Sidi Bouzid meldet sich wieder zu Wort

10.08.2012
Der tunesische Aufstand ist noch warm und flammt in Sidi Bouzid wieder auf
Von Imed Garbaya
Seit Wochen wird in verschiedenen Regionen Tunesiens Wasser und Strom willkürlich und ohne Vorwarnung mehrere Stunden pro Tag abgedreht. Eine klare Begründung seitens der Regierung gibt es nicht. (Es heißt der Verbrauch sei gestiegen – auf einmal?)

Die leeren und unrealistischen Versprechungen der Regierung und die Verschlechterung der Lage machen die Menschen in Tunesien ungeduldig. Das gilt insbesondere für die Regionen, wo die Bewegung gegen Ben Ali begann (Rdeyef, Sidi Bouzid, ...).

Diese Ungeduld entwickelt sich zu einem Protest, der sowohl von den Gewerkschaften als auch von den jungen Revolutionären getragen wird. Sie glauben nicht mehr an „Demokratie“ und „Wahl“- Prozess ohne sozialer Kern und gebunden an amerikanische Bedingungen, sondern richten sich auf einen langen Revolutionsprozess ein.

Die Regierung hat bis jetzt nichts in Richtung neue Wege unternommen, um die sozialen Probleme zu lösen oder zu lindern bzw. um neue wirtschaftliche Optionen Richtung mehr Unabhängigkeit von der Ausbeutung durch Investoren und Kapitalmärkte zu eröffnen. Im Gegenteil, es sind mehrere Schritte unternommen um mehr Abhängigkeit zu schaffen oder um einen Wechsel vom französischen zum amerikanischen Imperialismus 1 durchzuführen (direkt oder durch das Golf-Tor). Siehe zum Beispiel den Verkauf von staatlichem Eigentum an Qatar (Jagd-Gebiet im Süden Tunesiens, der Öl-Hafen in Skhira…).

Die letzten Wasser- und Strom-Protestbewegungen und überhaupt die sozialen Bewegungen in den ärmsten Regionen wurden mit aller Härte niedergeschlagen. Mehrere Demonstranten wurden festgenommen.

Am 9.8 2012 startete der Prozess gegen die Demonstranten in Sidi Bouzid. Gleichzeitig sind die Heckenschützen, die die Märtyrer der Revolution auf dem Gewissen haben, noch immer nicht identifiziert.

Es beginnt eine neue Welle des tunesischen Aufstandes gegen die Regierung und gegen Ennahda, die sich jeden Tag mehr zu einer neuen RCD [Partei Ben Alis] entwickelt. Sie legt die gleiche Treue zum System im Lande als auch weltweit an den Tag, auch wenn diesmal „demokratisch“ dekoriert.

Wien 9.8.2012