Die Volksbank, die Wiener Initiative, der STAMOKAP und die SPÖ

31.03.2012
Staatsmonopolistischer Kapitalismus, Teil 1
Von A.F. Reiterer
Die Volksbank kommt in Nöte und ruft um Hilfe.

Die österreichische Regierung ist gerade mit einem massiven Belastungspaket für die Bevölkerung beschäftigt. Da 10 Milliarden und dort 100 Millionen, usw. – „da“ sind die Pensionisten, und „dort“ sind die Spitzenverdiener. Doch sie lässt sich nicht lumpen und legt der Volksbank 700 Millionen hin, zusätzlich zu den 2 ½ Milliarden, die sie ihr schon vor zwei Jahren schenkte. Von den kriminellen Fällen der Hypo Alpe Adria und vergleichbaren Banken wollen wir hier nicht sprechen, weil dies ein leicht verschiedenes Thema ist. – Die Begründung für die Großzügigkeit: Die Bank sei „systemrelevant“; und dann bringt Faymann den Standard-Schmäh: Geben wir ihr nicht diese 700 Millionen zusätzlich, dann kostet uns dies 13 Milliarden. Die Zahlen sind, wie bei den seinerzeitigen Haider-Taferln in Fernseh-Wahlkämpfen, aus den Fingern gesogen…

Damit man in der SPÖ was wird, muss man eine Bank verjankern. Stix, Zilk / Häupl, Hundsdorfer waren so aktiv. Ministerin Schmidt, verantwortlich für enorme Spekulations-Verluste bei der Kommunalkredit, seinerzeit, und in der Spätfolge auch jetzt wieder, wird vielleicht noch Bundeskanzlerin… Aber das ist kein Zufall! Die SPÖ muss sich bewähren.
Die Internationalisierung des Finanz-Kapitalismus wird politisch beschleunigt. Vor drei Jahren wurde die EBCI (European Bank Coordination Initiative), vulgo Wiener Initiative auf die Beine gestellt. Die Finanzkrise war in Osteuropa angelangt, im Schrebergarten des hiesigen Finanzkapitals. Die Banken trauten einander nicht. Rumänien stand vor einer akuten Zahlungs-Klemme, Serbien detto. Da wandten sich die hiesigen Banken an die EBRD, an die Brüsseler Kommission und an andere IFIs, wie dies so schön heißt („International Finance Institutions“). Sie gelobten, Osteuropa nicht fallen zu lassen, wenn staatliche Institutionen auch helfen. Sie verpflichteten sich, die Risken dort nicht abzubauen, keinen „home bias“, eine Bevorzugung der nationalen Mutterbanken einzuziehen und ihren osteuropäischen Töchtern mehr Geld zur Verfügung zu stellen, falls die dortigen nationalen Regierungen sie nicht diskriminierten. Dafür übernahm die EBRD, die Osteuropa-Bank der EU, Garantien: Der Rahmen sollte 23 Mrd. € betragen; es wurden gut 33 Mrd. Teilnehmer aus Österreich war, neben der Ersten, Raiffeisen, Bank Austria, auch die Volksbank.

Man beachte: Beteiligt sind auch Serbien, BiH, Albanien und die Ukraine. Nicht nur der nationale Kernbereich wird deutlich überschritten, auch jener der EU. Dafür unterstützen die Banken die antisozialen Politik-Programme der EU. Man will das „Gefangenen-Dilemma“ vermeiden. Es geht um Koordinierung und Planung im Interesse der Banken und ihrer momentanen und künftigen Gewinne. Dazu ist die „Öffentlich-private Partnerschaft“ unumgänglich.

Es kommt einem ein altes Konzept in den Sinn, das mit dem Abstinken der alten sowjethörigen KPen seit Langen verschwunden ist: Der STAMOKAP, der Staatsmonopolistische Kapitalismus. Hatte diese Theorie also Recht?

Es ist hier nicht der Ort, eine gründliche Kritik des STAMOKAP zu liefern oder gar seine Erneuerung theoretisch anzugehen. Halten wir eines fest: Der STAMOKAP war im Grund keine Theorie, sondern eine Beschreibung gegebener Tendenzen. Theoretisch unterschätzte er entscheidend die Autonomie des politischen Systems. Und das ist wichtig. Die nationalen parlamentarischen Demokratien boten auch progressiven Kräften eine gewisse Möglichkeit. Eine basisgestützte Politik, welche die Massen aus Angst vor den nächsten Wahlen nicht aus dem Blick ließ, hat zum Aufbau des europäischen Sozialstaats beigetragen. Das war das Beste, was für die Unter- und Mittelschichten in der bisherigen Geschichte überhaupt auf eine oder zwei Generationen geschaffen wurde.

