Kandidaten zur ägyptischen Präsidentschaft

21.06.2011
Ein erster Überblick
Von Wilhelm Langthaler
Das Land am Nil bleibt unruhig. Der Sturz Mubaraks war das Startsignal für einen Prozess der Veränderung, für neue, bisher unterbundene Konflikte, deren Ausgang ungewiss ist. Mit dem Referendum vom 19. März 2011 hat der Militärrat gemeinsam mit den islamischen Kräften die Forderung nach einer verfassungsgebenden Versammlung vorerst abgewehrt. Daher werden die Parlamentswahlen, geplant für September, sowie die Präsidentenwahlen, anberaumt für den Jahreswechsel, unter den Rahmenbedingungen eines höchst präsidentialistischen Systems stattfinden.

Die Kandidatenlandschaft vermittelt eine Idee der politischen Lage. Allerdings können sich die Dinge im Verlauf des nächsten halben Jahres – auch grundlegend – ändern.

Amr Moussa
Der gegenwärtige Generalsekretär der Arabischen Liga ist der Hauptkandidat des alten Regimes, der Generäle und der Geschäftswelt. Er versucht sich ein propalästinensisches Image zu geben und distanziert sich nachträglich von Mubarak. Das ist jedoch im Grunde so unglaubwürdig, dass seine Kampagne implodieren könnte.

General Magdy Hatata
Der pensionierte Generalstabschef könnte dem reaktionären Block als Ersatz für Moussa dienen. Immerhin verfügt die Armee über ein gewisses Prestige.

General Ahmed Bilel
Weil er 1991 gegen die ägyptische Unterstützung für den Angriff auf den Irak protestiert hatte, könnte er die etwas nationalere Variante von Hatata abgeben.

Mohamed ElBaradei
Als früherer Vorsitzender der Internationalen Atomenergiebehörde ist er international sicher der bekannteste Kandidat. Doch weder das alte Regime noch die Volksbewegung trauen ihm. Zwischen den Stühlen sitzend, wird allgemein mit seiner Niederlage gerechnet, was ihn letztlich auch für den Westen uninteressant macht.

Ayman Nour
Er sitzt der El Ghad-Partei vor, die Teil der legalen liberalen Opposition unter Mubarak war. Es ist nicht auszuschließen, dass er unter Teilen der Mittel- und Oberschichten Unterstützer finden wird.

Abd el Minim Futur
Die Muslimbrüderschaft hält ihren Joker vorläufig noch im Blatt. Offiziell heißt es, sie werde keinen Kandidaten aufstellen. Der Geschäftsmann Futur hat vor Kurzem seine Mitgliedschaft bei den Moslembrüdern zurückgelegt, vermutlich um als unabhängiger Kandidat zu erscheinen. Die Bruderschaft würde am liebsten einen gemeinsamen Kandidaten unterstützen, auf den sie Einfluss auszuüben vermag, ohne sich zu stark zu exponieren. Sollte das scheitern, so haben sie immer noch Futur.

Hisham Bastawisi
Der Vizepräsident des Kassationsgerichtshofes ist ehemaliger Kommunist. Als moderat eingeschätzt, kann er vielleicht auch einen Teil des liberalen Milieus mobilisieren. Als Richter kann er das Prestige dieses Berufsstandes beanspruchen, der sich auch vor dem Umsturz gegen Mubarak zur Wehr gesetzt hat.

Hamdeen Sabahi
Der ehemalige Parlamentarier ist der Chef der nasseristischen Karama-Partei. Er deckt in etwas das gleiche Milieu ab wie Bastawisi, namentlich die linken, nationalistischen Kräfte der Volksbewegung. Einer der führenden Figuren dieses Bereichs, Abdelhaleem Kandil, kündigte an mit beiden verhandeln zu wollen, sich auf einen einzigen, gemeinsamen Kandidaten der Linken zu einigen. Im ersten Moment hatte Sabahi das „Ja“ im Referendum unterstützt, zog es aber unter dem Druck seiner Partei und des Basisbewegung wieder zurück.

Buthaina Kamel
Die liberale Journalistin ist die einzige Frau, die ihre Kandidatur zum Rennen um die Präsidentschaft angekündigt hat.

Auf dem Weg zum Flughafen durften wir der Stimme des Volkes aus dem Mund unseres Taxifahrers lauschen. Er lehnte Moussa und Baradei ab, weil sie die Nato nach Libyen bzw. die USA in den Irak gebracht hätten. Die Linken wären gute Leute, aber zu unerfahren und der Stabilität abträglich. Die Muslimbrüder wiederum wären vertrauenswürdig, doch würden sie die internationale Gemeinschaft erschrecken, was sich das Land nicht leisten könne. Beim Referendum über die Änderung der Verfassung hatte er mit Ja gestimmt, weil damit die Streichung des Islam als Staatsreligion verhindert worden wäre. Doch die Stimme des Volkes wollte uns letztlich nicht sagen, wer mit seiner Stimme rechnen darf.

3. Mai 2011

Verweise