Wenige Monate vor dem totalen Zusammenbruch der Mittelmächte schwadronierten in Wien Politiker und ihre intellektuellen Sprachrohre noch vom „Siegfrieden“. Doch 1918 war dies nicht von einer Terror-Propaganda des Regimes erzwungen wie 1945. Diese Redner und Schreiberlinge glaubten Ende Juli 1918 noch wirklich, was sie sagten. Als dann Ende Septem¬ber tatsächlich alles zusammenbrach und selbst ein Blinder dies nicht mehr übersehen konnte, waren sie fassungslos.
Es war der unbedingte Glaube an die Großmacht, welcher sie bis zuletzt und darüber hinaus in ihrem Wahn gefangen hielt. Nun aber brachen ringsum alle Bestandteile des verrotteten Habsburgerstaats weg. Da versuchte die deutschsprachige politische Klasse, sich schleunigst an eine andere Großmacht anzuschließen. Die Abgeordneten des seinerzeitigen Reichsrats beschlossen einhellig: „Deutschösterreich ist ein Teil der Deutschen Republik“ (StGBl 1). Das war die eine, eigentliche Wurzel des Anschlusses zwei Jahrzehnte später.
Den neuerlichen deutschen Großmachtambitionen und in ihrem Schlepptau den österreichi-schen Politikern wurde mit dem Friedensvertrag von 1919 ein Riegel vorgeschoben. Ein Anschluss hätte eine Stärkung Deutschlands bedeutet. Dazu waren die Sieger mit gutem Grund nicht bereit. Die Mittelmächte hatten immerhin den Krieg vom Zaun gebrochen. Dieses Deutsche Reich wurde 1918, entgegen den Legenden danach, an denen auch Keynes kräftig mitwob, politisch eigentlich recht schonend behandelt.
Und noch eine Legende muss hier angesprochen werden: Die Österreicher seien 1918 ff. einmütig für den Anschluss gewesen. Es war die politische Klasse in Österreich, nicht die Österreicher. Otto Bauer, damals Außenminister, sagte dies sehr deutlich. Eine Volksabstimmung über den Anschluss fürchtet er zu verlieren (vgl. Reiterer 1993).
1938 hatte sich die Situation geändert. Der Austrofaschismus hatte die österreichische Wirtschaft durch eine deflationäre Politik ruiniert. Nach dem kurzen und von der Sozialdemo-kratischen Partei nicht ernsthaft unterstützten Aufstand der Arbeiter 1934 hatte er die Sozialdemokraten unbarmherzig verfolgt. Als nun die Nazis einmarschierten, hätten sie vermutlich auch eine „saubere“ Volksabstimmung gewonnen. Aber das widersprach ihrer Ideologie, sie wollten 100 %. Vor die Wahl zwischen Austrofaschisten und Nazis gestellt, hätte ein erheblicher Teil der Sozialdemokraten für Letztere gestimmt. Man braucht nur zu lesen, was Helmer und Olah über die Stimmung bei den Sozialdemokraten schrieb.
Die zweite Wurzel des Anschlusses war somit die ruinöse Wirtschaftspolitik von Dollfuss und Schuschnigg und deren Kumpanen. Ihre Folgen, u. a. die horrende Arbeitslosigkeit eines Viertels der Erwerbstätigen, wurden den Arbeitern aufgebürdet.
Aber dies Alles spielte sich auf einer bestimmten Folie ab. Die Sozialdemokraten waren seit ihrer Gründung deutschnational. Viktor Adler war Teil des deutschnationalen Kreises um Schönerer gewesen und daraus erst durch dessen immer rabiateren Antisemitismus vertrieben worden. Höchste Funktionäre der Sozialdemokraten kamen entweder direkt aus der deutsch-nationalen Bewegung (Engelbert Pernerstofer) oder aber wollten ihre jüdische Herkunft durch eine besonders (deutsch-) nationalistische Haltung überkompensieren, wie Otto Bauer selbst, oder Friedrich Austerlitz mit seinem skandalösen AZ-Artikel am Beginn des Kriegs. Diese Haltung aber war durch den Großmacht-Chauvinismus bedingt, wie wir ihn mustergültig z. B. bei Friedrich Engels finden, nicht aber in gleicher Weise bei Marx, und das ist wichtig. Der „deutsche“ Polit- und Kultur-Chauvinismus, der bei Bauer so ungustiös ausgeprägt ist, war da nur noch das Obershäubchen. Der alte Großmacht-Nationalismus des 19. Jahrhunderts, der sich mit der gemeinsamen Sprache zu rechtfertigen glaubte, war also die ideologische Grundlage dieser Politik gegen ein selbständiges Österreich.