Die demokratische Kontrolle im Nationalstaat wird nun in atemberaubender Geschwindigkeit und mit eiserner Konsequenz abgebaut. Die Wiederauferstehung des STAMOKAP findet auf internationaler Ebene statt. Man kann das in diesem Fall besonders gut demonstrieren – aber auch seine Grenzen.

Die Wiener Initiative soll, so heißt es im Bericht eines Beamten des österreichischen Finanzministeriums für die bürokratischen Eliten, die enge Integration des europäischen Finanzmarkts aufrecht erhalten und gegen systemische Störungen abschirmen. Das europäische Finanzkapital bittet die Politik, es gegen sich selbst und seine kurzfristigen Profit-Interessen zu schützen, siehe Gefangenen-Dilemma. Dafür muss man die übernationale politische Architektur verstärken. „Man musste nationale Schutzwälle vermeiden… Kurzfristig hätte dies Sinn gemacht… aber angesichts der engen Integration der europäischen Finanzmärkte … ginge dies gegen die Logik eines integrierten Finanzmarkts“ (Nitsche o.J. [2011], 10).
Aus diesen Bemühungen entstand eine Muster-Struktur, „a standard format“, für die Durchführung einer public-private-Kooperation in makrofinanziellen Anpassungs-Programmen, m. a. W.: für die politischen Regelungen der Banken-Interessen. Dies machte Hoffnung für die Zukunft: Immer wieder hörte man in der letzten Zeit die Idee, auch die Euro-Krise in Griechenland so zu bewältigen.

Aber das ist eine Verkennung der Dimension dieser Krise. Denn dabei handelt es sich um eine Krise des übernationalen Systems und seiner Politik.

Damit haben wir auch vorerst die Grenzen des Möglichen erreicht, und die der Nützlichkeit der STAMOKAP-These. Noch mehr als an langfristigen Gewinnen und möglichen Marktanteilen sind Bank am kurzfristigen Schnitt interessiert. Das folgt aus der Logik des Systems. Langfristig, und diese „lange“ Frist setzt sehr schnell ein, alles, was über ein Viertel- oder ein halbes Jahr überschreitet, wissen sie, dass sie nur das Prinzip Hoffnung haben. Also gilt es, den schnellen Gewinn zu machen. In der getragenen Sprache des Propagandisten, wenn er über die Mängel der Initiative spricht: „Internationale Banken konkurrieren um kurz- und langfristige Profite und … wollen ein liberales Umfeld, welches nicht in ihre Geschäftsstrategie eingreift“ (Nitsche, 12). Die politischen Eliten in Osteuropa waren durchaus bereit, auch hohe Kosten für ihrer Bevölkerung in Kauf zu nehmen. Die Nutznießer, die Banken wollten einfach die Krise übertauchen und dann business as usual machen. Aber um Gottes willen keine Planvorgaben! Denn dies war eine Geld-Klemme, aber keine Systemkrise. Für die Staaten aber war dies „ein Laboratorium, um public-private-Kooperation zu entwickeln“ (13). Sie versuchen also, den monopolistischen Finanz-Kapitalismus im übernationalen Maßstab zu lernen, seinen Bedingungen zu genügen (Banken-Oligopol und Krise). Der Beamte lernt dabei auch, dass ein ernsthaft geplanter Kapitalismus gegen die Systemlogik ist. Die Staaten haben die Lasten zu übernehmen, basta; wirklich verallgemeinerbar ist dieser Test nicht.

Und noch etwas können wir jetzt erkennen:

Die Initiative ging vom österreichischen Finanzministerium aus. Aber nützte sie ihm? Kommt darauf an. Was waren die Begründungen für die Herabstufung der österreichischen und sonstigen Kreditwürdigkeiten durch Standard & Poor im Dezember 2011? Einerseits war es das EU-Umfeld. Zum anderen war, für Österreich, das Risiko der Banken in Osteuropa maßgebend. Die Wiener Initiative hat gerade den Rückzug aus diesem Hochrisiko-Areal gebremst. Anders gesagt: Die für die Banken erfolgreiche Wiener Initiative war ein Hauptgrund dafür, dass dieses Downgrading erfolgte und damit erhöhte Zinsen für die Staatsschuld wahrscheinlich werden.

29. März 2012

Man sollte immer wieder die Texte der Handelnden und ihrer Beauftragten lesen:
Nitsche, Wolfgang; The Vienna Initiative / European Bank Coordination Initiative: Assessment and Outlook. Vienna: BMF Working Papers.
Der Verfasser ist selbst für das Thema bereits aussagekräftig. Er ist nämlich nicht nur Beamter des Finanzministeriums, sondern auch Mitglied des Verwaltungsrats der EIB (der Osteuropabank der EU) und war dort auch einige Jahre einer der Direktoren. Was kann man noch gegen den STAMOKAP sagen?