In Afghanistan sind bisher die Besatzungsprojekte aller Supermächte
gescheitert – sieben Jahre nach der Invasion der USA beginnt die
Belagerung der Hauptstadt durch den Widerstand – von Rafiq Yunis
Es war der britische Oberkommandierende in Afghanistan, General Mark Carleton-Smith, der sieben Jahre nach dem Krieg gegen Afghanistan unmissverständlich zugeben musste: „Wir werden diesen Krieg nicht gewinnen.“
Noch deutlicher wurde ein vertraulicher Bericht des britischen Botschafters aus Kabul, der seiner Regierung schrieb: „Die allgemeine Lage ist schlecht, und die Sicherheitslage ist noch schlechter. Das gilt auch für die Korruption, die Regierung hat jegliches Vertrauen der Bevölkerung verloren.“ Die militärische Präsenz der NATO sei Teil des Problems, nicht seine Lösung. Irgendwann müsse sie sich zurückziehen, was sich „sehr wahrscheinlich dramatisch gestalten“ werde. (1)
Die Nachrichtenmeldungen scheinen dem Botschafter Recht zu geben.
Am 17. Oktober berichtete alJazeera: „Der ehemalige Bürgermeister der Provinz Herat ist nun der stärkste Taliban-Kommandeur vor Ort. Ghullam Yahya Akbari sagte alJazeera, er werde nicht mit der afghanischen Regierung verhandeln solange sich ausländische Truppen auf afghanischem Boden befänden.“ (2)
Im selben Monat, in einer anderen Provinz: Von der US-Firma Blackwater trainierte afghanische Sicherheitskräfte laufen zu den Taliban über: „Was wir von den Besatzern gelernt haben, können wir nun beim Kampf gegen sie nutzen“, erklärt einer von ihnen.
Und so werden die Kämpfe in den südlichen und westlichen Provinzen beständig heftiger – während die Taliban immer näher an Kabul heranrücken. Hier heißt es derzeit Medienberichten zufolge, dass drei der vier großen Versorgungsrouten zur Hauptstadt von den Widerstandskämpfern kontrolliert werden – sie müssen Kabul gar nicht einnehmen, was ihre Möglichkeiten auch übersteigen würde; stattdessen wird die Stadt einfach vom Umland zunehmend abgeschnitten. (3) Gleichzeitig werden im Grenzgebiet zu Pakistan immer öfter Überfälle auf Versorgungstrucks gemeldet – ein vorläufiger Höhepunkt markiert die Zerstörung von über 300 NATO Transportern Anfang Dezember.
Dabei sind – sieben Jahre nach Kriegsbeginn – 60.000 Soldaten aus 40 Staaten in dem kleinen Land stationiert (4), das zu den Ärmsten der Welt gehört. Was ist geschehen, dass nun sogar die Besatzerkräfte mit ihrer Niederlage rechnen?
In der Provinz Logar, 60 Kilometer von der Hauptstadt Kabul entfernt, bittet die Bevölkerung die Taliban um Beistand gegen Kriminelle und Banditen, die – ohne von der Regierung gehindert zu werden – die Bewohner terrorisieren.
Es sind aber nicht nur kriminelle Banden, Korruption, mangelnde Sicherheit und die sich noch weiter verschlechternde wirtschaftliche Lage, die zu der wachsenden Unterstützung des Widerstandes führt. Während die westlichen Politiker und Massenmedien fortfahren, den Krieg in Afghanistan mit zivilisatorischen Werten, der Lage der Frau oder der internationalen Sicherheit zu rechtfertigen suchen, zeigt sich eine gänzlich andere Realität für die Menschen des betroffenen Landes: Auf jeden getöteten Besatzungssoldaten kommen allein für dieses Jahr drei von den Besatzern ermordete afghanische Zivilisten – dazu zählen die 95 Menschen, darunter 60 Kinder, die diesen August in Azizabad ermordet wurden; die 47 Hochzeitsgäste, die im Juli in Nangarhar getötet wurden und die vier Frauen und Kinder, die in Sangin im September von britischen Raketen getötet worden waren.
Allein seit 2006 wurden mindestens 3273 afghanische Zivilisten durch die westlichen „Terrorismusbekämpfer“ ermordet – warum?
Die Antwort ist einfach: Allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2008 sind 242 NATO-Soldaten gestorben, alle bei Gefechten am Boden. Kein Einziger Pilot. Obwohl Angriffe aus der Luft fast immer Zivilisten, oftmals sogar NUR Zivilisten treffen, werden diese inzwischen bevorzugt – weil westliches Leben mehr Wert ist als afghanisches, zumindest in den Augen der Boten der Freiheit.
