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Großkonzern klagt Aktivisten wegen Artikel über Rohstoffausbeutung im Kongo

1. Oktober 2006

Großkonzern klagt Aktivisten wegen Artikel über Rohstoffausbeutung im Kongo –
Kostenrisiko bis zu 240.000,- Euro!

  • Der Kärntner
    Großkonzern Treibacher Industrie AG klagt Aktivisten der Werkstatt
    Frieden & Solidarität. Die Treibacher Industrie AG ist an einem
    Unternehmen beteiligt, an das strategisch wichtige Rohstoffe aus dem
    Kongo von einem Geschäftsmann geliefert wurden, der von der UNO des
    illegalen Rohstoffabbaus und der Bürgerkriegsfinanzierung beschuldigt
    wird.

  • Kritischer Journalismus
    darf nicht mundtot gemacht werden – Start einer Spendenaktion.

  • Werkstatt Frieden &
    Solidarität fordert parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die
    Rolle österreichischer Unternehmen im Kongo.

Am 30. Mai 2006 erschien im Online-Standard ein “Kommentar der
anderen” von Gerald Oberansmayr, einem Aktivisten der Werkstatt
Frieden & Solidarität, zur geplanten EU-Militärmission in der DR
Kongo. Unter dem Titel “Der Bock als Gärtner” beschäftigt sich dieser
Beitrag mit der Rolle von EU-Staaten und Konzernen bei der Ausbeutung
der Bodenschätze in der DR Kongo. Er kritisiert, dass ausgerechnet
jene Staaten, deren Konzerne maßgeblich den Bürgerkrieg im Kongo am
Laufen gehalten haben, nun als militärische “Friedensstifter”
auftreten. In einem Satz wird dabei aus einem Gerichtsurteil des
Landesgerichts Korneuburg zitiert, in dem es um den Kärntner
Großkonzern Treibacher Industrie AG geht (siehe weiter unten).

UNO: Illegaler Rohstoffabbau hat “Bürgerkrieg maßgeblich
finanziert”

Hintergrund ist der illegale Abbau von Pyrochlor aus der Mine
Lueshe im Osten Kongos. Pyrochlor ist eine extrem hitzebeständige
Kombination verschiedener strategischer Metalle (u. a. Niobium und
Tantal) und findet z. B. für Flugzeug- und Raketentriebwerke
Verwendung. Lueshe gilt als die weltweit größte Fundstätte von
Pyrochlor in hoher Konzentration und Reinheit. Der deutsche
Geschäftsmann Karl-Heinz Albers wird in UNO-Berichten beschuldigt, als
Geschäftsführer des Unternehmens SOMIKIVU die Mine in Lueshe viele
Jahre hindurch illegal ausgebeutet zu haben.(1) Da diese Mine im
Einflussbereich der gegen die Zentralregierung in Kinshasa kämpfenden
Rebellenarmee RCD-Goma lag, hätte Albers – laut Profil vom 17.1.2005 –
rund 300.000 US-Dollar Schutzgeld im Monat an die Rebellen
abgeliefert. Besonders pikant ist, dass die deutsche Regierung
treuhänderisch an SOMIKIVU beteiligt ist, über die die Mine in Lueshe
ausgebeutet wurde. Deutschland ist bekanntlich jetzt die Lead-Nation
bei der EU-Militärmission im Kongo, die daran teilnehmenden
österreichischen Soldaten sind damit direkt der Bundeswehr
unterstellt.

Gegen Karl-Heinz Albers wird wegen des illegalen Abbaus von
Rohstoffen im Kongo und der damit in Verbindung stehenden Finanzierung
des Bürgerkrieges von der Generalstaatsanwaltschaft Kinshasa/Kongo,
der Interpol Kinshasa(2) ermittelt. Bereits im Jahr 2001 wird in einem
Bericht des UNO-Expertengremiums zur illegalen Ressourcenausbeutung im
Kongo im Jahr 2001 Albers beschuldigt, in den illegalen Rohstoffabbau
und -handel verwickelt zu sein, “dessen Erlöse den grausamen
Bürgerkrieg maßgeblich finanziert haben”.(3) Der UNICEF-Direktor
für den Ostkongo, Johannes Wedenig, stellt laut Tagesschau fest, dass
“Waffenschieber, wie die auf der Mine in Lueshe, dafür
verantwortlich seien, dass der Kongo nicht zur Ruhe komme”.(4)

Welche Rolle spielte die Treibacher Industrie AG?