Aber da ist ein wesentlicher Punkt zu ergänzen. Die Christlich-Sozialen waren 1918 überrumpelt worden. Sie waren ideologisch in der Tradition des Seipel’schen Katholizismus im Grund Anti-Nationalisten. Das hinderte die meisten unter ihnen nicht, sich auf die schmutzigsten Seiten des Deutschnationalismus einzulassen. Luegers und Vogelsang kultivierten den Antisemitismus. Aber Seipel hatte begriffen: Nation beruft sich auf die Volkssouveränität und ist somit eine demokratische Struktur. Der Nationalismus der „kleinen“ Nationen (Hroch) mit dem Ruf nach Selbstbestimmung ist eine Demokratie-Bewegung. Beides ging diametral gegen das Christlichsoziale Konzept einer von Kirche und Dynastie autoritär zu gängelnden Bevölkerung. Und mit der Dynastie versuchten sie, den Begriff „Österreich“ auf diese reaktionären vornationalen Inhalten festzulegen. In diesem Sinn hat Otto Bauer 1924 in seiner „Österreichischen Revolution“ doch recht. In der Monarchie war „Österreich“ ein antinationales Projekt der Reaktion. Doch bei ihm war diese Einsicht vor allem eine Rationalisierung seines deutschen Nationalismus mit der Orientierung auf die Großmacht. Die Sozialdemokratie hatte dieses reaktionäre Projekt auch in der Monarchie nicht bekämpft. Karl Renner wollte es unbedingt retten, und Bauer stimmte da mit seiner Idee einer „Personalautonomie“ statt einer Selbstbestimmung zu. Es ist derselbe Gedanke, den heute Van der Bellen verfolgt, wenn er erklärt: „Österreich ist eine Minderheit in der EU.“
Die Christlich-Sozialen waren in der Ersten Republik überdies auf die Unterstützung der Großdeutschen angewiesen. Daher definierten sie die Österreicher entgegen einer besseren Einsicht einer kleinen Minderheit unter ihnen (E. K. Winter und sein Kreis) als Deutsche. Sie seien die „besseren Deutschen“ – diese Phrase griff der neue Kanzler der Industriellenvereinigung, Kurz, in seiner Regierungserklärung vor Weihnachten wieder auf.
Damit war der Anschluss ideologisch und politisch von den herrschenden Kräften und von einem gewichtigen Teil der Opposition vorbereitet. Als die Kommunisten anfingen, dem entgegen zu arbeiten (Alfred Klahr), war es zu spät.
Der Anschluss von 1938 war durch die Bekämpfung der nationalen Eigenständigkeit Österreichs und den Verzicht auf einen selbstbewussten nationalen Aufbau dieses Staates vorbereitet und tatsächlich unabwendbar geworden.
Der Faschismus war eine gesamteuropäische Bewegung. Georgi Dimitroff allerdings fiel seinem eigenen Vulgär-Marxismus zum Opfer, als er ihn 1935 rein instrumentell definierte – als offene terroristische Diktatur des (Finanz-) Kapitals. Doch wäre er nur das, dann wäre es völlig unerklärlich, dass sich in Italien, im Deutschen Reich, aber auch in den peripheren Gesellschaften des restlichen Europas von den Baltischen Staaten über Griechenland bis zu Spanien die Faschisten doch auf einen erheblichen Teil ihrer jeweils nationalen Bevölkerun-gen hatten stützen können. Die griffen nämlich ein Anliegen der Bevölkerung auf.
Der konservative und dann in den „Revisionismus“ abgeglittene – das bedeutet in der Zeitgeschichte: faschistoide – Historiker Emil Nolte hat versucht, solche Strömungen wie den Austrofaschismus als Pseudofaschismus vom Nazismus abzuspalten, Damit wurde dies in auch verharmlost. Aber der Bauern- und Provinzfaschismus des Engelbert Dollfuß war ein genuiner Faschismus. Allerdings war er an die österreichischen Verhältnisse angepasst. Der genuine Dualismus zwischen Wien und den Industriegebieten einerseits, dem (groß-) bäuerlichen Niederösterreich und den zurückgebliebenen Alpenländern andererseits zusammen mit der ideologischen Abstützung auf den Katholizismus brachte diese besonders schäbige Reaktion hervor. Der Konflikt mit der deutschen Variante des Faschismus war teils auf dessen Imperialismus zurück zu führen. Teils kam er aus einer Vernachlässigung bürgerlicher Interessen durch die christlichsoziale Politik. Mit einer eigenständigen nationalen Politik hatte dies nichts zu tun. Die Herrschaften wie G.-K. Kindermann, welche den Austrofaschisten solche Motive zuschreiben, sind späte und leicht durchschaubare Apologeten dieses Regimes. Schuschnigg schließlich versuchte erfolglos, beide Strömungen unter einen Hut zu bringen.
