreitete diesen Vorschlag bei Mumbai Resistance und stieß dabei auf großes Gehör. Um den irakischen Widerstand mit dem palästinensischen zu verbinden wurde der 25. September – in Erinnerung an den Jahrestag der Intifada – als Aktionstag festgesetzt. Die zweite Aufgabe liegt in der Bildung von Komitees "Freier Irak", ebenfalls in Unterstützung des Widerstands.
Auf der Grundlage, den irakischen Widerstand zu unterstützen, besteht erstmals seit vielen Jahren die reale Möglichkeit die Zwiespältigkeit der Antiglobalisierungsbewegung zu überwinden, die gegen die Rebellion der Dritten Welt, die Hauptkraft des Kampfs gegen die kapitalistische Globalisierung, neutral zu bleiben versucht. Vor allem an der kapitalistischen Peripherie, aber auch im Westen gibt es eine reale Massenunterstützung für den irakischen Widerstand. Nun kommt es auf unsere vereinten Anstrengungen an diese Stimmung hörbar zu machen.
Dennoch dürfen wir nicht alles auf den Irak setzen. Der Widerstand hat sich konsolidiert und die Probleme der USA die Lage zu stabilisieren haben sich als von strategischer Natur erwiesen. Dennoch ist der Ausgang des Kampfs völlig offen. Eine Niederlage ist nicht auszuschließen. Der Kampf im Irak würde jedoch auch nach einer solchen weiter gehen, so wie es in Jugoslawien der Fall war. Wesentlich ist es, weiter zu blicken. Wenn der irakische Widerstand den konkreten Anlass zur Vereinigung der antiimperialistischen Kräfte gibt, so bildet das inhaltlich vereinigende Element nichts anderes als der Kampf gegen das amerikanische Imperium, den es als langfristige, übergeordnete Bewegung vorzubereiten gilt.

Willi Langthaler