BRD: Keine Pressefreiheit für Kurden

11.11.2010
Ermittlungen gegen pro-kurdische Zeitung auf türkischen Wunsch

Aufgrund einer Anzeige der Botschaft der Republik Türkei läuft momentan ein Ermittlungsverfahren gegen die pro-kurdische Tageszeitung Yeni Özgür Politika mit Sitz in Neu-Isenburg/Hessen. Gegenstand des Verfahrens ist eine Presseberichterstattung. Diesem Sachverhalt entsprechend wurde über das Hessische Ministerium für Justiz für Integration in Europa über die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt der Leitende Oberstaatsanwalt in Darmstadt angeschrieben. Dieses Schreiben enthält im Betreff folgenden Inhalt: "Rechtshilfeverkehr in strafrechtlichen Angelegenheiten mit der Türkei". Die zuständige Staatsanwaltschaft Darmstadt hat signalisiert, dass in dieser Sache Anklage gegen die europaweit einzige kurdische Tageszeitung erhoben werden wird.

Bereits diese Verfahrensgeschichte kann nur als problematisch bewertet werden. Die EU-Kommission hat in ihrem Fortschrittsbericht 2010 über die Türkei hinsichtlich der Verhandlungen mit der EU - erneut - vor allem Defizite bei Menschenrechten und bei der Meinungsfreiheit angemerkt. Größtes Hindernis - so der Fortschrittsbericht - auf dem Weg der Türkei in die EU sei immer noch die Verletzung von Bürgerrechten - hierbei wurde ausdrücklich auf die Defizite bei der Pressefreiheit hingewiesen. Auch in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.02.2010 wurde die Regierung der Türkei insbesondere mit Nachdruck aufgefordert, die Rechtsvorschriften in Bezug auf Meinungs- und Redefreiheit auszuweiten.

Dass nun die Botschaft einer Regierung, der von der EU als Beitrittshindernis u.a. mangelnde Pressefreiheit attestiert wird, in einem EU-Mitgliedsstaat versucht, ein Vorgehen gegen Presseorgane zu initiieren, ist ungeheuerlich. Kurdische JournalistInnen erinnern sich nur zu gut an den 3. Dezember 1994, an dem das Redaktionsgebäude der pro-kurdischen Zeitung 'Özgür Gündem' auf Befehl der damaligen Premierministerin der Türkei, Tansu Çiller, bombardiert wurde. Seitdem hat die türkische Regierung 29 pro-kurdische Zeitungen schließen lassen und unzählige Male vorübergehende Erscheinungsverbote erlassen. Zuletzt wurde die einzige kurdischsprachige Tageszeitung in der Türkei, Azadiya Welat, im August für einen Monat geschlossen. Der verantwortliche Redakteur der Zeitung, Vedat Kurşun, wurde zu einer Gefängnisstrafe von 166,5 Jahren (!) verurteilt. Eine hohe Zahl an weiteren JournalistInnen befinden sich in der Türkei in Haft.

Nun versucht die türkische Regierung außerhalb ihrer eigenen Grenzen eine kritische Presseberichterstattung zum Schweigen zu bringen. Besorgniserregend ist in dieser Sache die Rolle der deutschen Justiz. Sollte sie das Verfahren zur Anklage bringen, würde sie eigene Werte, allen voran die Freiheit der Presse, mit Füßen treten. In einer Zeit, in der Rechte und Freiheiten einem neuen Menschenrechtsparadigma und "Sicherheitskonzept" zu Opfer fallen, ist es Pflicht, diese zu verteidigen. Zensur richtet sich immer gegen die Wahrheit. Deshalb rufen wir dazu auf, gegen Zensur und Mundtotmachung die Freiheit der Presse zu verteidigen. Wir UnterzeichnerInnen erklären uns solidarisch mit der Tageszeitung Yeni Özgür Politika und rufen die deutsche Justiz dazu auf, von Beihilfe für das Abschalten einer kritischen Presseberichterstattung abzusehen.

Unterschriftenliste bitte an Medya Presse- und Werbeagentur GmbH, Hans-Böckler-Str. 16,
D-63263 Neu-Isenburg, medya@yeniozgurpolitika.org, www.yeniozgurpolitika.org senden