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Vermögen und Macht

Was brächte eine andere Verteilung?


28. August 2013
Von A.F.Reiterer

Die EU hat auch ihre positiven Seiten, es ist nicht zu leugnen. Die Bürokraten wollen Bescheid wissen. Dank dessen haben wir also seit fast einem Jahrzehnt eine jährliche Einkommens-Statistik, SILC, wie es sie in dieser Genauigkeit vorher nicht gab. Und neuerdings haben wir auch eine Vermögens-Statistik.


Der HFCS (Household Finance and Consumption Survey) wird von der EZB und in ihrem Auftrag in Österreich von der Nationalbank durchgeführt. So was hat es in Österreich überhaupt noch nie gegeben. Auch die, welche von Rechts wegen sehr daran interessiert sein müssten, die AK z. B., haben sich vor harten Daten offenbar gefürchtet: Man könnte dann ja sehen, dass die hoch gerühmte Sozialpartnerschaft doch eher den Vermögenden was bringt, weniger den Lohnabhängigen. Aber selbst das ändert sich gegenwärtig. Die Linke war bisher zu Recht stets höchst kritisch gegenüber der Sozialpartnerschaft. Aber mittlerweile wird die Sozialpartnerschaft von der Oligarchie zu Grabe getragen, mit tatkräftiger Mithilfe der Sozialdemokratie: Man braucht sie offenbar nicht mehr …

Doch zurück zum Vermögen!

2010 maß man den Median, den Wert des Netto-Vermögens, der die Haushalte in genau die Hälfte nach oben und nach unten teilt, mit 76.400 €, bei einem Mittelwert von 265.000 €. Verteilt ist dies folgend:

 

Die Unterschicht, die “untere Hälfte”, besitzt also 4 % aller Vermögenswerte. Die oberste Mittelschicht und die Elite, zusammen 5 % der Haushalte, verfügen über 45 % der Vermögen. Hinzuzufügen ist, dass die Daten vermutlich gerade im oberen Bereich keineswegs alle Werte erfassen.

Über diese Zahlen wäre nun sehr viel zu sagen. Wir werden in anderen Beiträgen auch noch Einiges kommentieren. Heute aber wollen wir nur wenige Aspekte ansprechen. Der Begriff “Vermögen” an sich ist für die Habe der Unterschichten ja schon ein misnomer. Unter Sachvermögen werden hier u. a. der PKW und die Eigentumswohnung gezählt. Aber das Auto ist für fast alle Menschen ein langlebiges Konsumgut, zum Gebrauch bestimmt, ja zum „Verbrauch“. Und das ist der hauptsächlichste „Vermögens“-Bestandteil der Unterschichten. Nicht soviel anders steht es mit der Eigentumswohnung bzw. dem Einfamilienhaus. Das wiederum ist der Hauptbestandteil des „Vermögens“ der unteren und selbst noch der mittleren Mittelschichten. Es ist Konsumgut. Doch wird man den Vermögens-Charakter der Wohnung nicht völlig in Frage stellen. Es dient der Absicherung gegen Wechselfälle des Lebens und manchmal auch als formelle Sicherheit bei der Gründung eines Kleinbetriebs. Ich würde solche Werte als Vermögensschatten bezeichnen: Sie erinnern in mancher Weise an Vermögen, entbehren aber des sozialen Kontexts, um Vermögen zu sein. Dagegen gibt es offensichtlich ideologisch begründete Bemühungen, die Pensionsansprüche zum Vermögen zu zählen. Aber das sind politisch zugesagte Sicherungssysteme, nicht in der Verfügung der Einzelnen. Es ist ein offenkundiger Missbrauch des Vermögensbegriffs. Ganz ähnlich steht es mit dem „Humanvermögen“, also jenem Komplex aus erlernten Fähigkeiten und Kenntnissen sowie ideologischen Eintrittsbedingungen in die Mittel- und Oberschichten (“Kultur”), ohne die man üblicher Weise wenig Chance auf gut bezahlte Berufe hat. Für die unteren drei Viertel der Schichten heißt also Vermögen etwas ganz anderes als für den oberen Teil oder gar für das oberste Centil (das oberste Hundertstel). Für diesen Unterbau der Gesellschaft ist Vermögen im Wesentlichen Konsum und ein wenig Absicherung. So ist denn für 55 % der Bevölkerung das Motiv für Sparen die Vorsorge für Notsituationen und fürs Alter.

“Vermögen” ist selbst als Konzept ein Kriterium der Oberschichten; und deshalb habe ich das Wort hier in Anführungszeichen gesetzt. Vermögen ist für die Oberschichten Kapital, d. h. Einkommens-Quelle. Es ist weiters eine Quelle für Status und für Macht. Ein allgemeiner Vermögens-Begriff vernebelt also mehr als er klärt. In den USA, sehr nüchtern in dieser Hinsicht, konzentriert sich denn das statistische Interesse auch auf die vermögenden Schichten. Die werden überrepräsentiert erhoben. Und noch einen zweiten Punkt wollen wir heute ansprechen: Die Wohlhabenden können nicht genug betonen, dass eine Umverteilung ja nichts brächte. Das ist nicht nur der Zynismus der Besitzenden, für die eine Lohnsteigerung um sagen wir 40 % “nichts” ist. Es ist auch schlicht falsch. Machen wir ein ganz primitives Rechen-Beispiel. Nehmen wir die 45 % des Vermögensanteils der Oberschichten. Wir wollen gar keine Gleichverteilung: Lassen wir ihnen einen Anteil, welcher den oberen Mittelschichten entspricht. Das wären 10 % des Gesamtvermögens. Es verbleiben 35 %. Die schieben wir nun in die Unterschichten. Siehe da: Anstelle 4 % haben sie plötzlich 39 %, rund das 10fache und relativ etwa gleichviel wie die unteren Mittelschichten (“obere Mitte” heißen die hier in der ÖNB-Graphik irreführend)! Vermögen ist nicht Einkommen, und Vermögen ist noch sehr viel ungleicher verteilt als Einkommen. Der Gini-Index des Einkommens, das beliebteste Maß für die Ungleichheit (0 wäre Gleichverteilung; 100 hieße, ein Haushalt hat Alles) ist in Österreich irgendwo unter oder bei 30 – kommt auf die Daten und die Rechnung an. Der Gini-Index des Netto-Vermögens ist 76.

Wenn auch Vermögen, insbesondere bei den Oberschichten, nicht unmittelbar zum Konsum bestimmt ist, so ist es doch einerseits Absicherung, andererseits Machtressource – man muss gar nicht an die schmutzige Art denken, wie sich derzeit in Österreich gerade ein Reicher eine Partei und Abgeordnete zusammen kauft. Gesellschaftliche Macht passiert in ganz wesentlich wichtigerer Form in den Betrieben, in der Verfügung über andere Menschen. Allein deswegen wäre in einer humanen Gesellschaft der Abbau der Großvermögen entscheidend.

23. August 2013

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