Folgende Zusammenhänge zwischen der Treibacher Industrie AG und dem
schwer beschuldigten Geschäftsmann Karl-Heinz Albers ergeben sich aus
der Durchsicht verschiedener Urteilssprüche(5) und Medienberichte:

  • Die Treibacher
    Industrie AG hat im Jahr 2000 eine von Karl-Heinz Albers angebotene
    aus Lueshe stammende Pyrochlor-Probe in ihrem Kärntner Werk
    untersucht. In einer Gegendarstellung der Treibacher Industrie AG
    im Online-Standard vom 1. Juli 2006 stellt diese u. a. fest: “Die
    Treibacher Industrie AG hat nachweislich eine Laborprobe Pyrochlor von
    1 kg erhalten und sich aufgrund der (durch die Bürgerkriegswirren
    resultierenden) unklaren Eigentumsverhältnisse an den Minen in Lueshe
    in weiterer Folge zurückgezogen”.

  • Worauf die Treibacher
    Industrie AG in ihrer Gegendarstellung jedoch nicht hinweist: Die
    Treibacher Industrie AG war ab 2002, als tonnenweise Lieferungen aus
    der Mine Lueshe an die estnische Firma Silmet erfolgten, mit 25 % (mit
    der Option auf weitere 25 % plus eine Aktie) an Silmet beteiligt.
    Diese Lieferungen sind dem Vorstand der Treibacher Industrie AG laut
    seiner eigenen Zeugenaussage beim Handelsgericht Wien bekannt gewesen.

  • Die Treibacher
    Industrie AG hat gemeinsam mit Karl-Heinz Albers ein Joint-Venture,
    die Niobium Resources B.V., gegründet, deren Direktoren Karl-Heinz
    Albers und Reinhard Iro (Vorstandsvorsitzender der Treibacher
    Industrie AG) gewesen sind. Der 50 %-Eigentümer der Niobium Resources
    B.V., eine weitere Firma von K.-H. Albers in England, finanzierte
    nachweislich die illegale Tätigkeit von Somikivu.

Aufgrund dieser Zusammenhänge ist die Treibacher Industrie AG seit
längerem in Rechtsstreitigkeiten verwickelt. Gerald Oberansmayr
zitierte im Standard-Kommentar aus dem Beschluss des Landesgerichts
Korneuburg (11 Cg 85/05 z) vom 30.11.2005, in dem es heißt: “Der
Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, es wolle dem
Beklagten verboten werden, gegenüber Dritten […] die Behauptung
aufzustellen, die Klägerin [= Treibacher AG, Anm. Werkstatt] habe den
verbrecherisch handelnden Karl-Heinz Albers bei der ab 2000 erfolgten
illegalen Ausbeutung der Mine ´Lueshe´ laufend unterstützt […] wird
abgewiesen.” Im Umkehrschluss folgerte Gerald Oberansmayr deshalb,
dass diese Behauptung gegenüber Dritten – also der Öffentlichkeit –
vertreten werden darf. So findet man auch immer wieder Zitate aus
diesem Urteilsspruch in anderen Medien. Das Zitieren aus diesem
Urteilsspruch wird von der Treibacher Industrie AG jedoch für
unzulässig gehalten, da sie davon ausgeht, dass der Urteilsbeschluss
in der Urteilsbegründung dadurch zurückgenommen wird, dass diese
Aussagen in dieser Form “nicht mehr festgestellt werden konnten”.
Um den Gesamtzusammenhang zu erschließen, kann der komplette Beschluss
des Landesgerichts Korneuburg im Internet über www.werkstatt.or.at
eingesehen werden (siehe folgenden Link).

Aufgrund dieses Sachverhalts machte Gerald Oberansmayr das Angebot, das Zitat im engeren Sinn zu widerrufen, wenn
gleichzeitig über die ebenfalls in der Urteilsbegründung
festgehaltenen Fakten der Verbindung von Karl-Heinz Albers mit der
Treibacher Industrie AG im Widerruf berichtet wird, damit sich die
LeserInnen selbst ein Urteil bilden können. Dieses Angebot wurde von
der Treibacher Industrie AG nun mit einer Klage beantwortet. Der
Streitwert beträgt EUR 19.620,-. Die Gesamtkosten des Widerrufs,
wie ihn die Treibacher Industrie AG fordert, würden laut Auskunft des
Standard sogar bis zu 240.000,- Euro (!) ausmachen! (Leider kein
Tippfehler.)

Parlamentarischer Untersuchungsausschuss notwendig!