Die Nazis dagegen waren die Fortsetzung des Wilhelminismus und des Bismarckianismus und deren nationalliberalen Basis. Aber sie hatten ein populistisches Element, sie verschoben diesen Imperialismus hin zum Plebeischen. Dazu diente die Berufung auf das „deutsche Volk“. Den Widerspruch zwischen Restauration („National …“) und Appell an die Unterschichten („…sozialistische Arbeiter…“) wollten sie mit dem Führerprinzip lösen. Gerade für die Kleinbürger, aber auch für manche Arbeiterschichten hatte dies einen gewissen Charme. Da mit dem Rüstungs-Keynesianismus auch die Arbeitslosigkeit in Österreich binnen weniger Monate schnell sank („ordentliche Beschäftigungspolitik“), war die Zustimmung anfangs hoch.
Aber Österreich war durchaus als peripheres Land im großen Reich, der europäischen Supermacht, gedacht. Das merkten die Österreicher bald, sogar fanatische Nazis unter ihnen. Als dann auch die Niederlage greifbar heranrückte, stand nicht nur bei den künftigen Siegern (Moskauer Deklaration), sondern auch bei vielen künftigen österreichischen Politikern fest: Das neue Österreich sollte wieder selbständig sein. Adolf Schärf, erster Vizekanzler nach 1945 und sodann Bundespräsident, beschreibt dies in seinen Erinnerungen (Schärf 1955, 20): Als ihn ein deutsche Sozialdemokrat, Wilhelm Leuschner, 1943 aufsuchte und Vorschläge für das künftige Vorgehen zu machen begann, habe er, Schärf ihm plötzlich spontan widersprochen: “Ich unterbrach meinen Besuch unvermittelt und sagte: ’Der Anschluß ist tot. Die Liebe zum Deutschen Reich ist den Österreichern ausgetrieben worden.’“ Das kann eine Konstruktion im Nachhinein sein. Aber das würde nichts daran ändern: Ein führender Politiker hatte das Bedürfnis, sich nun, 1955, zu einem aufrechten Österreicher zu stilisieren. Das galt freilich nicht für alle. Da waren die Sozialdemokraten wie Friedrich Adler, die nur Hass auf dieses Österreich empfanden. Und da war, wichtiger, der unvermeidliche schmutzige alte Karl Renner, nun Bundespräsident. Dieser Großmeister des politischen Opportunismus deklarierte sich zwar auch für die Unabhängigkeit. Er konnte sich aber nicht verkneifen hinzuzufügen: Aber bis zur nationalen Eigenständigkeit wird es wohl noch eine Zeitlang dauern … (Reiterer 1996).
Zunächst schien es allerdings allen maßgeblichen Kräften klar: Dieses neue Österreich wird seine selbständige Existenz als Kleinstaat als Atout betrachten. Auf das ruinierte Deutschland war man nicht mehr neugierig. Man äußerte sogar Gebietsansprüche (im Kleinen Deutsche Eck) und übte sich ein wenig in Preußenbeschimpfung: Figl erinnerte daran, dass die Preußen ja kein „germanisches“, sondern ein „halbasiatisches“ Volk gewesen seien… Und links tat Ernst Fischer einen bedeutenden Schritt hinter Alfred Klahr zurück. Er stieg in seiner Begründung der Nation Österreich ganz auf die konservative Ideologie und Otto Bauers „National-Charakter“ ein (Fischer 1948).
Dann aber wurde erst die EGKS und sodann 1957 / 1958 die EWG gegründet. Bereits da rührten sich auf ÖVP-Seite die ersten Begierden. Der steirische Landeshauptmann Krainer sprach davon, man wolle nicht „in der Neutralität verhungern“, und Raab übernahm dies. Diese Stimmen verstummten allerdings bald, jedenfalls in der Öffentlichkeit. Die Entwick-lung Österreichs war zu offensichtlich besser als im Westen, die Wachstumsraten höher als die deutschen.
