Erster Bericht des Freiwilligeneinsatzes in Ein El-Hilweh, Libanon

Campaign: 
02.08.2010
Sumud: Elisa Wiener & Mohammad Aburous
27. Juli 2010 Nach und nach kamen die Teilnehmer/innen der Delegation von SUMUD 2010 in Beirut und Sidon an, wo sie von den NASHET-Aktivist/innen erwartet und ins palästinensische Flüchtlingslager Ein El-Hilweh begleitet wurden. 17 Teilnehmer/innen aus Österreich, Deutschland und Italien kamen auf unterschiedlichen Wegen in den Libanon um ein konstruktives, kreatives und politisches Zeichen zu setzen. Untergebracht wurde die Delegation in den Räumlichkeiten des Sumud-Zentrum, das 2009 im Rahmen der Sumud-Delegation renoviert und bereit gestellt wurden (siehe http://www.sumud.at/projekte).
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Kaum angekommen schritten die Aktivist/innen zur Tat. Die fehlenden Einrichtungsgegenstände für das Multimedia-Center wurden eingekauft. Nach dem ersten Kennenlernen bot Naschet den Gästen eine Erstbesichtigung des Lagers, wo die Delegation durch ihre orangefarbenen T-Shirts auffiel. Teilnehmer/innen, die bereits zum zweiten Mal an der Delegation dabei waren, wurden von den Bewohner/innen des Camps sofort erkannt und herzlich begrüßt. Schon bei der ersten Besichtigung gewannen die Besucher einen Eindruck von der intensiven politischen Geschichte und Gegenwart des Lagers. Überall hingen Bilder palästinensischer Märtyrer, Symbole der palästinensischen Organisationen und Transparente mit politischen Parolen. Man verlässt die libanesische Normalität, hier fängt Palästina an. Zwischendurch hielt sich der Zug für einen Kurzbesuch im Büro der PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) auf, wo er von deren Sprecher Abu Bassel empfangen wurden. Führte die internationale Delegation in die aktuelle Lage im Libanon ein, die Sumud-Delegation überbrachte ihrerseits die erste Solidaritätsbotschaft. Durch die engen, verwinkelten Gassen führte der Weg zum Sumud-Zentrum zurück, wo nach dem Essen bereits der erste kreative Gedankenaustausch über die unterschiedlichen Ideen für das Filmprojekt stattfand. Gegen Mitternacht traf eine weitere Delegationsteilnehmerin, eine Landesabgeordnete der Linskpartei aus Nordrhein-Westfalen, ein. Nach einem ereignisreichen ersten Tag verteilten sich die Teilnehmer/innen im Lager um sich für den nächsten Tag auszuruhen.

Am nächsten Morgen gleich nach dem Frühstück fand ein Besuch bei Monir Maqudah statt, einer führenden Persönlichkeit der Fatah. Maqudah war einst der Anführer der Fatah im Lager, bis er sich nach dem Oslo-Abkommen von der Fatah distanzierte. Maqdah hatte versucht, eine neue Organisation zu gründen, die Arafat und dessen Linie die Stirn bieten könne. Der Versuch scheiterte am Mangel an Ressourcen, woraufhin er sich über die Jahre wieder an die Fatah annäherte und sich heute als Repräsentant der Fatah versteht, der die Organisation von innen heraus verändern will. Für den Rest des Tages gönnte sich die Delegation einen freien Tag am Strand von Tyr. Überraschend dabei war die Beobachtung, dass in der mehrheitlich schiitischen Stadt mehr Toleranz bezüglich Kleidervorschriften und Verhaltensregeln herrscht als in der benachbarten schiitischen Stadt Sidon. Jene erkundete die Delegation noch später am Abend um den Tag am "Corniche" abklingen zu lassen, da am kommenden Tag erst die eigentliche Arbeit beginnen sollte. In der Nacht zum Montag vervollständigte sich die Delegation mit der Ankunft der Grazer Teilnehmer/innen.

Am Montagvormittag folgten weitere politische Treffen. Die Delegation wurde vom offiziellen Fatah-Führer eingeladen. Leutnant Mahmoud Isa, genannt Lino, führt sowohl die Fatah als auch die Truppen der PLO im Lager an. Diese stellen die Polizei des Lagers dar und sind somit für die zivile Sicherheit zuständig. Er erklärte den Delegationsteilnehmer/innen die anstehende Arbeit und Aufgaben der PLO im Lager und betonte ihre Rolle im Kampf gegen die salafitischen Gruppen im Lager. Außerdem schilderte er seinen umfassenden Verantwortungsbereich angefangen von der Verkehrskontrolle bis hin zur Regelung des Marktes. Ebenso wie ein Vorgesetzter in Ramallah erhofft sich Lino mehr politische Anerkennung und europäische Förderungsgelder als Gegenleistung für die Kooperation in Sachen Sicherheit. Sein umfassendes Sicherheitskonzept sieht eine eiserne Faust gegen radikal-islamische Gruppe vor, jedoch eine Sicherheitskooperation mit anderen anwesenden Organisationen, fernab politischer Differenzen. In seiner Darstellung ähnelt das Lager in vielerlei Hinsicht der Situation in den besetzten Gebieten im Westjordanland.

Am Nachmittag fand im Sumud-Zentrum eine Diskussion über die historische Entwicklung der politischen Gruppen statt. Das Eintreffen der Regisseurin und Filmemacherin Arab Lotfi bedeutete den offiziellen Beginn des Filmworkshops. Die in den ersten Tagen entstandenen Konzepte für den Dokumentarfilm wurden zusammengefasst und neu diskutiert. Arab Lotfi kommentierte und erweiterte sie mit ihren Vorschlägen.

Am Abend besuchte die Delegation das Maaruf-Saad-Kulturzentrum in Sidon. In nach dem ermordeten nasseristischen Anführer benannten Gebäude fand eine politische Ausstellung statt. Sie bestand vor allem aus Zeitungsarchivmaterial über die nasseristische Bewegung in Sidon und ihre Rolle im Kampf gegen die faschistischen "Lebanese Forces" und die israelische Aggression. Die "Lebanese Forces" waren für viele Autobomben-Anschläge gegen politische Gegner verantwortlich, was die Ausstellung anschaulich darstellte. Bedeutsam wird die Ausstellung zur Zeit vor allem deshalb, weil gerade die "Lebanese Forces" die Hisbollah für die Ermordung des früheren Premierministers Hariris im Jahr 2005 verantwortlich machen.

Später am Abend wurde der kommende Tag geplant und die Arbeitsgruppen für den Filmworkshop eingeteilt: Solidarität wird kreativ...

Elisa Wiener & Mohammad Aburous

Verweise