Aga Lalai, der bei einem Bombenangriff in Helmand im letzten Sommer seine beiden Großeltern verlor, ebenso wie seine Frau, seinen Vater, drei Brüder und vier Schwestern, sagte: „Solange ein 40 Tage alter Junge am Leben bleibt, werden die Afghanen kämpfen gegen die Leute, die uns das antun.“ (5)
Der afghanische Widerstand lässt sich in vier größere Kategorien unterteilen:
Da ist die einfache Bevölkerung, die aus vielerlei Gründen – mangelnde Sicherheit, Korruption, Dieben, Patriotismus und wegen dem NATO-Terror – die Taliban mit Informationen, Nahrung, Waffenschmuggel und Verstecken unterstützen.
Da sind Jugendliche und Dorfälteste, die sich dem Guerillakrieg anschließen um ihr Land zu befreien – weil es ihre Religion und Tradition gebietet, weil sich in sieben Jahren alles nur verschlechtert hat und jedem klar geworden ist, dass die Truppen für die Interessen der reichen Besatzermächte, nicht für die Afghanen im Land sind.
Dann gibt es die „patriotischen Taliban“, denen es schlicht um die nationale Befreiung Afghanistans und die Beendung der mörderischen Zustände geht, sowie die „ideologischen Taliban“, die sich in einem weltweiten Krieg um die Durchsetzung ihrer gesellschaftlichen Utopie sehen. Es ist klar, dass, sosehr ihre Ideen auch rückschrittlich sind, die Niederlage des geballten NATO-Militärapparates eine historische sein wird und es ein sehr einseitiges und verlogenes Bild ist, dass die Massenmedien präsentieren: So sagte Mullah Hasan Rahmani, Mitglied des Beratungsgremiums der Taliban (Shura), dass die Taliban weder hinter den Angriffen mit Säure auf die Schulmädchen in Kandahar stehen würden noch jemals solche Aktionen unterstützt, geschweige denn durchgeführt hätten. (6) In Medienberichten hieß es dazu ausnahmslos, hohe Talibankommandeure seien die Drahtzieher. Worüber dagegen kein Wort verloren wurde: Taliban überfallen immer öfter die Trucks mit Hilfslieferungen für die NATO-Besatzung – und verteilen die Güter zu stark gesenkten Preisen auf Marktplätzen an die Not leidende Bevölkerung.
Und die US Marionette Karzai? Die wünscht sich inzwischen offiziell, sie könnte „die US Bomber abschießen lassen“(7) – nützen werden ihr diese Wünsche aber ebenso wenig wie ihre Hoffnungen, dass Mullah Omar – meistgesuchter Afghane auf der Liste der Amerikaner – mit ihr verhandeln wird, wie sie seit Neustem fordert.
Mullah Omar weiß genau wie Karzai: Es sind viele, die in den letzten Monaten zum Widerstand überliefen oder diesen zu unterstützen begannen – die NATO sieht sich nun mit einem Volksaufstand konfrontiert, den niederzuschlagen sie auf Dauer trotz ihrer wachsenden Brutalität nicht in der Lage ist; und das ist der Grund für die Besorgnis der westlichen Botschafter und Generäle.
Der Verteidigungsminister der afghanischen Marionettenregierung fordert: Wir brauchen 500.000 Soldaten um das Land zu kontrollieren – tatsächlich brauchen sie nur einen Blick in die Geschichtsbücher zu werfen, um zu sehen das dort, wo ein Volk gegen Verhältnisse in denen es nichts mehr zu verlieren hat aufzubegehren beginnt, kein Imperium im Stande ist langfristig zu bestehen.
(1) www.jungewelt.de/2008/10-07/023.php und www.timesonline.co.uk/tol/news/uk/article4882597.ece
(2) http://english.aljazeera.net/news/asia/2008/10/200810173815406492.html
(3) http://www.uruknet.de/?p=m47976&hd=&size=1&l=e
(4) http://de.wikipedia.org/wiki/ISAF-Nationen
(5) http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2008/oct/16/afghanistan-nato
(6) http://atimes.com/atimes/South_Asia/JK25Df02.html
(7) http://www.reuters.com/article/worldNews/idUSISL40856620081126
Die aktuellen Statements der Taliban gibt es unter „Afghanistan Mujahedin“ www.theunjustmedia.com