Aber diese Kräfte verschwanden nicht. Sie warteten ab. Ihre Stunde sahen sie gekommen, als das Sowjetsystem zusammenbrach. In diesem Moment trat eine Allianz von neokonservativen bzw. wirtschaftspolitisch neoliberalen Kräften und globalistischen Intellektuellen hervor. Es gelang ihnen, die politische Agenda im Österreich seit den 1980ern zu bestimmen.
Das Ende der Aufbau-Periode samt deren hohen Wachstumsraten brachte auch das Ende des Nachkriegs-Arrangements der Rücksicht auf die arbeitenden Schichten. Es war den Eliten stets lästig gewesen und hatte ihnen zuviel gekostet. Aber man fürchtete „den Kommunis-mus“. Als nun die USA auf die Bedrohung ihrer globalen Dominanz – Wallerstein hatte sogar schon von einem Ende des US-Hegemonie-Zyklus gesprochen – mit einer aggressiven Wende reagierten, sahen diese politischen und ökonomischen Interessen in Westeuropa: Das führte nicht zum Aufstand der Massen. Das Vorbild wirkte, und die neoliberale Reaktion setzte in voller Wucht ein. In Österreich versuchten die Sozialdemokraten kurze Zeit, den keynesianischen Kurs zu halten („Austrokeynesianismus“). Doch die Umstrukturierung der Weltwirtschaft („Ölschocks“ 1973 und 1979) kamen ihnen ebenso in die Quere wie ihre interne Uneinigkeit und Unschlüssigkeit.
Dann kam ein Angriff seitens der hegemonialen intellektuellen Kreise auf die politische Grundlage überhaupt. Die Mehrzahl der Intellektuellen dieses Landes war stets deutschnational gewesen. Die deutsche Katastrophe hatte sie eine Zeitlang zum Verstummen gebracht. Es wurde kurzfristig sogar Mode, sich „österreichisch“ zu geben. Aber täuschen wir uns nicht! Diese Österreich-orientierten Kräfte kamen eher aus dem liberal-katholischen Bereich. Als nun die alten nazistisch-deutschnationalen Akademiker langsam wegstarben, welche bisher die Universitäten beherrscht hatten – man muss sich nur einmal die Bücher aus dem Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ansehen – und gleichzeitig die langjährige Wissenschaftsministerin Firnberg einen gewissen Einstrom von Sozialdemokraten in die Hochschulen ermöglichte, kam eine alt-neue Tendenz wieder durch. In Otto Bauer’scher Tradition galt bald Alles, was österreichisch klang, als finster. Hilfreich dabei war, dass die Publikationslandschaft völlig von deutschen Verlagen beherrscht wurde.
Zu Hilfe kam diesen Kräften der politische Versuch, die fragwürdigen Momente in der österreichischen Geschichte unter den Teppich zu kehren. Musterbeispiel war Kreisky. Der hatte allerdings dabei den Wunsch eines Großteils der Bevölkerung nach einem Schlussstrich hinter sich. Mit der Affäre Waldheim kam dieser ganze Komplex hoch. Und diese Kräfte nutzten das. Österreich, seine Existenz und seine Selbständigkeit wurden madig gemacht.
Man spricht immer wieder von Linksliberalen. Das ist grundfalsch. Es sind globalistische Liberale in der Tradition des John St. Mill, der ebenso wenig links war, wie diese globalistischen Kräfte links sind. Gleichstellung der Geschlechter, Akzeptanz von persönlichen sexuellen Präferenzen – das ist gewiss gut liberal und gegen die Altkonservativen zu vertreten. Aber was ist daran links? Diejenigen, die sich hier engagieren, sind meist durchaus sehr elitär eingestellt.
Nun hatte man zusätzlich einen unschätzbaren Vorteil gewonnen. Man musste nicht mehr „Deutschland“ rufen wenn man sich an eine Großmacht anbiedern wollte. Nun gab es die EG. Man sagte somit EUROPA. Aber die, welche dies politisch als erstes nutzten, waren gerade die, welche das Ziel dieser angeblichen „Aufarbeitung der Geschichte“ waren: Es waren die Konservativen und Neoliberalen. Mock, der alte verhüllte Antisemit, wurde zum Vorkämpfer „Europas“. Die neokonservative Wende der SPÖ brachte hm Verstärkung mit Vranitzky. Man konnte den Kurs auf den neuen Anschluss zielstrebig einschlagen.
