Tunesien: Neue Regierung des alten Regimes wackelt

18.01.2011
Volk und politische Organisationen fordern Rücktritt des Regimes
Antiimperialistische Koordination
Nur ein Tag nach der Bildung einer neuen Regierung in Tunesien wurde diese von den Ministern der parlamentarischen „Opposition“ verlassen. Vertreter des „Bundes für Demokratie“ sowie zwei Vertreter der offiziellen Gewerkschaftsführung gaben heute, Dienstag, 18. Januar 2011, ihren Rücktritt bekannt. Einige Stunden später traten der Parlamentvorsitzende Fuad Mibze’ und der Premierminister Mohammad Ghnouchi aus der Regierungspartei aus.
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Die Regierungsbildung durch Vertreter des Regimes von Ben Ali stieß weitgehend auf Ablehnung in der tunesischen Öffentlichkeit. Oppositionelle Kräfte fordern den Rücktritt der Regierungspartei und die Bildung einer Übergangsregierung, die den Weg zu freien Wahlen ebnet. Bei der jetzigen Regierung sind nicht nur alle verhassten Figuren des Regimes auf ihren Posten geblieben, sondern auch alle Schlüsselministerien in deren Händen. Insgesamt drei Ministerien wurden an legale „Oppositionsparteien“ vergeben, während alle tatsächlich repräsentativen politische Kräfte im Land ausgeschlossen wurden. Am Montag löste die Polizei in der Hauptstadt Protestdemonstrationen gewaltsam auf. Die Proteste verbreiteten sich wieder im ganzen Land. Die Opposition macht die Regierungspartei für die Misere im Land und vor allem für die letzten Ereignisse verantwortlich. Der neue Innenminister drohte den Demonstranten erneut und warnte vor den Konsequenzen der Entfernung der Regierungspartei aus den Schlüsselfunktionen im Staatsapparat.

Auch Regime nahe Parteien und Oppositionskräfte, die zum Regierungsbeitritt bereit waren und vom Regime ignoriert wurden, kritisierten die praktisch einseitige Regierungsbildung und schlossen sich den Forderungen der Massen nach einer Übergangsregierung an. Sprecher der islamischen Bewegung Al-Nahda sowie Sprecher der Tunesischen Liga für Menschenrechte kritisierten die Regierungsbildung und betrachteten sie als nicht repräsentativ, da diese nicht nach einem Dialog mit allen politischen Kräften erfolgt war.

Viel deutlicher war von Anfang an die Kommunistische Arbeiterpartei (KAP), welche die Beauftragung von Ghnouchi mit der Regierungsbildung als eine Hintergehung des Volksaufstands. In einer Erklärung vom 15. Januar bezeichnete sie den Rücktritt von Ben Ali als halben Sieg und rief zum Sturz des gesamten Regimes auf. Sie betrachtete eine Demokratisierung durch die Regierungspartei als einen Widerspruch in sich und forderte eine neue konstituierende Versammlung sowie eine Übergangsregierung aus den Basiskräften, die auf freie Wahlen vorbereiten sollte.

Mittlerweile gehen Plünderungen und Sabotageaktionen durch die Milizen von Ben Ali zurück. Hunderte Anhänger der alten Sicherheitsapparate wurden von der Armee verhaftet bzw. von den Volkskomitees außer Gefecht gesetzt.

In wiefern das Regime bereit sein wird, auf die Forderungen der Massen einzugehen, das werden die kommenden Tage zeigen. Klar ist nun, dass das Regime alles versucht, um an der Macht zu bleiben. So wird es weiter die Annäherung an andere politische Kräfte suchen. Wie viele davon es bestechen wird und wie weit sich diese bestechen lassen, das hängt von der Wachsamkeit der Massenbewegung und vom Andauern der Proteste ab. Nur die Volksbewegung kann die politische Elite von opportunistischen Kompromisse mit dem Regime abschrecken. Die Massenbewegung ist nun im Wettlauf mit der Zeit um ihre Gegenmacht aufzubauen, bevor die Panzer rollen.

Antiimperialistische Koordination
18.01.2011

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