Auf der Suche nach dem Hauptfeind und den Umgang mit den falschen Freunden

22.04.2010
Von Initiativ e.V
Bilanz nach dem Aufmarsch von PRO NRW und NPD am 27./28. März 2010 in Duisburg

1. Die Route von Pro-NRW und NPD konnte durch Blockaden bzw. durch die Mobilisierung zu Blockadepunkten an den Auftaktkundgebungsorten jeweils verkürzt werden. Durch die Erfahrungen aus 2005 (1) und dem breiten politischen Druck im Stadtteil war die Polizei gezwungen, beide Demonstrationszüge der Rechten außerhalb des Stadtteiles Duisburg-Marxloh zu führen.

2. Die SPD ist heute offensichtlich nicht mehr in der Lage eigenständig zu mobilisieren. Nur durch die DGB-Mobilisierung in Kombination mit dem Auftritt von SPD-Größen wie Gabriel und andere konnte ein eigener Auftritt inszeniert werden. Das alles in einem Stadtteil bzw. in Stadtteilen, in denen die SPD vor 20 Jahren noch regelmäßig 60% und mehr Wählerstimmen hatte.

3. Die Versuche, die Zusammenarbeit zwischen dem Moscheeverein und Milli Görüs einerseits und der Zivilgesellschaft andererseits zu torpedieren, sind misslungen. Dabei kamen diese Versuche gleichermaßen von Rechts (Pro-NRW, Pax Europa, Politically Incorrect), wie auch von ehemaligen linken Kräften, die sich heute insbesondere der „Verteidigung“ der USA und Israels verschrieben haben. Die Kritik islamischer Organisationen an der Politik Israels wird zu Antisemitismus umgedeutet, und den verschiedenen islamischen Gemeinschaften wird per se Judenfeindschaft attestiert. Damit befinden sich jene Kräfte in politischer Eintracht mit der offiziellen Politik und deren Verfassungsschutzbehörden.

4. Die lokalen Bündnisorganisationen wie Kirchen, Parteien und Stadteilaktive haben trotz massiver Gegenpropaganda vonseiten des Polizeiapparates bis zum Schluss offiziell an der Verhinderung der Aufmärsche festgehalten.

5. Ein Großteil der Linken hat die politische Brisanz des Themas Islamfeindlichkeit nicht verstanden. Statt zur Kenntnis zu nehmen, dass die eigentliche Gefahr von den Kulturkämpfern von Pro-NRW ausgeht, glauben sie lediglich, dass der alte Rassismus ein neues Gesicht bekommen hat. Die besondere Bedeutung des Themas Islam im Zusammenhang mit den imperialen Zielen im Nahen und Mittleren Osten haben sie noch
nicht wirklich zur Kenntnis genommen. Ebenso werden die Erfahrungen aus Belgien mit Vlaams Belang und aus Österreich mit der FPÖ weiterhin ignoriert.

6. Eine offene Kritik an SPD und Grünen lehnen diese linken Kräfte ab, weil sie glauben, mit diesen Parteien im Kampf gegen Krise und Krieg kooperieren zu müssen. Dies gilt nicht nur für pro-bürgerliche Kräfte in der Partei Die Linke, sondern ebenfalls für die vermeintlich radikale Linke.

7. Jene Linken versuchen, die chauvinistisch antitürkischen, antiarabischen und damit antiislamischen Kampagnen der Neoliberalen (Sarrazin, Westerwelle, Broder etc.), die mittlerweile nicht mehr nur gegen den „äußeren Feind“ gerichtet sind, sondern sich immer mehr gegen die islamische Minderheit im eigenen Land richten, unter Einfluss der Neoliberalen zu bekämpfen. Ein vermeintlicher Zusammenschluss auf „gleicher Augenhöhe“ im Namen des Antifaschismus ist ihnen wichtiger, als ein Bruch mit den Linksliberalen von Rot-Grün.

8. Am Wochenende des 27./28. März mit seinen Doppelaufmärschen von Pro-NRW und NPD ging es um die Vorherrschaft im rechten bzw. faschistischen Lager beim zentralen Thema Islamophobie. Sollte es im Rahmen der Landtagswahl am 9. Mai Pro-NRW gelingen, einen Achtungserfolg zu erzielen, so wird das die Position der faschistischen NPD und der ihr nahe stehenden militanten Neonaziszene (Freie Kameradschaften, Autonome Nationalisten) nachhaltig schwächen.

9. Das Ziel, mit möglichst vielen Menschen in Kooperation mit den neoliberalen Parteien gegen NPD und Pro-NRW auf die Straße zu sein, hat keinen wirklichen Beitrag im Kampf gegen den hohen Grad an islamfeindlichen Einstellungen und deren politischer Formierung geleistet. Statt die ausgetretenen Pfade einer wie auch immer gearteten „Volksfront von links“ zu verlassen, bleibt man lieber dieser alten Linie treu. Die Kooperation mit Muslimen, die sich gegen imperiale Kriege und den (Sozial-) Rassismus der Neoliberalen richten, wird weiterhin nicht als vorrangig angesehen, weil dies in der „Linken“ politisch nicht als mehrheitsfähig erscheint. Anstatt seinem selbst propagierten Avantgardismus zu entsprechen, knickt man vor den gesellschaftlichen Mehrheiten ein. Hier grüßt bereits rot-rot-grün, besser: mitte-links. Während man vorgibt, solch einer Entwicklung entgegenzutreten, ebnet man ihr auf der Straße den Weg.

10. In diesem Sinne bleibt festzuhalten, dass nur eine klare antineoliberale Antikriegsposition mit einem offenen Konzept des aktiven Widerstandes einen Beitrag im Kampf gegen Islamfeindlichkeit, imperialistische Kriege und dem nach wie vor vorherrschenden Liberalismus leistet. Alles andere führt weder zu einer Politisierung noch dient es einer organisatorischen Stärkung jener Kräfte, die für eine Alternative zur herrschenden Weltordnung kämpfen.

Duisburg, den 20.4.2010

(1) 2005 wollten Kameradschaften mit Unterstützung der NPD durch den Nachbarstadtteil Hamborn marschieren. Die Demonstrationsroute sollte mitten durch einen Stadtteil geführt werden, in dem zu einem hohen Anteil Migrantinnen und Migranten wohnen. Aufgrund der Tatsache, dass die migrantische Jugend auf der Straße stand, wurde unter dem Vorwand des Verstoßes gegen Auflagen die faschistische Demonstration nach keinen 100 Metern wieder aufgelöst und die Teilnehmer aus der Stadt verfrachtet. Die Polizei hätte sonst die Demonstration durch den Stadtteil prügeln müssen.