Im Lauf der Volksabstimmungs-Kampagne 1993 / 94 schließlich gelang es den Konservati-ven, die Großmacht-Nostalgie, die in einem sonderbaren Habsburg-Kult stets im Untergrund vorhanden geblieben war, zu aktualisieren und zu mobilisieren. Die neuen Sozialdemokraten trugen das ihre bei. In einem regelrechten Terror-Feldzug in den Betrieben brachten sie mit Drohungen und Versprechungen („Ederer-Tausender“) ihre Anhänger dazu, sich mehrheitlich auch für die EG (bald: EU) auszusprechen. Der Anschluss, der 1945 noch einmal rückgängig gemacht worden war, war nun vollzogen.
Endgültig?
Eine entscheidend wichtige Schlussfolgerung
Wir sprechen hier ständig von Österreich. Aber wer, was ist Österreich? Gehen wir nicht in die Falle der EU-Propagandisten, die uns weismachen wollen, „Österreich“ habe vom EU-Anschluss profitiert. Profitiert haben die Exporteure und die Finanzkapitalisten, vielleicht auch einige intellektuelle Sektoren. Aber gehen wir auch nicht in die alternative Falle der (Mills-) Liberalen. Die kennen kein Österreich, sie kennen nur eine globalisierte Welt. Auf der können sie allen den Kurs vorgeben – glauben sie. Wir müssen dialektisch sein.
Österreich ist der Staat der kapitalistischen Eliten und ihrer Handlanger in Politik und Kultur. Die denken, dass sie diesen Staat immer weniger brauchen. Sie möchten ihn daher am liebsten entsorgen – wenn sie ihn nicht doch immer wieder für ihren Vorteil doch brauchen würden. Er ist ja ihr hauptsächliches politisches Instrument, und auch die globalistische Politik können sie nur mittels seiner Institutionen durchführen.
Aber Österreich ist auch die Lebenswelt einer beachtlichen Mehrheit jener Menschen, die hier geboren sind und hier leben, die meisten von ihnen gern. Auf die österreichische Gesellschaft wollen sie sich verlassen können. Und sie brauchen diesen Staat, dringlicher als die Eliten und die Herrschenden. Doch es sollte ein selbstbestimmter Staat sein, der ihnen und ihrer politischen Identität auch einen Bezugsrahmen anbietet.
Zwischen diesen beiden Projekten gibt es einen zähen Kampf. Denn eine Nation ist ein politisches Projekt auf der Basis einer geteilten Identität.
Der Nazi-Faschsimus war auf seine Art globalistisch und gegen Verzwergung. Wir wissen, wohin dies politisch geführt hat. Knapp vor dem Zweiten Weltkrieg meinte der damalige polnische Außenminister Beck fatalistisch: „Ich fürchte, dass Deutschland gemeinsame Grenzen mit Japan anstrebt.“ Der böse Witz traf den Sachverhalt nicht schlecht. Österreich war damals sein erstes Opfer: das Österreich der Austrofaschisten, aber noch viel mehr das Österreich der Arbeiter, Angestellten und Bauern.
Der Nazismus landete auf dem Müllhaufen der Geschichte. Aber vorher stürzte er die Welt in eine Katastrophe, wie man sie bis damals noch nicht gesehen hatte. Österreich wurde ein Teil dieser Katastrophe, und ein nicht geringer Teil der Bevölkerung hatte die ersten Schritte dazu freiwillig getan. Damals allerdings konnte sich das Land mit der Hilfe Anderer noch einmal daraus hervorarbeiten. Und heute?
Helmer, Oskar (1957), 50 Jahre erlebte Geschichte. Wien: Verlag der Volksbuchhandlung.
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Lenin, Wladimir Iljitsch (1972 ff. [1955 ff.]), Werke. 39 Bände. Besorgt vom Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED. Berlin: Dietz Verlag. Hier vor allem: Was tun? Brennende Fragen unserer Bewegung. Werke 5, 355 – 551.
Nolte, Emil (1966), Die faschistischen Bewegungen. Die Krise des liberalen Systems und der Entwicklung der Faschismen München: dtv.
Olah, Franz (1995), Die Erinnerungen mit 110 Abbildungen und Dokumenten. Wien: Amalthea.
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