Wir halten auf Grund der oben angeführten Informationen das Agieren
dieses Konzerns für aufklärungsbedürftig. Das gilt umso mehr, als laut
aktuellen Medienberichten(6) sich die Treibacher Industrie AG darum
bemüht, die Bayer AG-Tochterfirma HC Starck zu übernehmen, die
wegen ihrer Kongogeschäfte ins Kreuzfeuer der Kritik von
Menschenrechtsorganisationen gekommen war. Für Einzelpersonen oder
kleine Vereine ist diese Aufklärungsarbeit schwierig. Denn einerseits
ist sie mit hohem Aufwand verbunden und andererseits auch sehr
risikoreich, weil Großkonzerne – wie wir nun gesehen haben – rasch mit
Klagen zur Hand sind, deren finanzielle Belastungen für die
Betroffenen existenziell bedrohlich sind, für einen Großkonzern wie
die Treibacher Industrie AG aus der Portokasse bezahlt werden können
(Jahresumsatz EUR 600.000.000,-; Eigentümer ist der deutsche
Multimilliardär Baron August von Finck, laut Forbes-Liste Platz 70 der
reichsten Menschen der Welt). Wir fordern daher den Nationalrat
auf, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur allfälligen
Involvierung österreichischer Unternehmungen in die Rohstoffausbeutung
in der DR Kongo einzurichten, der sich insbesondere auch mit der
Geschäftstätigkeit der Treibacher Industrie AG zu beschäftigen hat.
Die Republik Österreich muss aus mehreren Gründen ein Interesse an
einem solchen Untersuchungsausschuss haben:

  • In Bezug auf die illegale
    Rohstoffausbeutung in der DR Kongo heißt es im UNO-Bericht S/2002/1146
    eindeutig: “Die Regierungen der Länder, wo die Personen, Firmen und
    Banken, die systematisch und aktiv involviert sind, ihren Sitz haben,
    sollten ihren Beitrag zur Verantwortung, die sie haben, leisten. Die
    Regierungen haben die Macht diese Firmen und Personen zu maßregeln und
    Sanktionen zu verhängen”. Laut Leitgrundsätzen der OECD für
    multinationale Unternehmen machen “Regierungen mit Rechtssprechung
    über diese Unternehmungen sich selbst zu Komplizen, wenn sie nicht
    Gegenmaßnahmen treffen” (UNO-Bericht S/2002/1146).

  • Sollten nicht sämtliche
    Unklarheiten und Verdachtsmomente bezüglich der Verstrickung
    österreichischer Unternehmungen in die illegale Rohstoffausbeutung im
    Kongo ausgeräumt sein, so fällt ein schwerer politischer Schatten auf
    die ohnehin höchst fragwürdige Beteiligung österreichischer
    Streitkräfte an der Militärmission im Kongo.

  • Eine besondere politische
    Verantwortung ergibt sich zusätzlich bzgl. der Treibacher Industrie
    AG: Wichtige Organe der Treibacher Industrie AG waren bzw. sind in
    Unternehmen der Republik Österreich tätig. So wurde der
    Vorstandsvorsitzende der Treibacher Industrie AG Reinhard Iro 2004 von
    Minister Gorbach in den Aufsichtsrat der ÖBB entsandt (wo er 2005
    wieder auszog, als Ex-Minister Böhmdorfer einzog). Der derzeitige
    Aufsichtsratsvorsitzende der Treibacher Industrie AG Erhard Schaschl
    ist zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der österreichischen Verbund AG
    und im Aufsichtsrat der Austrian Airlines.

Kritischer Journalismus darf nicht mundtot gemacht werden –
Start einer Spendenaktion

Die Werkstatt Frieden & Solidarität ruft zu einer Spendenaktion
auf. Nur durch die Unterstützung vieler Menschen ist es möglich, die
durch die Klage anfallenden Kosten bestreiten zu können. Wir ersuchen
um Spenden auf das Konto der Werkstatt Frieden & Solidarität, Kt. Nr.
6274146, BLZ 34777, Raiffeisenbank Perg, Kennwort: Kongo

Als kleines Dankeschön senden wir allen SpenderInnen, die das
wünschen, ein Dossier über die illegale Rohstoffausbeutung im Kongo
zu. Zu bestellen: E-Mail
office@werkstatt.or.at
, Tel. 0732/771094.

Anmerkungen:
(1) United Nations Security Council, S/2006/53 vom 26.1.2006: “Am
14. Juli 2000 startete Albers die Operationen in Lueshe erneut,
basierend auf einen Pakt, den er mit der Rebellengruppe RCD, später
RCD-Goma, gemacht hatte. Der Antrieb dafür war der illegale Anspruch
auf Eigentümerschaft und die behauptete lebenslange Befreiung von
jeglichen Gebühren, Steuern oder Zöllen.”
(2) Amtshilfeersuchen der Interpol Kinshasa, 20.3.2004
(3) Bericht des UN-Expertengremiums zur illegalen Ressourcenausbeutung
im Congo, 2001 (Final Report of the Panel of Experts in the Illegal
Exploitation of Natural Ressources and Other Forms of Wealth of the
Democratic Republic of the Congo)
(4) Deutsche Kongo-Mine als Stützpunkt für Waffenschieber?, in:
Tagesschau, 4.7.2006
(5) Siehe z. B. Landesgericht Korneuburg (11 Cg 85/05 z) vom 30.11.2005
(6) Siehe z. B. TAZ, 13.5.2006, “Bayer verkauft HC Starck”

Werkstatt Frieden &
Solidarität, 10.9.2006

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